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Atemwegserkrankungen

Asthma-Therapie, die durch die Haut geht

Biologicals lassen Patienten aufatmen

Viele Patienten, die unter schwerem Asthma leiden, müssen auf orale Glucocorticoide zurückgreifen und schwere Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Doch die Forschung hat in den vergangenen Jahren viel dazu beigetragen, Asthma besser behandeln zu können. Neue Biologicals verhelfen vielen Patienten zu einem normalen Leben und bringen selten Nebenwirkungen mit sich. Doch bis sich die moderne Therapie in der Praxis durchsetzt, scheint es noch ein langer Weg zu sein. | Von Marius Penzel

Die Lunge krampft, Hustenanfälle, Schleim sammelt sich in der Brust. Die Luft steckt in den Atemwegen fest und pfeift, ein Gefühl der Beklemmung macht sich breit. Diese Symptome kennen weltweit rund 300 Millionen Menschen [1]. Sie leiden unter Asthma, einer der weltweit häufigsten chronischen Erkrankung. Dabei sind die Atemwege chronisch entzündet und können bei leichten Reizen empfindlich reagieren. Warum Patienten Asthma entwickeln, kann viele Gründe haben. In der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma nennt die Bundesärztekammer genetische Disposition, exogene Faktoren und psychosoziale Faktoren als wichtigste Auslöser [2].

Die internationale Fachgesellschaft Global Initiative for Asthma Strategy (GINA) erarbeitete Leitlinien für das Vorgehen, welche Arzneimitteltherapien je nach Schwere der Erkrankung eingesetzt werden können [3]. In den letzten zwei Jahrzehnten schafften es immer mehr Antikörper in die Therapieempfehlungen. Für Prof. Dr. Marek Lommatzsch kommt ihr Nutzen für die Asthmatherapie einer Revolution gleich. Lommatzsch ist leitender Oberarzt der Abteilung Pneumologie der Universitätsmedizin Rostock und Sprecher des Deutschen Lungentages. Er ist Asthma-Experte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP). „Vor 30 Jahren bestand die Therapie nur aus Salbutamol, systemisch verabreichten Glucocorticoiden oder Theophyllin“, rekapituliert er im Gespräch mit der DAZ-Redaktion. Über die Biologicals sagt er: „Dank ihrer Wirkung können Patienten häufig ein völlig normales und beschwerdefreies Leben führen.“ Er sei dankbar, in dieser Zeit als Pneumologe praktizieren zu dürfen.

Erst in der höchsten Eskalationsstufe

Aber nur schwere Asthmatiker behandeln Lommatzsch und andere Pneumologen mit Biologicals. Meist können inhalative Glucocorticoide (ICS), die in Kombination mit dem schnell- und langwirksamen β2-Sympatomimetikum Formoterol verabreicht werden, den Patienten helfen. Während Formoterol die Bronchialmuskulatur erschlaffen lässt, stoppen die Glucocorticoide die Entzündung des Gewebes. Viele Patienten erhalten von ihrem Arzt unabhängig von der Schwere der Erkrankung ein Notfallspray mit dem kurzwirksamen β2-Sympatomimetikum Salbutamol. In der aktuellen GINA-Leitlinie empfehlen die Autoren, auf Salbutamol gänzlich zu verzichten, wenn ICS-Formoterol-Kombinationspräparate verfügbar sind. Denn Salbutamol allein verbessert nicht den Krankheitsverlauf, die Anwendung ist mit einer erhöhten Asthma-Sterblichkeit verbunden. Ein wahrscheinlicher Grund dafür ist, dass einige Patienten das Notfallspray als primäre Therapie ansehen und inhalative Glucocorticoide nicht oder nicht korrekt einnehmen.

