Apotheke und Markt

Nahrungsergänzungsmittel – sinnvoll und sicher?!

Die DAZ im Gespräch mit dem NEM Verband

ral | Am 15. September 2006 wurde der NEM Verband (NEM e. V.) gegründet. Eines seiner vordringlichen Ziele ist Rechtssicherheit für mittelständische europäische Unternehmen, die Nahrungsergänzungsmittel, funktionelle Lebensmittel, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, Kosmetika und/oder Medizinprodukte produzieren und vertreiben. Der Verband sieht sich selbst als erster Ansprechpartner für seine Mitglieder, wenn es um Lebensmittel- und Kosmetikrecht geht und als zuverlässiger Gesprächs­partner zu allen ernährungswissenschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen. Ernährungswissenschaftliche und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Nahrungs­ergänzungsmitteln und Gesundheitsprodukten stellen sich auch in der Apotheke immer wieder. Die DAZ hat mit Manfred Scheffler, Präsident des NEM e. V., darüber gesprochen, wie sinnvoll und sicher Nahrungsergänzungsmittel sind und worauf man in der Apotheke achten sollte, wenn man Produkte in sein Sortiment aufnimmt.
Foto: monticellllo/AdobeStock

Nahrungsergänzungsmittel erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat in einer Spezialausgabe seines Verbrauchermonitors 2021 festgehalten, dass jeder Dritte hierzulande mindestens einmal pro Woche Vitamine in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zu sich nimmt. Für Hersteller und Vertreiber entsprechender Präparate ist dies natürlich eine gute Nachricht. Aus Sicht des BfR wäre die Substitution in vielen Fällen allerdings nicht notwendig. Sollte man Kunden in der Apotheke von Vitaminpräparaten also eher abraten? Manfred Scheffler rät hier zur Differenzierung. Natürlich gäbe es Verbraucher, die sich optimal ernähren und bei denen Nahrungsergänzungsmittel daher keinen zusätzlichen Nutzen brächten. Doch das sei nur die halbe Wahrheit. „Die weit überwiegende Mehrzahl der Verbraucher dürfte diesem Ideal nicht entsprechen“, so Scheffler. Er sieht Nahrungsergänzungsmittel daher für breite Kreise der Bevölkerung als sinnvoll an, insbesondere auch für Verbraucher mit besonderen physiologischen Bedürfnissen wie Veganer, Senioren, Sportler oder Menschen, die krankheitsbedingt einen erhöhten Nährstoffbedarf aufweisen.

(K)eine Frage der Dosierung

Nahrungsergänzungsmittel enthalten Vitamine und Mineralstoffe teilweise in deutlich höherer Konzentration als sie in Lebensmitteln zu finden sind. Kritiker sehen in dieser Tatsache eine Gefahr für Überdosierungen und fordern daher bereits seit Längerem eine EU-einheitliche Höchstmengenregelung. Der NEM e. V. kann diese Forderung nicht unterstützen. „Eine EU-einheitliche Höchstmengenregelung erachten wir nicht als sinnvoll“, betont Scheffler, denn der individuelle Bedarf der Verbraucher sei sehr unterschiedlich. „Der Bedarf eines 25-jährigen Sportlers ist doch nicht zu vergleichen mit dem Bedarf einer unter Antibiotika stehenden 80-jährigen Patientin“, gibt der Präsident des NEM e. V. zu bedenken. Er verweist zudem auf die für Nahrungsergänzungsmittel geltende Rechtsgrund­lage, die eine Höchstmengenregelung aus seiner Sicht unnötig macht: „Es dürfen keine pharmakologischen Dosierungen eingesetzt werden, die ein Produkt zum zulassungspflichtigen Arzneimittel werden lassen. Darüber hinaus dürfen keine gesundheitsschädlichen Dosierungen verwendet werden. Hier gibt es bereits von der zuständigen Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ermittelte Safe Upper Levels, also sichere Aufnahmemenge aus allen Lebensmittelquellen. Darüber hinausgehende gesetzliche Regelungen sind vor diesem Hintergrund nicht nötig“, so Scheffler. Sie wären für ihn sogar kontraproduktiv, da sie zu einer Benachteiligung seriöser NEM-Unternehmen führen würden, da die Verbraucher im Fall einer Höchstmengenregelung auf unseriöse Angebote aus dem Internet ausweichen würden. Seine Warnung: „Online-Angebote aus den USA, China etc. könnten von den deutschen Behörden nicht so sorgfältig geprüft werden, wie die Angebote deutscher Unternehmen“.

Der NEM Verband

Foto: NEM Verband

Der NEM Verband ist eine Interessenvertretung für mittelständische europäische Hersteller und Distributoren von Nahrungsergänzungsmitteln und Gesundheitsprodukten. Der Vorstand und der Fachbeirat des NEM e. V., der sich aus Unternehmern, Juristen, Sachverständigen und Ernährungswissenschaftlern zusammensetzt, engagiert sich in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern „für eine wirk­same und effiziente Interessenver­tretung in allen gesellschaftlichen Bereichen“. Ausgehend von seinen Kernkompetenzen Lebensmittelrecht und Lebensmittelwissenschaft bündelt und vertritt der Verband die Interessen der mittelständischen Unternehmen aus den Bereichen diätetische Lebens­mittel, Nahrungsergänzungsmittel, Lebensmittel für besondere medizi­nische Zwecke, Medizinprodukte, funk­tionale Lebensmittel sowie entsprechende Rohstoffe und Wirk­kosmetik bei allen übergreifenden Fragestellungen. Umfassende Informationen zum Verband bietet die Website https://nem-ev.de.

