Retaxfall des Monats

Retaxfalle Sprechstundenbedarf

Festbetragsregelungen beachten!

Der Sprechstundenbedarf (SSB) umfasst Artikel, darunter Arzneimittel, Verbandmittel und Hilfsmittel, die im Rahmen der ambulanten Behandlung in der Praxis oder bei Notfällen bzw. zur Sofortbehandlung benötigt werden und deren Kosten nicht zu den allgemeinen Praxiskosten gehören. Was aber genau (und wie) im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnungsfähig ist und somit zulasten der Kasse abgegeben und berechnet werden darf, wirft häufig Fragen auf, obwohl die zulässigen Mittel in den Anlagen zur jeweiligen Vereinbarung aufgeführt werden. Nicht selten endet eine Sprechstundenbedarfsverordnung in einer Retaxierung. | DAP 

Vereinbarungen über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf werden zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen der jeweiligen Bundesländer und den Krankenkassen getroffen. Diese werden im Gegensatz zu anderen Arzneimittellieferverträgen auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen veröffentlicht. In Anlagen zu diesen Vereinbarungen findet man Sachverzeichnisse, in denen die Artikel oder Artikelgruppen gelistet sind, die im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet werden können. Doch auch mithilfe dieser Unterlagen ist es manchmal schwierig, eine Retaxierung einer Sprechstundenbedarfsverordnung zu verstehen.

Anfang Mai bat ein Kollege das DeutscheApothekenPortal um Hilfe, denn er hatte eine Retaxierung der AOK Rheinland-Pfalz einer Sprechstundenbedarfsverordnung über „4 OP Betaisodona Salbe 25 g N1 PZN 03930478“ erhalten, die er nicht verstand. Der Arzt hatte sogar das früher häufiger verwendete Ausrufezeichen gesetzt, um kenntlich zu machen, dass er vier Salben, für jedes Behandlungszimmer eine, benötige. Abgerechnet wurde viermal die verordnete PZN zum Gesamt-VK von 30,24 Euro. Als Retaxierungsgrund nannte die Kasse einen falschen Preis und kürzte die Bezahlung um 12,25 Euro (s. Tab. 1).

Tab. 1: Angaben der Krankenkasse zum Retaxierungsgrund
Feld
Originalinhalt
korrigierter ­Inhalt
Korrekturgrund und Erläuterung
Bruttobetrag
363,96 Euro
351,08 Euro
99
Bruttoausgleich
Betrag 1
30,24 Euro
17,36 Euro
231
falscher Preis
RBT Apo 1
1,51 Euro
0,88 Euro
-19
abhängige Apotheken­rabattkorrektur

Ein Blick in die Anlage zur Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz und den Kranken­kassen bestätigte, dass Antiseptika im Zusammenhang mit operativen Eingriffen, zur Wundversorgung oder für Notfälle zur direkten Anwendung für den Sprechstundenbedarf in Rheinland-Pfalz verordnet werden dürfen. Tabelle 2 zeigt, dass dort jedoch schon auf die große Preisspanne der Produkte hingewiesen wird.

Tab. 2: Ausschnitt der Anlage zur Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB)
Artikel /Artikelgruppen
verordnungs­fähig als Sprechstundenbedarf
Ergänzung / Begründung
als SSB / nicht SSB
verordnungsfähige Beispiele (nicht vollständig)
Wund-Desinfektionsmittel
ja
große Preisspanne der verschiedenen Produkte!
Beispiele: wässrige Iodlösung, Octenidin-Lösung, Polihexanid-Lösung, PVP-haltige Produkte

Die Vermutung liegt also nahe, dass die Kasse nur eine wirtschaftlichere Abgabe erstattet. Dazu auch ein Ausschnitt aus der oben genannten Verordnung:

„3. Für Sprechstundenbedarf gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Sprechstundenbedarf soll nur in solchen Mengen verordnet werden, die für die einzelne Praxis am wirtschaftlichsten sind und in angemessenem Verhältnis zu der Zahl der Behandlungsfälle sowie dem abgerechneten Leistungsspektrum bei den in Abschnitt II genannten Anspruchsberechtigten stehen. Sind von einem Mittel größere Mengen zu ersetzen, sind preisgünstige Groß-, Klinik- oder Bündelpackungen zu verordnen. Ferner ist der Arzt angehalten, bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf einen günstigen Bezugsweg zu wählen und – soweit verfügbar – Generika zu verordnen.“

Es wird also deutlich, dass möglichst günstigere Großpackungen und preisgünstige generische Mittel verschrieben werden sollten.

Ein genauer Blick in die Lauer-Taxe und die Preis­gestaltung der abgegebenen Salbe verrät jedoch, warum die Kasse den Abgabepreis gekürzt hat. Es wurde nicht auf den Preis eines günstigen Generikums oder einer Großpackung retaxiert, sondern auf den maximalen Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für dieses Arzneimittel bezahlen, gekürzt – auf den Festbetrag:

Für Betaisodona-Salbe besteht ein Festbetrag von 4,34 Euro. Die Kasse erstattet also nur viermal diesen Festbetrag (4 × 4,34 Euro = 17,35 Euro).

Der von der Kasse retaxierte Betrag in Höhe von 12,25 Euro ergibt sich aus der Differenz zwischen Festbetrag und abgerechnetem VK-Preis unter Einbeziehung der Apothekenrabatte:

30,24 Euro – 17,36 Euro – (1,51 Euro – 0,88 Euro) = 12,25 Euro

Somit erstattet die Kasse vier kleine Packungen der verordneten Betaisodona-Salbe zum Festbetrag.

Fazit

Auch bei Verordnungen von Sprechstundenbedarf sind Festbetragsregelungen zu beachten. Falls der Arzt dennoch ein Arzneimittel verordnet, dessen Apothekenverkaufspreis über dem Festbetrag liegt, so bezahlt die Krankenkasse ausschließlich die Kosten für den Festbetrag. Dies ist in § 12 Abs. 2 SGB V festgelegt:

„(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.“

Die entstehenden Mehrkosten muss der Arzt in einem solchen Fall selbst übernehmen. Es sollte also nicht versäumt werden, dem Arzt auch bei einer Verordnung von Sprechstundenbedarf eine zusätzliche Rechnung über möglicherweise anfallende Festbetragszuzahlungen auszustellen.  |

Heike Warmers, Apothekerin, Team DeutschesApothekenPortal

Bei der Rezeptbelieferung sind unzählige Vorschriften zu beachten, sonst droht eine Retaxation. Das DeutscheApothekenPortal (DAP) bietet rund um Arzneimittelabgabe und Retaxprobleme Rat und Hilfe an: www.deutschesapothekenportal.de

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