Aus den Ländern

Versorgungsapotheker fordern mehr Rechtssicherheit bei Kooperationen

BVVA-Jahrestagung und Mitgliederversammlung in Mainz: Von Nullretax bis 3D-Druck

MAINZ (ks/du) | Die Corona-Pandemie hatte in den vergangenen beiden Jahren auch die Jahrestagung und Mitgliederversammlung des Bundesverbands der Versorgungsapotheker (BVVA) aus dem Rhythmus gebracht. Zuletzt kamen Mitglieder, Interessierte sowie Aussteller im Oktober 2021 in Mainz zusammen. Vergangene Woche traf man sich wieder in gewohnter Manier im Mai. Verbandspräsident Dr. Klaus Peterseim zeigte auf, wie sich die Interessenvertretung in der neuen Ampelkoalition anlässt – und welche Anliegen der BVVA der Politik vermitteln will.

Zum Auftakt der Jahrestagung am 10. und 11. Mai in Mainz war der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), online zugeschaltet. Aus seiner Oppositionsperspektive übte er deut­liche Kritik am Regierungsstil von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Immer wieder ziehe er nach wenigen Tagen Vorstöße aus seinem Haus zurück – „meistens bei Markus Lanz“. Dies sorge nicht nur in der Union, sondern auch in der Ampel für Unmut, so der CDU-Abgeordnete. Nicht einmal eine grobe Planung sei erkennbar, vieles bleibe kryptisch und der Minister monothematisch auf Corona fixiert. Dies werde den anderen wichtigen Themen, die aus Sorges Sicht „auf der Straße liegen“, nicht gerecht. Als Beispiel nannte er die Nullretaxation bei formalen Fehlern. „Das habe ich noch nie verstanden, auch nicht als Jurist“. Bei der Digita­lisierung geht es dem Politiker ebenfalls nicht zufriedenstellend voran. Und auch die dynamischen Entwicklungen bei den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) muss man seiner Meinung nach diskutieren – sie dürften keine Gefahr für die Strukturen vor Ort werden.

Foto: DAZ

Dr. Klaus Peterseim, Vorsitzender des BVVA, forderte die Abschaffung der Nullretaxation.

Neue Formate für die Interessenvertretung

Der BVVA-Vorsitzende Peterseim ging sodann in seinem berufspolitischen Bericht auf die Neuaufstellung in der Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl ein und gab einen kurzen Überblick über die ersten gesundheits­politischen Aktivitäten des Gesetz- und Verordnungsgebers. Derzeit ist der Verband noch dabei, Kontakte zu den neuen gesundheitspolitischen Köpfen der Ampel-Koalition zu knüpfen. Während dies mit den SPD-Abgeordneten weiterhin funktioniere, sei es mit den Grünen und der FDP schwieriger, erklärte Peterseim. Hier seien noch einige Bretter zu bohren. Es müsse dabei verständlich gemacht werden, dass Lobbyarbeit als Interessenvertretung nichts Negatives sei. Der BVVA will perspektivisch auch neue Wege gehen, zum Beispiel mit einem etwa vierteljährlich erscheinenden Newsletter für die politischen Entscheider.

Politische Forderungen

Zudem verdeutlichte Peterseim die politischen Forderungen des BVVA. Seit Jahren steht für den Verband im Vordergrund, Rechtssicherheit für die sektorenübergreifende Vor-Ort-Kooperation in der Arzneimittelversorgung zu schaffen. Nicht nur in der Krankenhausversorgung und der Heimversorgung, für die es im Apothekengesetz bereits Regelungen gibt, sondern auch in anderen Gebieten der Spezialversorgung sollten Absprachen und Verträge möglich sein. Etwa in der ambulanten Pflege, der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und in der Substitutionstherapie. Besondere Regelungen in diesen Bereichen seien überdies beim E-Rezept nötig. Man brauche hier einen „direkten Rezepttunnel“ von den Einrichtungen in die Apotheke, „sonst können wir die Menschen nicht versorgen“, so Peterseim.

Überdies wies der BVVA-Vorsitzende auf ein besonderes Problem mit dem E-Rezept beim Verblistern hin. Die Forderung nach Angabe der Chargenbezeichnung im elektronischen Abgabedatensatz beim E-Rezept mache das externe Verblistern praktisch unmöglich. Ausgehandelt hatten dies der Deutscher Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband. Die Folgen für die Verblisterung hatte man dabei schlicht nicht bedacht. Peterseim fordert nun eine Anpassung der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen. An dieser Stelle werde erneut deutlich sichtbar, dass rechtssichere Regeln für die Abgabe und Abrechnung bei der Verblisterung dringend nötig seien, sagte er. Auch diese Forderung erhebt der BVVA seit Jahren. Schließlich ist die Verblisterung schon lange in der Praxis angekommen.

