Arzneimittel und Therapie

Pharmakologisch gegen Haarausfall

Ein Vergleich von Minoxidil, Finasterid und Dutasterid bei androgenetischer Alopezie

mab | Haarverlust stellt eine enorme Beeinträchtigung der Lebensqualität dar. Nicht wenige Betroffene greifen daher auf Pharmaka zurück, um so den Haarausfall zu verlangsamen. Mit welchen Wirkstoffen und in welcher Darreichungsform die besten Ergebnisse erzielt werden, war Fragestellung einer aktuellen Netzwerk-Metaanalyse.

Etwa 80% der Männer und 42% der Frauen in der kaukasischen Bevölkerung leiden unter androgenetischer Alopezie. Die Miniaturisierung der Haarfollikel beim Mann geht vor allem auf die gesteigerte Empfindlichkeit der Haarwurzel gegenüber 5-α-Dihydrotestosteron zurück. Bei Frauen sind die genauen Ursachen weiterhin unklar. Pharmakologisch versucht man, dem Haarausfall bei Männern durch den Einsatz der beiden 5-α-Reduktase-Hemmer Finasterid (z. B. Propecia®) und Dutasterid (in Deutschland nur zur Therapie der benignen Prostatahyperplasie zugelassen) Herr zu werden, die die Umwandlung von Testosteron in 5-α-Dihydrotestosteron blockieren. Verschreibungsfrei erhältlich sind für Betroffene topische Präparate (2% für Frauen, 5% für Männer) auf Minoxidil-Basis, das ursprünglich zur Blutdruckbehandlung entwickelt wurde und dessen Wirkung auf den Haarwuchs nach wie vor unklar ist.

Foto: m_dinler/AdobeStock

Prächtige Haarpracht dank ...

Welches dieser Präparate den besten Behandlungserfolg verspricht, war Fragestellung einer Forschergruppe im Rahmen einer Netzwerk-Metaanalyse. In der Datenbank Pubmed suchten die Forscher zunächst nach Publikationen zu Dutasterid, Finasterid und Minoxidil in jeglicher Dosierung und Anwendungsform. Nicht englisch-sprachige Publikationen wurden ausgeschlossen. Von 848 Einträgen wurden schlussendlich 23 Studien quantifiziert. In den vier Endpunkten wurden dann die Gesamt- und die Endhaarzahl nach 24 bzw. 48 Behandlungswochen miteinander verglichen. Es zeigte sich, dass nach 24 Behandlungswochen die tägliche Einnahme von 0,5 mg Dutasterid (nur in Japan und Südkorea zur Behandlung der androgenen Alopezie bei Männern zugelassen) die stärkste Zunahme der Gesamthaarzahl bewirkte. So waren im Vergleich zur täglichen Einnahme von 1 mg Finasterid pro Quadratzentimeter durchschnittlich 7,1 Haare mehr gewachsen. Die Wissenschaftler erklären sich diese gute relative Wirksamkeit von Dutasterid durch die deutlich stärkere 5-α-Reduktase-Inhibierung der Isozym-Typen 1 und 2 im Vergleich zu Finasterid, das nur den Isozym-Typ 2 hemmt. Sie verweisen jedoch auf die deutlich längere Halbwertszeit von Dutasterid (fünf Wochen) gegenüber Finasterid (sechs Stunden), was vermutlich auch der Grund dafür ist, dass die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Dutasterid nicht für die Behandlung des androgenetischen Haarausfalls zugelassen hat. Für die Langzeitanwendung von Dutasterid über 48 Wochen lagen keine Daten vor. Die Autoren fordern, aufgrund der guten Wirksamkeit hier jedoch künftig weitere Studien durchzuführen.

Sicherheitsprofil von Finasterid im Auge behalten

Während nach 24 Wochen Behandlung noch kein Unterschied der Wirksamkeit zwischen den verschiedenen Finasterid-Dosierungen (0,2 mg, 1 mg und 5 mg pro Tag) gesehen werden konnte, erzielte die Einnahme von täglich 5 mg Finasterid (in Deutschland lediglich zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie zugelassen) über 48 Wochen die größte Zunahme der Gesamthaarzahl. Die topische Anwendung einer 1%igen Finasterid-Lösung erzielte ähnliche Effekte wie die einmal tägliche Einnahme von 1 mg Finasterid. Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass die Sicherheitsprofile zwischen den unterschiedlichen Darreichungsformen und Dosierungen von Finasterid deutlich voneinander abweichen können (s. auch Interview zum Post-Finasterid-Syndrom mit Prof. Dr. Sommer, unten). Off label bei androgenetisch bedingtem Haarausfall eingesetzt, erzielte die orale Einnahme von täglich 5 mg Minoxidil im Vergleich zu niedrigeren Minoxidil-Dosierungen (0,25 mg/Tag) oder topischer Anwendung die besten Ergebnisse. Während nach 24 Behandlungswochen unter beiden topischen Konzentrationen (2% und 5%) noch ähnlich gute Gesamt- und Terminalhaarzahlen ermittelt werden konnten, überragte nach 48 Wochen die höhere 5%ige Dosierung in der Veränderung der Terminalhaare. |

