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Beratung
Mehr Schaden als Schutz?
Bedenkliche Wechselwirkungen zwischen mineralischen und chemischen UV-Filtern
Ein guter Sonnenschutz ist wichtig, beugt er doch nicht nur Sonnenbränden, sondern auch Hautkrebs und Hautalterung vor. Dass sich ein tägliches Eincremen, nicht nur im Sommerurlaub, also lohnt, sollte selbstverständlich sein. Nicht jeder Verbraucher nimmt die Risiken aber ernst. Um das Bewusstsein für die Gefahren der Sonnenstrahlen zu sensibilisieren, finden immer wieder Aktionen statt wie z. B. der alljährliche Tag des Sonnenschutzes am 21. Juni (siehe Kasten). Dass die Bundesbürger weniger cremen, als sie sollten, hat viele Gründe [1]. Das Auftragen wird vergessen oder ist schlicht und ergreifend zu lästig. Ein falsches Verständnis der Bedeutung des Lichtschutzfaktors führt dann noch dazu, dass eher zu wenig gecremt wird. Zur Erinnerung, der LSF gibt an, um welches Vielfache der Sonnenschutz die Eigenschutzzeit verlängert. Dazu kommen noch Sorgen über die Sicherheit der Produkte: Werden Korallenriffe geschädigt? Landen Nanopartikel in meinem Körper? Sind die Filter hormonell aktiv? Einen neuen Grund zur Sorge liefern nun amerikanische Forscher, die zeigen, wie der mineralische Filter Zinkoxid zum Abbau von chemischen Filtern beitragen kann und so den Schutzfaktor zerstört und toxische Abbauprodukte hinterlässt [2]. Aber der Reihe nach. Welche Filter werden da gemischt und warum?
Tag des Sonnenschutzes
Der Tag des Sonnenschutzes am 21. Juni steht unter dem Motto: Sonnenschutz – Sonnenklar! Alljährlich möchte eine Gruppe von Akteuren aus verschiedenen Bereichen - Medizin, Gesundheitsschutz, Verbraucherschutz und Fachhandel - das Bewusstsein für die Wichtigkeit eines wirksamen Sonnenschutzes schärfen. Die Beteiligten klären über die positiven Wirkungen, aber auch die Gefahren eines Sonnenbades auf. Verbraucher sollen Informationen darüber erhalten, wie sie sich am besten schützen können – mit dem für sie passenden Sonnenschutz, entsprechend ihres Hauttyps, und mit entsprechender Kleidung und passender Sonnenbrille. Interessierte Apotheken können über die Website www.sonnenschutz-sonnenklar.info kostenlos Infomaterial anfordern und sich an der Aktion beteiligen. Mithilfe eines Online-Tools auf der Website kann eine Bestimmung des eigenen Hauttyps vorgenommen werden.
Breitband-Schutz ist wichtig
Das auf der Erde eintreffende Sonnenlicht enthält im kurzwelligen Bereich die sogenannte Ultraviolett-Strahlung (UV-Strahlung), die unsere Haut schädigt. Die kurzwelligen UV-B-Strahlen (Wellenlänge 315 bis 280 nm) treffen die Epidermis und verursachen den Sonnenbrand, die langwelligeren UV-A-Strahlen (Wellenlänge 400 bis 315 nm) dringen tiefer in die Haut ein und begünstigen langfristig das Hautkrebsrisiko und die Hautalterung. Ein UV-A-Schutz ist deshalb besonders wichtig, auch weil 95% der auf der Erde ankommenden UV-Strahlung im UV-A-Bereich liegen [3]. Die Europäische Kommission verlangt deshalb von Sonnenschutzprodukten einen