Arzneimittel und Therapie

Gegen das Schwitzen

Erstes topisches Anticholinergikum zugelassen

Hochsommerliche Temperaturen bringen uns gerade ordentlich zum Schwitzen, sorgen für schweißnasse Kleidung und unangenehmen Körpergeruch: Ein Problem, das Patienten mit primärer axillärer Hyperhidrose nur allzu gut kennen. Für sie gibt es jetzt eine neue Therapieoption – Axhidrox®, eine anticholinerge Creme mit dem Wirkstoff Glycopyrroniumbromid. Das Präparat ist seit dem 1. August im Markt.* Ein späterer OTC-Switch ist geplant.

Weltweit leiden etwa fünf Prozent der Bevölkerung an primärer Hyperhidrose, einer chronischen Erkrankung mit dauerhaft übermäßigem Schwitzen, vor allem unter den Achseln, aber auch an Füßen, Händen und im Gesicht. Die Ursache ist eine Fehlregulierung der Schweißdrüsen. Dabei geht die gesteigerte Schweißproduktion weit über eine erwünschte Regulierung der normalen Körpertemperatur hinaus. Geringste emotionale oder thermische Reize führen dann bereits zu Schweißausbrüchen. Das starke Schwitzen belastet die Betroffenen und schränkt die Lebensqualität erheblich ein.

Doch warum bricht uns überhaupt der Schweiß aus? Dazu lohnt sich ein Blick auf diesen physiologischen Prozess. Die ekkrinen Schweißdrüsen werden über postganglionäre sympathische Fasern innerviert, Acetylcholin fungiert als Überträgersubstanz. Es bindet an postsynaptisch lokalisierte Muskarin(M3)-Rezeptoren der Drüsen und löst die Schweißproduktion aus. Genau hier wird der Ansatzpunkt für die neue topische Therapieoption für Patienten mit primärer, axillärer Hyperhidrose gesehen, die mit dem Anticholinergikum Axhidrox® der Firma Dr. August Wolff angeboten werden soll. Die neuartige Deo-Creme wird in die Achselhöhle aufgetragen und wirkt dort lokal. Sie enthält 1% Glycopyrroniumbromid (GBP). Dieser anticholinerge Wirkstoff – auch bekannt als Bronchodilatator aus der COPD-Therapie – blockiert die Wirkung von Acetylcholin an muskarinischen Acetylcholin-Rezeptoren, als Folge bleibt die Schweißdrüsenakti­vierung aus.

Bisherige Strategien gegen Schwitzen

Foto: Cunaplus/AdobeStock

Die Möglichkeiten für die Behandlung von starkem axillärem Schwitzen waren bisher begrenzt und erstreckten sich von den Schweißfluss stoppenden Antitranspiranzien über systemische Anticholinergika bis zu invasiven Therapieoptionen. Vor allem bewährt haben sich lokale 10- bis 25%ige Aluminiumchlorid-Zubereitungen, welche durch Komplexreaktion zwischen Metallionen und Epithel­zellen die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen verengen und somit verhindern, dass der Schweiß an die Hautoberfläche gelangt. Adstringierende Externa wie Methenamin (z. B. Antihydral® Salbe) setzen bei Kontakt mit saurem Schweiß Formaldehyd frei. Dieser denaturiert Proteine und verschließt damit ebenfalls die Schweißdrüsen. Der Nachteil: Es drohen allergische Reaktionen und lokale Hautirritationen. Bei schweren Schwitzattacken kann Botulinumtoxin A (z. B. Botox®) zum Einsatz kommen - als intradermale Injektion. Das Toxin inhibiert irreversibel die Freisetzung von Acetylcholin aus präsynaptischen Vesikeln, weshalb die cholinerg bedingte Schweißbildung für einige Monate ausgeschaltet bleibt. Auch die Gabe anticholinerger Medikamente (z. B. Menthantheliniumbromid: Vagantin®) ist möglich. Zu beachten sind allerdings häufige Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Harnverhalt und Obstipation.

Im Rahmen des dezentralen Zulassungsverfahrens (DCP-Verfahrens) war Schweden Reference Member State (RMS) und zehn europäische Länder in Form von Concerned Member States (CMS) beteiligt: Estland, Finnland, Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Österreich, Deutschland, Dänemark. Schweden hat als RMS eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen. Die erste Zulassung an sich wurde in Dänemark erteilt. Axhidrox® steht seit dem 1. August 2022 in Deutschland zur Therapie der schweren primären axillären Hyperhidrose in Form einer 1 %igen Glycopyrroniumbromid-Creme zur Verfügung.In den ersten vier Wochen sind täglich zwei Hub pro Achsel indiziert,  danach kann die Anwendung auf zweimal pro Woche reduziert werden. Das Produkt wird nicht in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung gegeben, sondern nur bei schwerer primärer axillärer Hyperhidrose. Im ersten Monat wird eine Packung benötigt. In den darauffolgenden Monaten, kann die Häufigkeit der Anwendung – nicht die Einzeldosis – reduziert. Das Produkt ist eine GKV-Leistung und damit erstattungsfähig, das G-BA-Verfahren läuft.**

Die Zulassung der Creme basiert auf positiven Ergebnissen einer ­doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie mit 518 Hyperhidrose-Patienten. Nach vierwöchiger täglicher Anwendung der 1%igen GBP-Creme gegenüber der Placebo-Vergleichsgruppe konnte die Schweißmenge unter den Achseln signifikant reduziert und gleichzeitig die Lebensqualität verbessert werden – das Ganze bei guter lokaler Verträglichkeit und nur milden bis moderaten Nebenwirkungen. In der Weiteranwendung konnten die Probanden entscheiden, wie häufig sie die Deo-Creme applizierten, also einmal täglich bis hin zu lediglich zweimal pro Woche. |

* Dieser Satz wurde korrigiert und weicht deshalb von der Printversion in DAZ 2022, Nr. 30, S. 24 ab. 

** Dieser Absatz wurde korrigiert. Er weicht deshalb von der Printversion in DAZ 2022, Nr. 30, S. 24 ab.  

Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

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