Nullretax abschaffen

Die Abschaffung der Nullretaxation gehört ebenfalls zum Forderungskatalog des Verbands. Die Auffassung des DAV, man könne das Problem in der Selbstverwaltung lösen, habe sich als falsch erwiesen, betonte Peterseim. Auch wenn im Rahmenvertrag nunmehr vieles geregelt sei, gebe es noch immer Retaxationen auf Null. In der Spezialversorgung, wo häufig innovative und hochpreisige Arzneimittel zum Einsatz kommen, sei dies ein besonderes Problem. Deshalb handelt es sich für Peterseim hier um ein Thema für den Gesetzgeber. Es müsse klar­gestellt sein: Immer, wenn der Patient korrekt versorgt wurde und bekommen hat, was er bekommen sollte, müsse es einen Vergütungsanspruch geben.

Erneut machte sich Peterseim auch für das Regionalprinzip in der Spezialversorgung analog zur Klinik- und Heimversorgung stark: „Die persönlich verantwortete, mittelständisch geführte Apotheke am Ort ist der sicherste Garant dafür, dass das Patienteninteresse jederzeit im Mittelpunkt steht!“ Nicht zuletzt steht auf der Agenda des BVVA, dass § 11 Abs. 3 Apothekengesetz nicht auf parenterale Anwendungen ausgeweitet werden darf. Zudem müssten bei MVZ nicht im Patienteninteresse liegende Ver­sorgungsumsteuerungen gesetzlich unterbunden werden.

Was die 2020 begonnenen Gespräche des BVVA mit Vertretern von drei weiteren Fachverbänden zur Gründung eines BVVA-Dachverbandes betrifft, hat man nun einen Gang zurückgeschaltet. Bei der Mitgliederversammlung im vergangenen Oktober hatte der BVVA zwar die Weichen für eine Satzungsänderung gestellt, die einen solchen Dachverband ermöglichen – konkret wollte man sich dem Verband der Hämophilie-Apotheken (VHA), dem Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft der HIV- und Hepatitiskompetenten Apotheken (DAHKA) öffnen. Mittlerweile sei man allerdings übereingekommen, zunächst individuell und themenbezogen zu kooperieren und keine Verbandseinheit zu schaffen. So hatte man bereits ein gemeinsames Positionspapier zum Koalitionsvertrag erarbeitet.

Lehren aus der Pandemie

Ebenfalls Gast der Jahrestagung Prof. Dr. Theo Dingermann vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe Universität Frankfurt/Main. In seinem Vortrag über „Lehren aus der Pandemie“ kam er zu dem Schluss, dass wir dank der mRNA-Impfstoffe bislang relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen sind. Denn im Gegensatz zu den Tot- und Spaltimpfstoffen würden diese wie Lebendimpfstoffe sowohl eine CD4- als auch eine CD8-Antwort induzieren und damit auch zytotoxische T-Zellen. Deshalb seien sie so effizient. China hatte mit Sinovac auf einen auf inaktiverten Viren basierenden Impfstoff gesetzt. Dieser schütze deutlich schlechter. Ein Kooperationsvertrag mit Biontech soll nun auch in China den Weg frei für Impfungen mit mRNA-Impfstoffen machen.

Die Satellitensymposien

Am zweiten Tag des BVVA-Kongresses standen die Satelliten-Symposien zu den vier BVVA-Fachgebieten im Mittelpunkt. Bei der Heimversorgung ging es um die Arzneimittelversorgung von Heimbewohnern als organisationsübergreifenden Gesamtprozess. In der Klinikversorgung standen die Bio­similar-Substitution und die IT-Sicherheit und Digitalisierung im Krankenhaus auf der Tagesordnung. Wissenschaftliche Herausforderungen und der palliativmedizinische Notfall prägten das Symposium zur Palliativversorgung. Die Teilnehmer des Symposiums zur Substitutionsversorgung beschäftigten sich mit dem Frankfurter Modell einer Heroin/Diamorphin-Ambulanz.

Sicherlich symptomatisch für die unterschiedlichen Spezialversorgungen ist die Erwartung manch eines Vertragspartners, dass versorgende Apotheken zusätzliche Aufgaben ohne Vergütung übernehmen können und müssen. Das sei so, wie wenn man den Elektriker bitten würde, doch noch gratis den Rasen zu mähen, wenn er schon vor Ort sei, erklärte der Wies­badener Apotheker Dr. Matthias Rothenberger im Rahmen des Erfahrungsaustauschs der palliativver­sorgenden Apotheker.

Zukunftsperspektive 3D-Druck

Zum Abschluss referierten Dr. Jan Henrik Finke, Apotheker und Bereichsleiter Pharma- und Biopartikeltechnik der Technischen Universität Braunschweig, und Marius Tidau zum Thema „3D-Druck – Technologien und Chancen für die Arzneimittelversorgung“. Arzneimittel aus dem 3D-Drucker versprechen eine individuelle Dosisanpassung verbunden mit einer Reduzierung des Nebenwirkungs­risikos und dank der Möglichkeit, mehrere Wirkstoffe zu kombinieren, auch eine bessere Compliance. Doch für welche Wirkstoffe lohnt sich dieses Verfahren? Das Auditorium war sich einig, dass hier nur hochpreisige Arznei­stoffe in Frage kommen sowie Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen für komplizierte Krankheitsbilder. Ein spannendes Feld könnte die personalisierte Therapie von Krebspatienten sein. Sollten solche Verfahren Einzug in die Apothekenpraxis erhalten, so wären standardisierte Vorprodukte wünschenswert, die das Verfahren vereinfachen. |

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