Wirtschaft

Apotheken und Großhandel in der Zwickmühle

Ein Kommentar

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kfm., Mitglied der DAZ-Redaktion

Apotheken und Großhandel leiden im Rx-Bereich unter sinkenden Margen, weil beide großenteils von Festzuschlägen leben. Das ist ohne geregelte Anpassung nicht zukunftsfähig, weil die Inflation jeden Festzuschlag irgendwann einholt. Zugleich fällt es dem Großhandel schwer, seine Rabatte an die Apotheken zu reduzieren. Das liegt nicht nur am Wettbewerb. Wenn alle Großhändler so handeln würden, würde das vermutlich viele Apotheken so belasten, dass darunter auch der Großhandel leiten würde (siehe Beitrag "Quo vadis Großhandel?"). Der Großhandel steckt in einer Konditionenzwickmühle.

Wenn der Festzuschlag von 70 Cent bedingt durch steigende Kosten kaum noch Ertrag bietet, kann der Großhandel praktisch nur über seinen Zuschlag von 3,15 Prozent eine Gewinnmarge erwirtschaften. Das lohnt sich praktisch nur bei Packungswerten von etwa 20 Euro bis zur Kappungsgrenze von 1200 Euro. Doch zugleich steht aufgrund der Rechtslage nur dieser prozentuale Zuschlag für Rabattkonditionen zur Verfügung. Für die Apotheken geht es dabei ebenfalls um relevante Beträge. Denn sie erheben nur einen preisabhängigen Zuschlag von 3 Prozent. Wenn der rechtliche Rahmen für den Großhandelsrabatt voll ausgeschöpft wird, kann die Apotheke damit ihren variablen Margenanteil etwa verdoppeln. (Das ist grob gerechnet. Die 3,15 Prozent des Großhandels beziehen sich auf den Ab­gabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, die 3 Prozent der Apotheke auf den Apothekeneinkaufspreis, aber dieser Unterschied macht immer weniger aus, je höher die Beträge sind.)

Beobachter dieser Entwicklung empfehlen daher steigende Honorare für Apotheken, die dann auf Groß­handelsrabatte verzichten könnten (siehe Beitrag "Quo vadis Großhandel?"). Es wäre auch ein Systemfehler, wenn Apotheken auf Großhandelsrabatte angewiesen wären. Der Vorschlag verlängert damit die große Liste der guten Gründe für steigende Apothekenhonorare. Die Pandemie ist ein noch wichtigerer Grund. Denn die dezentral aufgestellten Apotheken haben sich bestens bewährt, die Versorgung sichergestellt und mit ihren logistischen Fähigkeiten möglich gemacht, was andere so schnell nicht schaffen konnten, von der Maskenverteilung über die Impfstoffversorgung der Ärzte bis zur Erstellung digitaler Zertifikate.

Das führt die Apotheken in eine andere Zwickmühle: Sie sind für ihre besonderen Leistungen entlohnt worden, und die meisten von ihnen haben bisher in der Pandemie vergleichsweise gute Ergebnisse erzielt, zumindest besser als davor. Das ist zwar nur ein Einmaleffekt, macht die politische Forderung nach mehr Geld jetzt aber schwierig. So drohen die Erfolge in der Pandemie zum Dilemma der Apotheken zu werden. Denn unglücklicherweise wäre mehr Geld wegen der einsetzenden Inflation gerade jetzt wichtiger als je zuvor. Die Inflation macht auch deutlich, wo der Kern des Problems liegt. Das Dilemma um die prozentualen Zuschläge ist nur eine Folge. Die Ursache ist der 2004 eingeführte Festzuschlag ohne eine verbindliche Regel für die Dynamisierung. Das gilt für Apotheken und Großhandel gleichermaßen. Darum wäre eine einmalige Verschiebung der Zuschläge auch keine nachhaltige Lösung – weder für die Apotheken noch für den Großhandel. Stattdessen brauchen beide eine langfristige Anpassungsregel für ihre Festzuschläge. Die würde beide aus ihren Zwickmühlen befreien.

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