Die inhalativen Glucocorticoide Budenosid, Beclometason oder Fluticason bringen wenig systemische Nebenwirkungen mit sich. Beim milden Asthma genügt es, das Arzneimittel im Bedarfsfall anzuwenden. Reicht das nicht, ist eine Dauertherapie nötig, bei manchen Patienten muss die Dosis erhöht werden. Aber einigen Patienten hilft auch das nicht. Sie leiden nach den GINA-Kriterien an Asthma der höchsten Stufe 5. Grund für ihre Probleme mit dem „schwierigen Asthma“ könnte sein, dass sie den Inhalator falsch anwenden oder ständig einem auslösenden Allergen ausgesetzt sind, dass sie meiden könnten – zum Beispiel Tierhaare. Andererseits könnten Begleiterkrankungen wie Übergewicht eine Rolle spielen. Diese sollten von den Ärzten als Erstes adressiert werden, bevor sie potentere Arzneimittel erwägen.

Gut wäre es, wenn Pharmazeutinnen und Pharmazeuten die Probleme dieser Patienten schon in der Apotheke erkennen könnten, findet auch Marek Lommatzsch. „Insbesondere bei Asthma-Patienten, die sich ständig ein Bedarfsdosieraerosol oder Prednisolon abholen, sollten Apotheker prüfen, ob ein Patient mit seinem Inhalator umgehen kann.“ Eine schnelle Hilfe kann jedem Patienten mit auf den Weg gegeben werden: Auf ihrer Website stellt die Deutsche Atemwegsliga Anwendungsvideos für jeden zugelassenen Inhalator zur Verfügung [8]. Geben Sie den Webcode J8ER7 direkt in die Suchfunktion auf DAZ.online unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de ein und Sie gelangen zu den Videos der Atemwegsliga.

Biological als verträgliche Alternative

Wenn all diese Faktoren ausgeschlossen werden können, die Asthmatiker aber immer noch regelmäßig akute Verschlechterungen der Atemfunktion beklagen, ist vom schweren Asthma die Rede. 10% der Erwachsenen und 2,5% der Asthmatiker im Kindesalter leiden darunter. Die Folge: Schwere Symptome, die die Lebensqualität deutlich mindern. Wiederholt müssen die Patienten im Krankenhaus behandelt werden, auch die Mortalität ist erhöht. Welche anderen Arzneimittel hier helfen können, findet sich in der aktuellen GINA-Leitlinie, die 2022 veröffentlicht wurde [9].

Einerseits kommen inhalative, langwirksame Muskarin­rezeptor-Antagonisten (Ipratropiumbromid oder Tiotropiumbromid) ins Spiel. Auch das antientzündliche Makrolid­antibiotikum Azithromycin solle als Add-on erwogen werden. Doch selbst in niedrigen Dosierungen birgt eine Azithromycin-Therapie die Gefahren, Antibiotika-Resistenzen zu provozieren und das QT-Intervall am Herzen zu verlängern. Andererseits nehmen viele schwere Asthmatiker kurzzeitig oder dauerhaft orale Glucocorticoide ein, meist Prednisolon. Unter Prednisolon können aber Diabetes, Übergewicht, Osteoporose oder Depressionen auftreten, auch sind die Patienten anfälliger für Infektionskrankheiten.

Seit einigen Jahren kann Prof. Dr. Marek Lommatzsch immer mehr Patienten so behandeln, dass sie auf Prednisolon verzichten können. Denn in die Therapieempfehlungen rückten die fünf Biologicals Omalizumab, Dupilumab, Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab nach. „Sie sind meist wirksamer als Prednisolon und in den meisten Fällen auch nebenwirkungsfrei“, so Lommatzsch.