breiten Schutz in beiden Frequenzbereichen. Um die Haut vor dem Einfluss der schädlichen Strahlen zu bewahren, werden in den Cremes und Lotionen zwei verschiedene Arten von Filtern verarbeitet, sogenannte chemische Filter, also organische Moleküle, die das UV-Licht absorbieren, und mineralische Filter, also z. B. Zinkoxid und Titanoxid, die die schädlichen Strahlen streuen. Die verschiedenen Filter-Substanzen fungieren je nach ihrem Frequenzbereich entweder als UV-A-Filter (z. B. Avobenzon), UV-B-Filter (z. B. Homosalat) oder Breitbandfilter (z. B. Zinkoxid, Titandioxid, Bisoctrizol). Ganz sauber ist die Grenze zwischen den Wirkweisen der Filter aber nicht immer zu ziehen. Auch mineralische Filter absorbieren teilweise Licht, während chemische Filter wie Bisoctrizol einfallende UV-Strahlung auch streuen können. Vorzugsweise ist in handelsüblichen Sonnencremes meist eine Kombination der verschiedenen Filter enthalten, um ein möglichst breites Strahlenspektrum abzudecken. Die amerikanischen Wissenschaftler gingen in ihrer Studie nun der Frage nach, ob Kombinationen von physikalischen und chemischen Filtern unproblematisch sind oder ob die Substanzen unvorteilhaft miteinander interagieren. Ins Visier genommen haben die Wissenschaftler den mineralischen Filter Zinkoxid, da die vielfach verwendeten Metalloxide unter UV-Strahlung reaktive Sauerstoffspezies induzieren und zum Abbau von organischen Molekülen beitragen können. Keine guten Vorzeichen also für die Stabilität von Sonnencremes?
Mischungen chemischer Filter stabil
Um dieser Frage nachzugehen, mischten die Wissenschaftler zunächst ohne Zinkoxid verschiedene Kombinationen an in den USA und der EU zugelassenen chemischen Filtern, die das gesamte UV-Spektrum abdecken und in solcher Weise auch in kommerziellen Zubereitungen verwendet werden (s. Tab). Alle Kombinationen wurden auf einen LSF von 15 abgestimmt. Statt in einer Creme-Grundlage wurden die Substanzen aber in DMSO gelöst. Experimente in einer entsprechenden Grundlage wären sicherlich wünschenswert und näher an der Realität, waren aber aufgrund methodischer Hindernisse im Rahmen der Studie nicht möglich. Mit einem Sonnensimulator wurden die verschiedenen Filterkombinationen für zwei Stunden mit Licht bestrahlt, was den Bedingungen eines klaren, sonnigen Tages entspricht. Um den Effekt der künstlichen Sonne zu beurteilen, ermittelten die Wissenschaftler die UV-VIS-Absorptionsspektren der Filterkombinationen mit und ohne Bestrahlung. Veränderungen der Spektren geben Auskunft darüber, wie die Bestrahlung die Schutzwirkung der getesteten Mischungen beeinflusste, und decken mögliche Veränderungen an den Filtern auf. Die Kombinationen allein, also ohne zugesetztes Zinkoxid, zeigten sich erstaunlich stabil, obwohl sie das degradationsanfällige Avobenzon enthielten. Kommerziell verwendete Filter werden den Autoren zufolge offensichtlich in einer Art und Weise formuliert, die deren Photostabilität fördern. Sie vermuten, dass Octocrylen in den verwendeten Kombinationen photoprotektiv wirkte.
