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AKNR klagt auch gegen gesund.de
Plattformen auf dem rechtlichen Prüfstand / Transaktionsgebühr und Verantwortlichkeiten
Nach erfolglosen Abmahnungen klagt die AKNR bereits gegen Kurando und DocMorris. Dass die Kammer die Geschäftsaktivitäten der EU-Versender wachsam verfolgt ist bekannt. Auch dass sie sich Start-ups, die sich im hochregulierten Arzneimittel- und Apothekenmarkt tummeln, vorknöpft, ist nicht verwunderlich. Gesund.de, das Joint Venture von Phoenix und Noventi, möchte sich sicherlich nicht in diese Riege einreihen lassen. Dennoch: Die rechtlichen Fragen sind auch bei Unternehmen, die die Stärkung der Apotheke vor Ort in den Vordergrund heben, ähnlich gelagert. Die AKNR mahnte daher auch gesund.de ab. Eine Unterlassungserklärung wollte man aber auch hier nicht abgeben. Und so wird sich jetzt das Landgericht München mit dem Fall befassen.
Ähnlich wie bei DocMorris geht es der AKNR zum einen darum, klären zu lassen, ob die von den Apotheken erhobene umsatzbezogene Transaktionsgebühr gegen das Apothekengesetz verstößt. Gesund.de erhebt von den angebundenen Apotheken eine einmalige Startgebühr von 799 Euro, zudem eine monatliche Pauschale von 199 Euro. Hinzu kommen Transaktionsgebühren in Höhe von 6% zum Verkaufspreis ohne Mehrwertsteuer für rezeptfreie Produkte. In dieser Transaktionsgebühr sieht die AKNR, die vor Gericht von Rechtsanwalt Morton Douglas vertreten wird, einen Verstoß gegen § 8 Satz 2 Apothekengesetz (ApoG). Diese Norm besagt: „(...) Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge sind unzulässig.“
Für Douglas handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Vereinbarung, bei der die Vergütung für einen „sonst überlassenen Vermögenswert“ – nämlich die Möglichkeit, sich auf der Plattform zu präsentieren – am Umsatz ausgerichtet ist. Auch wenn der Gesetzgeber bei Schaffung der Norm noch nicht an derartige Plattformen gedacht haben kann, sieht der Anwalt ihren Anwendungsbereich nach ihrem Sinn und Zweck eröffnet. Wenn es für erforderlich erachtet werde, gewinnabhängige Mietverträge für Ladenlokale auszuschließen, dürfe nichts anderes gelten, wenn es um eine umsatzabhängige Beteiligung für ein virtuelles Schaufenster gehe. Grundsätzlich sei zwar anzuerkennen, dass gesund.de Leistungen erbringe, die der Apotheke auch in Rechnung gestellt werden könnten, etwa ihren technischen Support. Doch diese Leistungen sieht Douglas bereits durch die monatliche Gebühr abgedeckt. Die Transaktionsgebühr sei demgegenüber eine reine Gewinnbeteiligung. Der Verstoß gegen § 8 ApoG sei auch ein Wettbewerbsverstoß.
Wer prüft die Verordnungen?
Im zweiten Teil der Klage geht es um die Verantwortlichkeit der Plattform für das Geschäftsmodell. Wie sieht es mit dieser bei elektronischen Verordnungen aus, die von Telemedizin-Plattformen hereingespielt werden? Laut vertraglicher Vereinbarung ist die Apotheke berechtigt, diese zu beliefern. Und zwar ohne eigene Prüfung. Auch losgelöst von dieser vertraglichen Regelung hält es die AKNR generell für unzulässig, dass Apotheken telemedizinische Verordnungen einlösen, denen eine ärztliche Konsultation vorausgegangen ist, die nicht den medizinischen Standards entspricht – insbesondere, wenn sie sich im Ausfüllen eines Fragebogens erschöpft. In diesem Zusammenhang verweist Douglas auf das Ende 2021 ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs zur Werbung für Fernbehandlungen. Hier stellte das Gericht fest, dass es für Fernbehandlungen noch keine allgemein anerkannten fachlichen Standards gebe.
Douglas hebt zudem hervor, dass Noventi mit dem Telemedizinanbieter GoSpring.de kooperiere. Mit einer Schnittstelle solle GoSpring-Kunden ermöglicht werden, „die unter Missachtung der medizinischen fachlichen Standards ausgestellten Verschreibungen dann über gesund.de einzulösen“.
Der Partnervertrag erwecke den Eindruck, dass die Apotheke die Rechtmäßigkeit solcher Verordnungen gar nicht mehr prüfen müsse. Dabei sei es „ureigenste Aufgabe einer jeden Apotheke zu prüfen, ob eine Verschreibung ordnungsgemäß ist“, schreibt Douglas. Ist sie das nämlich nicht, dürfe die Apotheke das Arzneimittel gar nicht abgeben.
Douglas argumentiert: Es entspreche nicht der unternehmerischen Sorgfaltspflicht, Vertragspartner davon abzuhalten, die ihnen obliegenden Prüfpflichten einzuhalten. In einer solchen Situation sei es vielmehr Aufgabe der Plattform, die Ordnungsgemäßheit der Verschreibungen dem Grunde nach zu prüfen bzw. – da gesund.de selbst keine Apotheke ist – sicherzustellen, dass sie den medizinischen fachlichen Standards entsprechen. Auf das Urteil aus München darf man gespannt sein. |
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