Target: Pathogenese

Um zu verstehen, wie die Biologicals wirken, ist ein genauer Blick in die Pathophysiologie des Asthmas nötig. Während man bei dieser früher in allergisches und nicht-allergisches Asthma unterschied, ist heute eine präzisere, biologische Unterteilung gebräuchlich. In aktuellen Leitlinien wird die Pathogenese danach unterteilt, wie stark eine Entzündungsreaktion vom Typ 2 ausgeprägt ist, die durch TH2-Lymphozyten vermittelt wird. Beim Type-2-high-Asthma sezernieren TH2-Lymphozyten unter anderem Interleukin 4 (IL-4), dass die TH2-Immunantwort verstärkt und B-Lymphozyten zur Immunglobulin-E(IgE)-Produktion anregt. Andererseits sorgt IL-5 dafür, dass sich eosinophile Granulozyten entwickeln, sie überleben und aktiv sind. Eine erhöhte Anzahl von eosinophilen Granulozyten im Blut ist ein Indikator für Type-2-high-Asthma. Auch sezernieren die TH2-Lymphozyten IL-13, dass zu Spasmen der Bronchialmuskulatur führt. Dabei wird der Mediator Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt. In der Diagnostik macht man sich dies zunutze, indem man das fraktionierte exhalierte Stickstoffmonoxid (FeNO) bestimmt. Ein Wert von über 25 Parts per Billion (ppb) gilt als auffällig, bei Kindern > 20 ppb.

Die für die Asthma-Therapie zugelassenen Biologicals zielen auf den Entzündungsweg vom Typ 2 und greifen an den Interleukinen oder am IgE an. Bei einem Teil der Asthmatiker lassen sich jedoch keine erhöhten Typ-2-Marker messen – die Eosinophile im Blut und FeNO-Spiegel sind nicht erhöht. Bei ihnen können zum Beispiel neutrophile Granulozyten die Symptome hervorrufen. Zur Behandlung von Type-2-low-Asthma (nicht-eosinophiles Asthma) ist bisher noch kein Biological zugelassen.

Aus der Praxis berichtet Lommatzsch: „Über 95% unserer Asthmapatienten haben erhöhte Typ-2-Marker. Patienten mit typischer Asthmasymptomatik und niedrigem FeNO-Spiegel (< 20 ppb) und geringer Eosinophilen-Zahl (< 150 Eosinophile/µl) sind eine Rarität.“ Diese Patienten litten oft unter einer anderen Grunderkrankung, betont der Pneumologe. Zum Beispiel: Vocal Card Dysfunction (VCD), nicht-­erkannten Bronchiektasen oder Tumoren bzw. anderen Anomalitäten im Bronchialbaum. Auch können die Marker verfälscht sein, wenn Patienten an akuten Atemwegsinfektionen leiden oder hohe Dosen an inhalativen oder oralen Glucocorticoiden einnehmen.