in der Studie verwendete Kombinationen an UV-Filtern, nummeriert | Anteil der verschiedenen UV-Filter in % | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Avobenzon (UV-A) | Octisalat (UV-B) | Homosalat (UV-B) | Octocrylen (UV-B und kurzwelliges UV-A) | Oxybenzon (UV-B und kurzwelliges UV-A) | DHHB (UV-A) | Bisoctrizol (Breitband: UV-B und UV-A) | |
1 | 1,8 | 4,0 | 7,0 | 5,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
2 | 1,0 | 4,0 | 0,0 | 3,0 | 0,0 | 0,0 | 3,0 |
3 | 2,0 | 3,0 | 3,0 | 4,0 | 0,0 | 5,0 | 0,0 |
4 | 2,0 | 3,0 | 6,0 | 3,0 | 2,5 | 0,0 | 0,0 |
5 | 0,0 | 3,0 | 0,0 | 2,0 | 0,0 | 0,0 | 5,0 |
Zinkoxid zerstört UV-A-Schutz
Das Bild änderte sich aber, als die Wissenschaftler 6% Zinkoxid zur Kombination 1 zufügten, mikrokristallin (200 bis 1000 nm Partikelgröße) oder nanokristallin (< 100 nm Partikelgröße). Nach der zweistündigen Bestrahlung mit künstlichem Sonnenlicht war das Absorptionsmaximum im langwelligen UV-A-Bereich komplett verschwunden. Somit ist auch der Schutz vor den besonders schädlichen UV-A-Strahlen dahin. In der Zubereitung mit mikrokristallinem Zinkoxid verminderte sich der UV-A-Schutzfaktor um 91,8%, mit nanokristallinem Zinkoxid um 84,3%, ein Verlust, den Zinkoxid als Breitbandfilter nicht auszugleichen vermochte. Der einzige verwendete Filter der Zubereitung, der in dem betroffenen Frequenzbereich zwischen 400 und 315 nm absorbiert, ist Avobenzon. Was ist mit der Substanz passiert, dass der Absorptionspeak nach der UV-Exposition verschwunden ist? Eine Möglichkeit wäre, dass sich das Molekül, ein Enol, in seine Di-Keto-Form umwandelt, die nicht mehr im UV-A-Bereich absorbiert, sondern im UV-C-Bereich. Dagegen sprechen Ergebnisse aus Experimenten mit Zebrafischen, in denen die bestrahlten Proben der Mixtur 1 zusammen mit Zinkoxid die Entwicklung von Zebrafisch-Embryos störten. In den Versuchen wurden die Embryos für fünf Tage in Gegenwart der bestrahlten Proben und unbestrahlten Kontrollen kultiviert. Die Wissenschaftler beobachteten nur bei den Fischen morphologische Veränderungen, die mit den lichtexponierten Mischungen von chemischen Filtern und Zinkoxid heranwuchsen, z. B. eine abnormale Anordnung oder Größe der Augen oder fehlgebildete Brustflossen. Derartige Entwicklungsdefekte sprechen gegen die Tatsache einer simplen Umlagerung des Avobenzon-Moleküls, sondern sind den Autoren der Studie zufolge eher die Konsequenz toxischer Abbauprodukte, die durch eine Degradation des chemischen Filters entstehen. Weder die verschiedenen Mischungen der chemischen Filter noch Zinkoxid allein, lichtexponiert oder nicht, beeinträchtigten die Entwicklung der Fische, sondern nur die lichtexponierte Kombination beider. Die Wissenschaftler vermuten, dass die UV-Strahlung im Zinkoxid sogenannte Elektronenlochpaare bildet, die, auf Wasser oder Sauerstoff übertragen, reaktive Sauerstoffspezies bilden. Diese hochreaktiven Moleküle spalten Avobenzon womöglich in toxische Zerfallsprodukte (s. Abb.). Die Forscher betonen, dass die photoaktiven Eigenschaften des Zinkoxids keine Sache der Partikelgröße sind, sondern vor allem von der Art des Metalloxids, dessen Kristallstruktur und eventuellen Oberflächenbeschichtungen abhängen. Einen direkten Effekt der reaktiven Sauerstoffspezies auf die Zebrafische schließen sie aber aus, da bestrahlte Zinkoxid-Proben allein die Fische kaum beeinträchtigten.
Cremes mit Kombinationen verbannen?
