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Der richtige Zeitpunkt für eine Honorarforderung ist jetzt!

Ein Kommentar zur Anpassung des Festzuschlags

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

Der Präsident der Hamburger Apo­thekerkammer, Kai-Peter Siemsen, beklagt, dass die ABDA stets Gründe finde, gerade jetzt keine Erhöhung des Festzuschlags auf Rx-Arzneimittel zu fordern. Doch die Hamburger Kammerversammlung hat einen Antrag für den Deutschen Apothekertag beschlossen, diese Forderung jetzt zu verfolgen (siehe Seite 62 und AZ 2022 Nr. 26, S. 4). Das ist gut so. Denn der beste Zeitpunkt ist jetzt – und das liegt an der Inflation. Das fundamentale Problem des 2004 auf der Grundlage der Daten von 2002 eingeführten Kombimodells ist die fehlende Anpassung des Festzuschlags. Ein festes Honorar wird früher oder später von der Inflation eingeholt. Das ist eine absolute Gewissheit. Da die Inflation seit Jahrzehnten nicht so hoch war wie derzeit, wird das Thema, das lange Zeit irgendwie verdrängt werden konnte, jetzt unübersehbar und drängend. Es liegt in der Natur des Anpassungsproblems, dass es keinen dringenderen Grund zum Handeln als die Inflation geben kann.

Die Sondererträge der Apotheken durch die Pandemie dürfen kein Gegenargument sein, weil sie durch viel Arbeit verdient wurden. Dieser Aspekt erinnert an die 2012 ge­führte Diskussion über die Anpassung des Festzuschlags Anfang 2013. Diese Anpassung war damals zu niedrig, weil die Roherträge aus zusätzlich abgegebenen Packungen bei den Kosten gegengerechnet wurden. Das darf nicht sein. Denn bezahlte Überstunden sind auch keine Lohnerhöhung. Die Rechnung beruhte auf einem Missverständnis bei der Auslegung der fixen Kosten und wurde von der ABDA damals nicht mit dem Bundeswirtschaftsministerium geklärt. Das darf nicht wieder zum Problem werden.

Auch das Argument, eine Honorarerhöhung für die Apotheken könne den Versand befördern, darf kein Hindernis sein. Vielmehr könnte ein neues Honorarkonzept die Anreize für den Versand sogar verringern, indem ein Teil des Honorars als versorgungsformabhängige Vergütung gezahlt wird. Wenn dieses Geld über einen Fonds geleitet wird, bliebe der einheitliche Abgabepreis dabei erhalten. Apotheken vor Ort könnten dann als Gegenleistung für ihre Präsenz höher vergütet werden, ohne einen neuen unerwünschten Anreiz zur Steuerung der Versicherten zu geben. Der Verfasser dieses Kommentars hat schon 2018 ein ­solches Konzept vorgeschlagen.

Damit erweisen sich die vermeint­lichen Gegenargumente als Ausflüchte, und der Hamburger Antrag kommt zur rechten Zeit. Er zielt auf eine rückwirkende Erhöhung für die Zeit seit Einführung des Kombimodells, weil die Anpassung von 2013 unzureichend war. Je länger der Blick zurück gerichtet wird, umso schwieriger dürfte dies politisch durchsetzbar sein. Entscheidend sind aber Gegenwart und Zukunft, weil die Preise jetzt besonders stark steigen. Der Antrag sieht außerdem vor, den Kassenabschlag nicht zu erhöhen und eine etwaige Mehrwertsteuersenkung ertragsneutral für die Apotheken zu gestalten.

Ist damit wirklich an alles gedacht? Nicht ganz! Offenbar fehlt noch ein wichtiges Formulierungsdetail, das den politisch wohl aussichtsreichsten Weg öffnet. Der Kern der Aufgabe ist, die aufgrund der Arzneimittelpreisverordnung packungsabhängig er­hobenen festen Beträge an steigende Kosten anzupassen. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, diese zusätzlichen Mittel als packungs­abhängigen Festzuschlag an die Apotheken zu zahlen. Um es ganz deutlich zu sagen: Im Zusammenhang mit der Inflation geht es darum, den entscheidenden Schwachpunkt im Erhebungsverfahren zu korrigieren. Das lässt die Gestaltung des Verteilungsverfahrens offen. Der Nacht- und Notdienstfonds hat gezeigt, dass auch die Verteilung über einen Fonds gut funktioniert. Zusätzliches Geld kann daher auch als Strukturförderung nach anderen Kriterien verteilt werden. Das würde zum „Sicherstellungsfonds“ passen, der im Koali­tionsvertrag steht, und sollte daher politisch gut zu vermitteln sein. Auch die zuvor erwähnte versorgungsformabhängige Honorierung müsste über einen Fonds geleitet werden. Da ist vieles denkbar. Die allerjüngsten Pläne, in der GKV-Finanzreform auch „Effizienzreserven“ in den Apotheken zu nutzen, erschweren dies alles. Doch letztlich ist das ein Grund mehr, weshalb das Thema gerade jetzt so drängt.

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