Tab.: Biologicals, die zur subkutanen Applikation bei schwerem Asthma zugelassen sind [Fachinformationen]
Arzneistoff, Handels­name, Darreichungs­formen, Aussehen
Indikation
Dosierung
Hinweise
Lagerung
Benralizumab,
Fasenra®,
30 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze bzw. Injektionslösung in einem Fertigpen
klar bis opaleszierend, farblos bis gelb, kann lichtdurchlässige oder weiße bis cremefarbene Partikel enthalten
  • Add-on-Erhaltungstherapie bei Erwachsenen mit schwerem eosinophilem Asthma, das trotz hochdosierter inhalativer Corticosteroide plus langwirksamer Beta-Agonisten unzureichend kontrolliert ist
  • 30 mg Benralizumab als subkutane Injektion
  • die ersten drei Dosen in einem Abstand von vier Wochen und anschließend alle acht Wochen
  • subkutane Injektion in den Oberschenkel oder in den Bauch, nicht in Hautstellen injizieren die dünn, geprellt, gerötet oder verhärtet sind
  • nach Schulung ist eine Selbstapplikation möglich
  • vor der Anwendung 30 Minuten bei Raumtemperatur lagern
  • im Kühlschrank lagern (2 °C bis 8 °C)
  • für maximal 14 Tage bei Raumtemperatur von bis zu 25 °C aufbewahren
  • im Umkarton aufbewahren (Lichtschutz)
  • nicht einfrieren, nicht schütteln, nicht Hitze aussetzen
Dupilumab,
Dupixent®,
200 mg bzw. 300 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze bzw. im Fertigpen
klare bis leicht opaleszierende, farblose bis blassgelbe, sterile Flüssigkeit, ohne sichtbare Partikel
  • Add-on-Erhaltungstherapie bei Erwachsenen und Jugendlichen ab sechs Jahren mit schwerem Asthma mit Typ-2-Inflammation, das trotz inhalativer Corticosteroide plus weiterer Erhaltungstherapie unzureichend kontrolliert ist
  • Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren: 400 mg (zweimal 200 mg an unterschiedlichen Injektionsstellen) als Anfangsdosis, dann 200 mg alle zwei Wochen oder 600 mg (zweimal 300 mg) als Anfangsdosis, dann 300 mg alle zwei Wochen
  • Kinder von sechs bis elf Jahren körpergewichtsbezogen: 15 kg bis < 30 kg: 100 mg alle zwei Wochen oder 300 mg alle vier Wochen 30 kg bis < 60 kg: 200 mg alle zwei Wochen oder 300 mg alle vier Wochen ab 60 kg: 200 mg alle zwei Wochen
  • nach Entnahme aus dem Kühlschrank erst nach 45 Minuten injizieren, soll Raumtemperatur (bis zu 25 °C) annehmen
  • Fertigpen nicht bei Kindern unter zwölf Jahren anwenden
  • nach Schulung ist eine Selbstapplikation möglich
  • subkutan in Oberschenkel oder das Abdomen injizieren, nicht im Umkreis von 5 cm um den Bauchnabel
  • Injektion durch eine andere Person auch in den Oberarm
  • bei jeder Injektion andere Injektionsstelle wählen, nicht in empfindliche, verletzte oder vernarbte Hautstellen oder blaue Flecken
  • im Kühlschrank lagern (2 °C bis 8 °C)
  • in der Originalverpackung aufbewahren, um den Inhalt vor Licht zu schützen
  • kann maximal 14 Tage lang bei Raumtemperatur (bis zu 25 °C) gelagert werden
  • nicht einfrieren, nicht schütteln, nicht Hitze aussetzen
Mepolizumab,
Nucala®,
100 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Injektionslösung im Fertigpen bzw. Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung
klare bis opaleszierende sowie farblose bis blassgelb oder blassbraune Lösung
  • Zusatzbehandlung bei schwerem refraktärem eosinophilem Asthma bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab sechs Jahren
  • Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren: 100 mg Mepolizumab subkutan verabreicht einmal alle vier Wochen
  • Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren: 40 mg Mepolizumab, subkutan verabreicht einmal alle vier Wochen
  • Fertigpen und Fertigspritze kann nach Schulung durch den Patienten selbst oder durch eine betreuende Person in Bauch oder Oberschenkel verabreicht werden
  • Injektion in den Oberarm nur durch medizinisches Fachpersonal oder Betreuungsperson
  • Injektionslösung darf nur von medizinischem Fachpersonal verabreicht werden
  • nach Entnahme aus dem Kühlschrank über mindestens 30 Minuten Raumtemperatur annehmen lassen
  • im Kühlschrank lagern (2 °C – 8 °C)
  • nicht einfrieren
  • in der Originalverpackung aufbewahren (Lichtschutz)
  • in der ungeöffneten Originalverpackung für bis zu sieben Tage bei Raumtemperatur (bis zu 30 °C)
  • Fertigpen bzw. -spritze entsorgen, wenn sie länger als sieben Tage außerhalb des Kühlschranks gelegen hat
  • nach dem Öffnen der Packung müssen Fertigpen bzw. Fertigspritze innerhalb von acht Stunden verabreicht werden
Omalizumab,
Xolair®
75 mg bzw. 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze
klare bis leicht opalisierende, farblose bis schwach bräunlich-gelbe Lösung
  • für Erwachsene, Jugendliche und Kinder (sechs bis < zwölf Jahre) mit allergischem Asthma
  • für Erwachsene, Jugendliche und Kinder (sechs bis < zwölf Jahre) als Zusatztherapie zur verbesserten Asthmakontrolle bei schwerem persistierendem allergischem Asthma
  • Dosierung und Häufigkeit der Anwendung wird anhand des vor Behandlungsbeginn gemessenen IgE-Basiswertes (I.E./ml) und des Körpergewichts (kg) bestimmt, pro Verabreichung sind 75 bis 600 mg in Form von ein bis vier Injektionen möglich
  • empfohlene Maximaldosis: 600 mg Omalizu­mab alle zwei Wochen
  • nur zur subkutanen Anwendung
  • Dosen von mehr als 150 mg auf zwei oder mehr Injektionsstellen verteilen
  • ab der vierten Anwendung ist nach Schulung eine Selbstinjektion möglich
  • Spritze 20 Minuten vor der Injektion aus dem Kühlschrank nehmen, damit sie Raumtemperatur annehmen kann
  • im Kühlschrank lagern (2 °C – 8 °C)
  • nicht einfrieren
  • in Originalverpackung aufbewahren (Lichtschutz)
  • darf für eine Gesamtdauer von 48 Stunden bei 25 °C aufbewahrt werden, falls nötig, kann das Produkt für eine spätere Verwendung in den Kühlschrank zurückgelegt werden