Was bedeuten diese Ergebnisse nun für die Verbraucher, fällt die Meldung doch in eine Zeit, in der Metalloxide ohnehin starken Gegenwind erfahren. Inhaliertes Titandioxid z. B. wurde durch eine EU-Verordnung (2020/217) als mutmaßliches Karzinogen der Kategorie 2 eingestuft. Vieles spricht außerdem dafür, dass auch Titandioxid ähnlich dem Zinkoxid zum Photo-Abbau von chemischen Filtern beiträgt [4]. Sollten die Verbraucher also auf der Liste der Inhaltsstoffe ihrer Sonnencreme noch einmal genauer nachlesen und Kombinationen von mineralischen und chemischen Filtern meiden? Die Autoren der vorgestellten Studie warnen, dass diese Wechselwirkung nicht nur durch Filterkombinationen in Sonnencremes zustanden kommen kann, sondern auch durch gleichzeitiges Auftragen von Sonnenschutz und anderen Kosmetika. Eins zu eins in die Praxis übertragen werden können die Ergebnisse indes nicht. Oftmals werden in Sonnenschutzprodukten Metalloxide mit verschiedenen Überzügen eingesetzt, z. B. Dimeticon oder Aluminiumoxid, die die photokatalytische Aktivität der Metalloxide erheblich senken [5]. In der Studie wurde nicht überzogenes Zinkoxid verwendet. Ob Sonnenschutzprodukte einen gecoateten Filter enthalten oder nicht, ist aus den Inhaltsstoffangaben leider nicht ersichtlich. Aber gerade solche Ummantelungen werden von den Studienautoren als möglicher Ausweg aus der untersuchten Wechselwirkung skizziert. Da außerdem manche Filter wie z. B. Avobenzon notorisch photolabil sind, werden sie oft zusammen mit verschiedenen Stabilisatoren formuliert, wie z. B. das schon erwähnte Octocrylen, aber auch mit Antioxidanzien [6]: Vitamin E, Vitamin C und Ubichinon schützen Avobenzon vor der Photodegradation und könnten möglicherweise auch reaktive Sauerstoffspezies abfangen, die durch lichtexponiertes Zinkoxid entstehen. Ob die Konzentration der Antioxidanzien hoch genug ist, müsste untersucht werden. In der Studie wurden schließlich nur die UV-Filter in DMSO untersucht und nicht in einer gebrauchsfertigen Creme! Außerdem sorgt die geringe Zahl an untersuchten Filtern dafür, dass nicht generalisiert werden kann. Für den Verbraucher ist es also unmöglich, eine gut informierte Entscheidung zu fällen. Vielmehr ist es aber Aufgabe der Hersteller und des Gesetzgebers, die aufgedeckten Zusammenhänge zu untersuchen, die toxischen Abbauprodukte zu identifizieren und mögliche präventive Maßnahmen wie z. B. der verpflichtende Einsatz von überzogenen physikalischen Filtern zu implementieren. Die Autoren der Studie bemängeln darüber hinaus, dass bei der Evaluierung von UV-Filtern nur die Toxizität der Chemikalie an sich, aber nicht deren mögliche Photo-Abbauprodukte in Betracht gezogen werden. Perspektivisch werden aber stabilere UV-A-Filter benötigt, und die Autoren nennen die in der EU zugelassenen Bisoctrizol (MBBT oder Tinosorb M, z. B. in Avène B-Protect SPF 50+, Bioderma Photoderm Aquafluide SPF 50+, Cetaphil Sun Daylong Sensitive Gel-Creme SPF50+) und DHHB (z. B. in Ultrasun Face Moisturizing SPF 30, Avène Sun Care Intense Protect SPF 50+, Medipharma Hyaluron Sonnenpflege Gesicht LSF 50+) als solche stabilere Alternativen. |
Literatur
[1] AOK-Umfrage: Jeder Zweite hat Angst vor Hautkrebs. Pressemitteilung der AOK, Stand: 5. Mai 2022, https://aok-bv.de/imperia/md/aokbv/presse/pressemitteilungen/archiv/2022-05-05_aok-umfrage_jeder_zweite_hat_angst_vor_hautkrebs.pdf
[2] Ginzburg AL et al. Zinc oxide-induced changes to sunscreen ingredient efficacy and toxicity under UC irradiation. Photochem Photobiol Sci 2021;20:1273-1285
[3] Radiation. International Agency for Research on Cancer 2012. Solar and ultraviolet radiation, IARC Working Group on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans
[4] Kockler J et al. Influence of Titanium Dioxide Particle Size on the Photostability of the Chemical UV-Filters Butyl Methoxy Dibenzoylmethane and Octocrylene in a Microemulsion. Cosmetics 2014;1:128-139
[5] Kockler J et al. Photostability of sunscreens. Journal of Photochemistry and Photobiology 2012;13:91-110
[6] Alfonso S et al. Photodegradation of avobenzone: stabilization effect of antioxidants. J Photochem Photobiol B 2014;140:36-40
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