Literatur

Blumayer A et al. Auszüge aus: Evidenzbasierte S3-Leitlinie für die Behandlung der androgenetischen Alopezie bei Frauen und Männern. ournal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2011. Band 9, Supplement 6. www.dermaostschweiz.ch/wp-content/uploads/2016/10/AGA-2011.pdf, Abruf 6. April 2022

Gupta AK et al. Relative Efficacy of Minoxidil and the 5-α Reductase Inhibitors in Androgenetic Alopecia Treatment of Male Patients. A Network Metaanalysis. JAMA Dermatology 2022. doi:10.1001/jamadermatol.2021.5743

 

 

„Unabhängig von Dosis und Einnahmezeit!“

Fragen und Antworten zum Post-Finasterid-Syndrom

Prof. Dr. Frank Sommer

Die tägliche Einnahme von Finasterid erhöht der Netzwerk-Metaanalyse von Gupta et al. zufolge die Gesamthaarzahl bei androgenetischer Alopezie (siehe Artikel oben). Gleichzeitig steht der Arzneistoff aufgrund seines Sicherheitsprofiles immer wieder in der Kritik. Wir haben mit Professor Dr. Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit, Univer­sitätsprofessor für Männergesundheit Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, über die Nebenwirkung Post-Finasterid-Syndrom gesprochen.

DAZ: Was versteht man unter dem Post-Finasterid-Syndrom? Tritt das Syndrom dosisabhängig auf?

Sommer: Der 5-α-Reduktase-Hemmer Finasterid verhindert die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron. So fällt der Dihydrotestosteron-Serumspiegel unter Finasterid um etwa 70% ab, der Testosteron-Spiegel steigt um etwa 10%. Man könnte glauben, dass eine Erhöhung des Testosteron-Spiegels die androgene Wirkung verbessert. Das ist aber nicht der Fall. Dihydrotestosteron ist ein viel stärkeres Androgen, das inhibiert wird. Und Testosteron hat in Relation zu Dihydrotestosteron eine wesentlich geringere androgene Wirkung. Finasterid ist für sein breites Nebenwirkungsspektrum bekannt. Es kann sowohl die Libido reduzieren oder durch „Umbauprozesse“ im Penis auch Erektionsstörungen auslösen. Teilweise treten neben den sexuellen Problemen auch Schlafstörungen, Erschöpfung sowie Depressionen auf, Letztere sind teilweise nicht reversibel. Der gängige medizinische Fachbegriff lautet Post-Finasterid-Syndrom. Das Syndrom tritt unabhängig von der Dosis und der Einnahmezeit auf. Über die Häufigkeit und die Ursache des Post-Finasterid-Syndroms ist noch wenig bekannt.

DAZ: Kann das Post-Finasterid-­Syndrom auch unter Dutasterid ­auftreten?

Sommer: Als 5-α-Reduktaseinhi­bitor hat Dutasterid den gleichen Wirkmechanismus wie Finasterid und reduziert den Dihydrotestosteron-Spiegel im Blut. Wie auch bei ­Finasterid gehören zu den unerwünschten sexuellen Wirkungen Impotenz (erektile Dysfunktion), das Nachlassen bzw. die Schwächung der Libido, Ejakulationsstörungen und in einigen Fällen eine Vergrößerung der Brustdrüse. Somit kann ein Post-Finasterid-Syndrom auch unter Dutasterid auftreten.

DAZ: Wie wird ein Post-Finasterid-Syndrom diagnostiziert?

Sommer: Dazu müssen die Zusammensetzung des Schwellkörpers gemessen sowie die penilen nervalen Strukturen, aber auch andere ner­vale lokale Funktionen, erfasst werden. Neben der Messung der Zusammensetzung des Penis ist es wichtig zu sehen, wie gut die arterielle Perfusion (das sind die Blutgefäße, die das Blut in den Penis hineinpumpen) ist. Zusätzlich ist zu klären, wie gut das Blut gehalten wird und wie viel Blut aus dem Schwellkörper herausfließt (Mindestanforderungen an die Diagnose). Unter anderem spielen natürlich auch die Hormonkontrollen eine große Rolle.

DAZ: Wie kann ein Post-Finasterid-Syndrom behandelt werden?

Sommer: Die Therapie ist individuell und richtet sich nach den gemessenen Hormonwerten und den Beschwerden, die auftreten. In manchen Fällen muss man hoch dosiert Testosteron geben. Insbesondere bei Schlafproblemen können Nahrungsergänzungsmittel mit NADH (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid), γ-Aminobuttersäure oder Hxdroxytryptophan ausprobiert werden.

DAZ: Herr Professor Sommer, vielen Dank für das Gespräch!

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