Fünf zugelassen und mehr in der Pipeline

Einem Großteil der schweren Asthmatiker können die fünf zugelassenen Biologicals helfen. Mit Ausnahme von Reslizumab (nur zur intravenösen Applikation) werden sie alle subkutan appliziert, in unterschiedlichen Abständen zwischen zwei bis acht Wochen (s. Tab.). Diese Antikörper stehen schon jetzt oder bald zur Verfügung:

Omalizumab (Xolair®) ist ein monoklonaler Antikörper, der Immunglobulin E bindet und verhindert, dass Mastzellen und basophile Granulozyten IgE-vermittelt Histamin und andere Entzündungsmediatoren freisetzen. Schon seit 2005 ist er zur Behandlung vom IgE-vermittelten Asthma für Erwachsene, Jugendliche und Kinder ab sechs Jahren zugelassen [4]. Omalizumab wird bevorzugt beim Early-onset-­Asthma eingesetzt, das schon im Kindesalter auftritt. Diese Patienten leiden häufig unter anderen allergischen Symptomen. Nach der Nationalen Versorgungsleitlinie sollte vor einer Therapie mit einem Prick-Test festgestellt werden, ob ein Allergen ganzjährig auftritt. Seit 2013 kann Omalizumab auch zur Behandlung der chronischen spontanen Urtikaria dienen, wenn Antihistaminika nicht ansprechen sollten. Bei 0,1 bis 0,2% der Patienten können anaphylaktische Reaktionen auftreten. Weil IgE an der Immunabwehr parasitärer Erkrankungen beteiligt sein soll, kann Omalizumab indirekt die Wirkung von antiparasitären Mitteln ver­ringern.

Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab sind humanisierte Antikörper. Mepolizumab (Nucala®) und Reslizumab (Cinqaero®) richten sich direkt gegen Interleukin 5. Benralizumab (Fasenra®) bindet die alpha-Untereinheit des IL-5-Rezeptors auf eosinophilen Granulozyten und löst so deren Apoptose aus. Unter der Anwendung von Benralizumab waren in den Zulassungsstudien Eosinophile in Sputum und Atemwegsschleimhaut um 90% reduziert. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ließ die drei Wirkstoffe zwischen 2015 und 2018 für die Behandlung von schwerem eosinophilem Asthma zu [6]. Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Atemwegsinfekte und Kopfschmerzen. Vereinzelt kam es zu anaphylaktischen Reaktionen. Wechselwirkungen sind nicht bekannt. 2021 wurden die Indikationsgebiete von Mepolizumab erweitert. Seitdem kann es auch beim hypereosinophilem Syndrom (HES), bei eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) und chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen eingesetzt werden [5].

