DAZ aktuell

Die letzte Entwicklungsstufe des Verbrennungsmotors

Ein Gastkommentar zum BAK-Positionspapier Approbationsordnung

Pharmazeutische Dienstleistungen, Impfen, Digitalisierung, eine Reform der ABDA und nun auch noch eine neuen Approbationsordnung. Wow! Die ABDA legt ein stolzes Tempo vor und packt die Versäumnisse der Vergangenheit tatkräftig an. Super! Zu verdanken ist der Erfolg dem unermüdlichen Einsatz der vielen ehrenamtlich tätigen Kolleginnen und Kollegen bei BAK, DAV und ABDA, die die Änderungen mit viel Kraft und Engagement vorantreiben. Das wäre ohne den Elan der neuen Kräfte in der Standesführung sicher nie gelungen. Gut gemacht, es geht voran mit unserem Berufsbild!

Foto: privat

Apotheker Dr. Olaf Rose, PharmD lehrt Pharmakotherapie an der Paracelsus Medizinischen Privat­universität in Salzburg

Gut gemeint waren sicherlich auch die Vorschläge, die aus dem Bereich der Hochschulen am runden Tisch zur Novellierung der Approbationsordnung eingebracht wurden, und offensichtlich gehört wurden. Man kann nun mit einem einheitlichen Papier losziehen, an dem nur die Studierenden im Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) nicht mitziehen. Ist das (fast) gemeinsame Positionspapier nun also eine Erfolgsstory oder ein Kompromiss, der der standespolitischen Machbarkeit geschuldet ist?

Man hat hier mit viel Mühe und feinster Ingenieurskunst einen Motor vorgestellt, der zahlreiche zusätzliche Extraaggregate, Chips und Steuerelemente bekommen hat, damit er möglichst effizient sein Erdöl verbrennt. Das Positionspapier enthält viele tolle Aspekte und berücksichtigt alle Inte­ressen. Interprofessionalität, sogar (ein bisschen) Pharmakotherapie, eine wissenschaftliche Arbeit. Das ist sehr gut gelungen und war Hardlinern sicherlich schwer genug und nur unter Zusicherung ihrer Pfründe zu vermitteln.

Indes: der Ansatz ist wie der Verbrennungsmotor grundlegend überholt. Man hätte mit dem berühmten „Derendorfschen weißen Blatt Papier“ beginnen können. Das wäre nach diversen Evolutionsschritten bitter nötig gewesen. Unterstellt man als gemeinsame Endstrecke den maximalen Nutzen des Pharmazeuten für die Gesellschaft, dann lautet das Lastenheft vielleicht, dass ein Apotheker in 2022 eine Pharmakotherapie optimieren können soll (Offizin, Krankenhaus)

  • den Patienten in Offizin und Station auch unabhängig von der Packungsabgabe begleiten können muss (Gesellschaft)
  • bevorzugt large molecules entwickeln und durch die ersten drei Phasen (klinische Forschung) bis zur Zulassung bringen kann (Industrie)
  • die Qualität der Produktion sichern und Pharmakovigilanz (Phase 4) betreiben können soll (Verwaltung)

Das scheint in acht bis zehn Semestern durchaus machbar, weiteres lebenslanges Lernen vorausgesetzt. Ein schlankes, attraktives und cooles Studium entsteht.

Wie kann die Lehre dann im Detail aussehen? Aufbauend auf den Grundkenntnissen der Naturwissenschaften, Biochemie und Anatomie, in einem Umfang, wie sie auch in der Medizin und Zahnmedizin gelehrt werden, folgt dann eine Unterteilung des Studiums in die Indikationsgebiete Kardiologie, Onkologie, Psychiatrie, etc. Therapie­ansätze werden an Fallbeispielen aus der Perspektive der Medizinischen Chemie, Pharmakologie und Pharmakotherapie vernetzt, notfalls direkt nacheinander vermittelt. Die dort erlernten Kenntnisse werden in jedem Semester auf Station am Patienten vertieft. Umgrenzte, zwei bis sechswöchige Kurse über die gesamte Studiendauer beschäftigen sich z. B. mit Drug Delivery Systemen, Drug ­Design, Compounding, Pharmakoökonomie, BWL, Pharmakoepidemiologie, Statistik, wissenschaft­lichem Arbeiten, Methoden, Journal Clubs, Digitalisierung, Instrumenteller Analytik, Pharmakokinetik, Sozialpharmazie, Ethik, komplexen Patienten, Therapieindividualisierung, Kommunikation, etc.. Den Nachweis der wissen­schaft­lichen Kompetenzen würde man dann analog zur Medizin mit einer zwölfmonatigen Forschungsarbeit und einem „Dr. pharm.“ belohnen. So wird die Pharmazie richtig cool. Gleichzeitig fördern die Arbeiten den Output an Studien und begeistern die Studierenden für eine spätere wissenschaftliche Karriere (auch im Institut). Unbenommen bleiben also die Forschung und die Möglichkeit einer Spezialisierung durch eine Promotion zum Dr. rer. nat. Ergänzt wird das Spektrum der Wissenschaft um translationale Forschung, Versorgungsforschung, Pharmakotherapie- und Patient Care-Forschung. Vor allem aber befähigt das Studium den Pharmazeuten dann zur Arbeit am Patienten, zur Übernahme von Therapieverantwortung und zur Entwicklung zeitgemäßer neuer Wirkstoffe.

Sehr viele dieser Ideen finden sich im Positionspapier wieder. Nur eben nicht aus einer neuen Perspektive gedacht, sondern in einer eierlegenden Wollmilchsau. Dadurch würde das Studium sicherlich besser, vermutlich aber noch verzettelter werden.

Ohne die Lehrenden geht es nicht. Die Meinungsführer haben hier erneut ihre „Werkstatt für Verbrennungs­motoren“ erhalten, anstatt endlichen einen „start from scratch“ auch im eigenen Interesse anzustoßen. Das ist verständlich, aber zu kurz gedacht und führte uns in den letzten Jahrzehnten bereits aufs Abstellgleis der Wissenschaft und in die Zweitklassigkeit der Lehre. Hoffen wir also, dass eine Änderung der Approbationsordnung möglichst schnell, so oder anders kommt. Vertrauen wir darauf, dass eines Tages auch ein mutiger Schritt ein innovatives Studium ermöglicht. Dazu bedarf es nicht mehr und nicht weniger als einen Wandel in den Köpfen. |

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