Rezension

Dick im Geschäft

Neues Sachbuch nimmt Adipositas-Epidemie unter die Lupe

Warum überschwemmen hoch verarbeitete Lebensmittel die Supermärkte und finden auch noch Absatz? Das Sachbuch „Stille Killer“ bietet tiefe Einblicke in die Methoden der Lebensmittelkonzerne und versucht, die Frage zu beantworten, warum immer mehr Menschen übergewichtig sind.

Bei den Begriffen „Drogen“ und „Sucht“ werden die meisten an klas­sische Rauschmittel wie Cocain oder Opioide denken. Auf dem Klappentext des im S. Hirzel Verlag neu erschie­nenen Sachbuchs „Stille Killer“ von Wilfried Bommert und Christina Sartori steht jedoch, dass das „mächtigste Drogenkartell des 21. Jahrhunderts […] Pizzen, Schokoriegel und bunte Brause [verkauft]“. Adipositas ist kein individuelles Versagen, bedingt durch Faulheit und Willensschwäche, sondern vielmehr Ausdruck eines globalen Lebensmittelsystems, das Verbraucher zu Süchtigen macht, um fette Gewinne einzufahren, so die Meinung der Autoren.

Globales Netz der Adipositas-Profiteure

Wer das Geschäft der transnationalen Lebensmittelkonzerne von den Anfängen in den 1990er- Jahren bis heute verstehen will, dem sei diese ausführlich recherchierte Lektüre empfohlen. Nicht nur Nahrungsmittel-produzierende Unternehmen bekommen ihr Fett weg, auch das Versagen der (internationalen) Politik, die sich nicht mit den mächtigen Konzernen anlegen will oder kann, wird umfassend thematisiert. An der globalen Adipositas-Epidemie verdienen auch Produzenten von übergroßen Betten, bariatrischem Chirurgie-Besteck und Hersteller von Diätdrinks, um einige wenige zu nennen. Die globale Maschinerie im System Adipositas kennt viele Profiteure, die von Bommert und Sartori pointiert kritisiert werden. Die politische und ökonomische Lage in Deutschland wird ebenso beleuchtet wie die sich zuspitzende Situation in Schwellen­ländern in Afrika und Südamerika, in denen die Adipositas-Prävalenz in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist. Die Kapitel über die Marketing­konzepte der Unternehmen, die oft bereits Kinder an eine zuckrige und fettige Diät gewöhnen wollen, sind schwere Kost. Die Aufteilung der Informationen in Unterkapitel, die gut zu verdauen sind, bewährt sich hier. Die Abschnitte über die fehlende Transparenz der Lebensmittelkonzerne im Bereich Lobbyismus und finanzierter Forschung lassen den ­Leser die perfide anmutende Strategie der Firmen nachvollziehen.

Von Wilfried Bommert und Christina Sartori
Stille Killer - Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet
1. Auflage, 240 S., 9 s/w Grafiken, 14,0 × 21,0 cm, kartoniert, 20 Euro ISBN 978-3-7776-2914-8 S. 
Hirzel Verlag GmbH 2022

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Meinungsstarke Autoren

Konkrete Beispiele aus dem Lebensmittelmarkt mit Nennung von Produkten oder Konzernen, die jeder kennt, vereinfachen den Lesefluss und tragen zur besseren Verständlichkeit der Inhalte bei. Durch persönliche Geschichten und Erfahrungsberichte wird das Leiden bei den Themen Schwergewichtigkeit und Gewichtsreduktion erfahrbar. Da das Buch anschaulich geschrieben ist, wird die Lektüre auch bei der Darlegung längerer wissenschaftlicher Studien oder komplexer Zusammenhänge nicht fad. Dieses für Laien verständliche Sachbuch analysiert nicht nur geradeheraus das globale Adipositas-Problem, es bietet auch Lösungsvorschläge zu einer nachhaltigen und gesunden Ernährungsweise, fern ab von Zusatzstoffen und „Big Food“. Hierzu wird auch der Arzt und Wissenschaftskommunikator Eckart von Hirsch­hausen befragt, der interessante Ansätze zur „planetary health diet“ einbringt. Wilfried Bommert ist Agrarwissenschaftler und Journalist, unter anderem für den WDR. Die Biologin Christina Sartori berichtet als Wissenschaftsjournalistin seit mehreren Jahrzehnten zu medizinischen Themen. Die Kompetenz beider Au­toren macht „Stille Killer“ zu einem lesenswerten Buch, das zum Um­denken über die eigene Ernährungsweise anregt und die weltweiten gesundheitlichen Auswir­kungen des Systems Adipositas veranschaulicht. Guten Appetit! |

Juliane Russ, Ernährungswissenschaftlerin

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