Dupilumab (Dupixent®), ein humaner monoklonaler Antikörper, greift die alpha-Untereinheit des Interleukin-4-Rezeptors an. Das Biological hemmt so einerseits den Signalweg von Interleukin 4 und andererseits von Interleukin 13, da beide dort binden. Ein Therapieversuch mit Dupilumab kann erwogen werden, wenn unabhängig von Exazerbationen zweimalig > 300 Eosinophile pro μl und zweimalig FeNO-Konzentration von > 25 ppb bestimmt wurden. Seit 2017 kann es in der EU angewendet werden, mittlerweile auch bei Jugendlichen mit schwerem eosinophilem Asthma ab zwölf Jahren. Weitere Indikationsgebiete sind die atopische Dermatitis und die schwere chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen. Bei 4 bis 25% der Patienten steigen die eosinophilen Granulozyten auf über 1500 pro µl Blut, in vielen Fällen werden dabei aber keine Symptome bemerkbar.

Tezepelumab (Tezspire®) wurde im Dezember 2021 von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassen. Bei der EMA reichten die Hersteller Amgen und AstraZeneca die Zulassungsunterlagen im vergangenen Jahr ein. Targets von Tezepelumab sind die Epithel-Zytokine Interleukin 25 und Interleukin 33. Gelangen Allergene, Feinstaub oder Viren in die Lunge, werden IL-25 und IL-33 freigesetzt und stoßen die Entzündungsreaktion bei Asthmatikern an. In randomisierten kontrollierten Studien verhinderte Tezepelumab als Add-on Exazerbationen bei Patienten mit schwerem Type-2-high- und Type-2-low-Asthma zu 56%. Die Nebenwirkungen waren ähnlich wie unter einer Placebo-Behandlung. Es könnte das erste Biological sein, das auch bei Asthmatikern ohne erhöhte Typ-2-Marker zugelassen wird.

Kürzlich veröffentlichten Autoren im Journal of Medical Economics eine Studie, in der sie die Effektivität von Tezepelumab bei Patienten über zwölf Jahren mit schwerem Asthma mit den fünf bisher zugelassenen Asthma-Biologicals verglichen. 16 randomisierte klinische Studien zogen sie für einen indirekten Therapievergleich heran. Das Ergebnis: Die Risiko­reduktion für Exazerbationen war bei allen Optionen ähnlich. Tezepelumab war jedoch mit einer etwas größeren Reduktion der aufs Jahr hochgerechneten Exazerbationen assoziiert [7].

Neben Tezepelumab könnten in Zukunft noch zwei weitere Wirkstoffe mit ähnlichem Mechanismus hinzustoßen: Itepekimab, das IL-33 bindet, sowie Astegolimab, das den Interleukin-33-Rezeptor angreift. Ob die Antikörper zur Behandlung von schwerem Asthma wirksam sind, wurde jedoch noch nicht in klinischen Studien der Phase III erprobt.

Welche Therapie wählen?

Weil vor einer Therapie eine sorgfältige Diagnostik nötig ist, rät die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma, dass diese Mittel nur von pneumologischen Fachärzten eingesetzt werden sollen. Ob und welche Biologicals in Frage kommen, entscheiden nicht nur Biomarker wie IgE, Eosinophile im Blut oder FeNO. Auch Asthma-Kontrolle, Lebensqualität der Erkrankten und Begleiterkrankungen bestimmen die Auswahl. „Die einen Patienten sprechen auf einen bestimmten Wirkstoff an, die anderen nicht. Wir wissen aber kaum, warum.“ Für Marek Lommatzsch ist klar: „Auf je mehr Wirkstoffe wir zurückgreifen können, umso mehr Patienten können wir helfen.“