Verunreinigungen differenziert bewerten

Neben der Diskussion um die Konzentration bestimmter Nahrungsergänzungsmittel-Inhaltsstoffe gibt es immer wieder auch Berichte über mögliche Verunreinigungen. So machten im vergangenen Herbst Verunreinigungen von Nahrungsergänzungsmitteln mit Ethylenoxid Schlagzeilen. Wir wollten wissen, wie der NEM Verband dies einordnet. „Diskussionen um Verunreinigungen mit Ethylenoxid betreffen nicht spezifisch Nahrungsergänzungsmittel. Es handelt sich somit nicht um ein Nahrungsergänzungsmittelthema, sondern um ein Lebensmittelthema der gesamten Lebensmittelindustrie“, meint Scheffler. Er geht davon aus, dass die Problematik erst durch verbesserte Nachweismöglichkeiten überhaupt bekannt geworden ist. Abgesehen davon müsse man differenzieren. „In Deutschland betreffen rund ein Drittel aller Warnmeldungen Ethylenoxid. Allerdings muss hier unterschieden werden zwischen Produkten, die tatsächlich Ethylenoxid aufweisen oder lediglich 2-Chlorethanol, ein Abbauprodukt. Aufgrund fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse hierzu bewertet das BfR aktuell 2-Chlorethanol genauso wie Ethylenoxid, obwohl es sich tatsächlich um unterschiedliche Stoffe handelt“, so Scheffler. Vor diesem Hintergrund müsse bei jeder Verunreinigung der Einzelfall betrachtet und eine Risikobewertung durchgeführt werden, ob es sich tatsächlich um ein gesundheitsschädliches Lebensmittel handele oder nicht. Scheffler betont: „Sämtliche Hersteller und Vertreiber von Nahrungsergänzungsmitteln in Deutschland sind auf das Thema sensibilisiert und verlangen von ihren Lieferanten üblicherweise entsprechende Analysenzertifikate, die eine Verunreinigung mit Ethylenoxid ausschließen“.

Darauf sollte man bei NEM achten

Für Verbraucher ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, ob ein Nahrungsergänzungsmittel den in Deutschland geltenden rechtlichen Vorgaben für die Inverkehrbringung entspricht. Auch dürften die meisten keinen Überblick über die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die tägliche Zufuhr verschiedener Mikronährstoffe haben. Auch in der Apotheke muss man sich – so man entsprechende Produkte in sein Sortiment aufnehmen will – damit beschäftigen. Worauf sollte man achten? „Wir empfehlen den Apothekern die Verkehrsfähigkeit zu prüfen und vom Hersteller schriftlich bescheinigen zu lassen mit entsprechenden Dokumentationen“, erklärt Scheffler. Jeder Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln sollte auch entsprechend zertifiziert sein und die qualitative Herstellung der Produkte dokumentieren. Der NEM Verband habe hierzu ein Kontroll­system eingeführt. „Die Mitglieder müssen folgende Kriterien erfüllen: 1. die unterzeichnete NEM Control-Vereinbarung einhalten, 2. nur Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke auf den Markt bringen, die alle nationalen und europäischen Gesetze und Verordnungen einhalten und 3. für die Genehmigung der NEM Control-Marken­nutzung juristische Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen vorweisen bzw. bei Nichtvorhandenseins diese einholen“, so Scheffler. Verbrauchern rät er, bei Internetangeboten ohne Impressumsangabe oder Unternehmen, die ihren Sitz in exotischen Ländern aufweisen, bei denen gegebenenfalls eine Vollstreckung von juristischen Forderungen problematisch sein könnte, skeptisch zu sein. Auch sollte man, wenn Pflichtangaben fehlen und z. B. die Mengen der Wirkstoffe pro Tagesdosis nicht angegeben sind oder bei offensichtlich übertriebenen Heil- und Wirkaussagen lieber die Finger von einem Produkt lassen.

Die Apotheke kann hier punkten

Nahrungsergänzungsmittel gibt es im Supermarkt, in der Drogerie, im Internet – und in der Apotheke. Von Verbrauchern wird häufig moniert, dass die Produkte aus der Apotheke teurer seien. Wir wollten vom NEM Verband wissen, ob das seiner Erfahrung nach stimmt und welche Argumente für den Vertriebsweg Apotheke sprechen. „Für unseren Verband ist die Apotheke ein sehr guter Platz, um den Verbraucher in Gesundheitsfragen fachlich fundiert zu beraten“, betont Scheffler. Dass die Produkte in der Apotheke häufig als zu teuer betrachtet werden, stimme so pauschal nicht. Allerdings gebe es in unterschiedlichen Vertriebskanälen erhebliche Unterschiede in der Qualität. Scheffler dazu: „Wir empfehlen dem Verbraucher bei der Deklaration des Produkts sich die Werbeaussagen und die inhaltlichen Angaben anzusehen und zu vergleichen“. |

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