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Arm und Reich – eine neue Definition

Was ermöglicht echte Teilhabe?

Arbeitslohn, Vermögen, Immobilien: In einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) haben die Autorinnen genauer untersucht, was für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und einen auskömmlichen Lebensstandard zählt.

Als armutsgefährdet bzw. arm gilt nach landläufiger Definition, wer über weniger als 60% des mittleren Einkommens verfügt. Als reich gilt, wer auf mindestens 200% kommt. Laut Bundesagentur für Arbeit verdienten Beschäftigte 2022 in Vollzeit im Mittel 3516 Euro brutto, Frauen in Vollzeit jedoch 15,9% weniger als Männer.

Aber der Verdienst ist nicht alles, wenn es um Grundbedürfnisse wie Essen oder Wohnen, um die Möglichkeit einer Urlaubsreise oder gar das Thema Vorsorge geht. Hier spielen auch vorhandenes Wohneigentum oder Ersparnisse eine Rolle. Daher haben Irene Becker, Tanja Schmidt und Verena Tobsch genauer hingeschaut, welches Erwerbseinkommen und welches Vermögen Haushalte zur Verfügung haben – und wofür sie Geld ausgeben oder ob sie an­sparen können. Ihre Definitionen können helfen, soziale Forderungen passgenauer zu stellen.

Sechs Kategorien

Die Forscherinnen haben sechs Gruppen gebildet, deren Ausgaben und Sparverhalten ein ähnliches Muster bilden. Hier ein Überblick, was diese sechs Gruppen auszeichnet und welchen Anteil sie an der Bevölkerung haben:

  • Armut (16% der Bevölkerung):In der Gruppe mit bis zu 65% des mittleren Einkommens und bei einem höchstens geringen Vermögen geben Menschen alles Geld aus, um Grundbedürfnisse zu befriedigen. Etwaige Ersparnisse müssen aufgelöst werden oder es werden sogar Schulden gemacht.
  • Prekarität (14%): Während mit einem Einkommen von über 65% die grundlegenden physischen Bedürfnisse gedeckt werden können, sind Ausgaben zum Beispiel für einen Cafébesuch oder Kino, Handy oder neue Kleidung noch nicht so möglich, dass man von einer normalen Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sprechen kann. Nur 2% in dieser Gruppe verfügen über so viel Vermögen (= mehr als das Dreifache des mittleren Jahreseinkommens), dass diese Bedarfe gedeckt werden können. Prekarität bezeichnet also eine schwierige, unsichere soziale Lage.
  • Knappe Teilhabe (21%): Haushalte mit 80 bis 105% des mittleren Einkommens bilden die untere der drei Stufen der Mittelschicht. Ihre Möglichkeiten zu konsumieren und anzusparen hängen auch von ihrem verfügbaren Vermögen ab.
  • Gute Teilhabe (32%): Wer über rund 105 bis 150% des mittleren Einkommens verfügt sowie auch über ein nennenswertes Vermögen (s. o.), kann gut am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
  • Sehr gute Teilhabe (8%): Mit über 150% des mittleren Einkommens lassen sich viele Wünsche erfüllen und auch (weiteres) Vermögen ansparen.
  • Reichtum (9% der Bevölkerung):Je nach Höhe des Vermögens sehen die Forscherinnen ab 175% des mittleren Einkommens ein „sehr dynamisch“ ansteigendes Konsum- und Ansparverhalten. Wer weniger als das Dreifache des Jahreseinkommens auf der „hohen Kante“ habe, für den sei die bisher übliche Reichtumsgrenze ab 200% weiter zutreffend. Diese Gruppe ist durch eine „reiche Ressourcenausstattung“ charakterisiert. Einkommen und Vermögen ermöglichen „einen weit überdurchschnittlichen Lebensstandard“ und weiteren Vermögensaufbau.

Tanja Kratt, ADEXA-Bundesvorstand und Leiterin der ADEXA-Tarifkommission, kommentiert: „Ein Blick auf diese Zahlen zeigt: Im Apothekenbereich ist noch viel aufzuholen. Immer weniger Frauen arbeiten als „Zuverdienerinnen“; von ihrem Erwerbseinkommen sollte auch der Aufbau von Rücklagen möglich sein.“ |

Quelle

Becker I, Schmidt T, Tobsch V. Wohlstand, Armut und Reichtum neu ermittelt. Materielle Teilhabe aus mehrdimensionaler Perspektive – Bericht zum ersten Modul des Projekts „Materielle Teilhabe im Lebensverlauf. Study der HBS-Forschungsförderung Nr. 472, Juni 2022, www.boeckler.de/fpdf/HBS-008349/p_study_hbs_472.pdf

sjo

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