Head-to-Head-Studien, in denen die Wirksamkeit der Biologicals untereinander verglichen wird, fehlen bislang. Vier Monate soll eine Therapie mindestens dauern, um einschätzen zu können, ob eine Therapie anspricht. Bessert sich der Zustand nach sechs Monaten nicht, sollte ein Klassenwechsel erwogen werden. Nach sorgfältiger Diagnosestellung ist dies aber selten nötig, sagt Pneumologe Lommatzsch. Die Non-Responder-Rate liege in seiner Rostocker Spezialambulanz zwischen 10 und 15%.

Für Professor Mark Lommatzsch haben die neuen Therapeutika Meilensteine gesetzt. Aber viele Ärzte seien noch im Lernprozess. Viele hatten mit den neuen Arzneimitteln noch keinen Kontakt. Außerdem brauche es viel Zeit und Mühe, die Patienten zu beurteilen, um den richtigen Wirkstoff auszuwählen.

Auch der hohe Preis der Mittel schreckt einige ab. „Die neuen Biologicals sind zwar teuer, aber sie sind in der Gesamtschau billiger als die Folgen der veralteten Behandlungen.“ Denn Krankenhausaufenthalte aufgrund von Exazerbationen und die Behandlung von Komplikationen der Prednisolon-Therapie wie Diabetes verursache höhere Kosten als ein präventiver Ansatz. „Wir müssen nicht mehr wie die Feuerwehr anrücken, wenn es brennt.“ Das ständige Einnehmen von Prednisolon, Salbutamol oder Theophyllin sei kein Bestandteil einer modernen Asthma-Therapie. „Im 21. Jahrhundert wählen wir eine individuell maßgeschneiderte Therapie aus und sorgen so dafür, dass Patienten dauerhaft beschwerdefrei werden.“ |

 

Literatur

[1] Bruselle G et al. Review Article: Biologic Therapies for Severe Asthma. NEJM 2022, DOI:10.1056/NEJMra2032506

[2] Nationale Versorgungsleitlinie Asthma. Leitlinie der Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Stand 2020, AWMF-Register-Nr.: nvl-002

[3] Reddel H et al. Global Initiative for Asthma Strategy 2021: Executive Summary and Rationale for Key Changes. J Allergy Clin Immunol 2022, DOI:https://doi.org/10.1016/j.jaip.2021.10.001

[4] Neue Arzneimittel: Omalizumab (Xolair®). Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AdkÄ), 9. Oktober 2020, www.akdae.de

[5] EMA-Zulassung: Mepolizumab wirkt auch bei eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis. Ärzteblatt-online 14. Oktober 2021, www.aerzteblatt.de

[6] Müller C. Neuer Asthma-Antikörper Benralizumab erhält Zulassung. DAZ.online vom 17. Januar 2018, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/01/17/neuer-asthma-antikoerper-benralizumab-erhaelt-zulassung

[7] Menzies-Gow A et al. Tezepelumab compared with other biologics for the treatment of severe asthma: a systematic review and indirect treatment comparison. Journal of Med Econom 2022, DOI:10.1080/13696998.2022.2074195

[8] Inhalieren. Informationen der Deutschen Atemwegsliga e. V., www.atemwegsliga.de/richtig-inhalieren.html

[9] 2022 GINA Report: Global Strategy for Asthma Management and Prevention. https://ginasthma.org/wp-content/uploads/2022/05/GINA-Main-Report-2022-FINAL-22-05-03-WMS.pdf

Autor

Marius Penzel studierte Pharmazie in Leipzig. Nach praktischen Erfahrungen in der Offizin und der Zentralapotheke der Oberschwabenklinik in Ravensburg absolvierte er ein Volontariat bei der Deutschen Apotheker Zeitung. Heute arbeitet er als freier Journalist.

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