Wirtschaft

Soll die Politik die Notbremse ziehen?

Pro Biosimilars: Diskussionsrunde zum geplanten Austausch von Biologika in der Apotheke

cm | Noch in diesem Jahr soll der automatische Austausch von Biosimilars in den Apotheken kommen. Sollte die Politik hier die Notbremse ziehen, bevor die Regelung in Kraft tritt? Diese Meinung vertraten zumindest die Diskutanten bei einer Ver­anstaltung der AG Biosimilars am vergangenen Dienstag – ausgenommen eine Kassen­vertreterin, die sich davon deutliche Einsparungen erhofft.

Mit dem im Juni 2019 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wurde die automatische Substitution von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln in der Apotheke in § 129 Absatz 1 SGB V verankert. Voraussetzung ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) vorab eine Austauschbarkeit in Bezug auf ein biologisches Referenzarzneimittel festgestellt hat. Die konkreten Regelungen für den Austausch in den Apotheken muss der G-BA noch vorlegen, nach dem GSAV bis spätestens 16. August 2022.

Doch so richtig glücklich ist damit offenbar niemand der beteiligten Akteure – abgesehen von den Krankenkassen, die enormes Einsparpotenzial bei diesen hoch­preisigen Arzneimitteln sehen. Man wolle dabei mit Augenmaß vorgehen, kündigte Christina Sabic von der AOK Bayern an.

Die Präsidentin der Apotheker­kammer Berlin, Kerstin Kemmritz, zweifelt allerdings daran, dass eine automatische Substitution in den Apotheken ohne größeren Aufwand machbar ist. Denn Biologika werden zumeist parenteral appliziert, wobei sich unterschiedliche Präparate oft verschiedener Applikationshilfen bedienen. Der Patient müsse folglich bei einem Austausch erneut geschult werden, was die Hand­habung betrifft. „Das verursacht einen hohen Erklärungsbedarf“, betonte die Apothekerin.

Insbesondere gut eingestellte Anwender umzustellen, hält Kemmritz für schwierig. Bei Erstverordnungen sei ein Austausch hingegen möglich, wenn nicht bereits eine ärztliche Einweisung erfolgt sei. Dann könne auch das pharmazeutische Personal die Anwendung erklären. „Das macht man aber nicht mal nebenbei am HV-Tisch“, gab die Kammerpräsidentin zu bedenken. Dafür benötige es Zeit und Ruhe. Idealerweise sollte der Patient zu diesem Zweck einen Termin in der Apotheke vereinbaren. Denkbar sei, solche Leistungen als pharmazeutische Dienstleistungen im Sinne des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes anzubieten – inklusive eines angemessenen Honorars. Zudem forderte sie Rechtssicherheit, wenn Apotheken aus individuellen Gründen einen Austausch ablehnten. Retaxationen bei pharmazeutischen Bedenken dürfe es nicht geben.

Foto: Pro Generika/Svea Pietschmann

„Lieber verschieben“ – so die einhellige Meinung von Apothekerin Kerstin Kemmritz, Onkologe Wolf-Dieter Ludwig, Patientenvertreter Martin Danner und Walter Röhrer von der AG Pro Biosimilars.

Stolperstein Präqualifizierung

Zudem könne die Bürokratie in den Apotheken zum Stolperstein werden. Einen Fertigpen dürfen sie zwar ohne Weiteres abgeben, kompliziert wird es aber, wenn es ein Pen mit austauschbaren Ampullen sein soll. Dann zählt dieser als Hilfsmittel und muss separat verordnet werden. Beliefern darf die Apotheke das Rezept in diesem Fall nur, wenn sie präqualifiziert ist. „Das können und wollen nicht alle Apotheken“, so Kemmritz. Somit könne eine Austauschpflicht letztlich sogar die Versorgungssicherheit gefährden.

Auch Martin Danner von der BAG Selbsthilfe hält nicht viel davon, Biologika in den Apotheken automatisch gegeneinander auszutauschen. Rabattverträge seien in diesem Fall ein „problematisches Instrument“, das einen massiven Eingriff in das Arzt-Patienten-Verhältnis darstelle. Zudem gebe es gute Gründe gegen einen Austausch, zum Beispiel bei motorisch eingeschränkten oder seh­behinderten Menschen. „Es ver­unsichert auch, wenn ich ständig etwas Neues bekomme“, sagte der Patientenvertreter.

AkdÄ-Präsident Ludwig fürchtet Nocebo-Effekt

Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), sieht das Umstellen von Patienten als eine ärztliche Auf­gabe. Der Internist und Onkologe hält Biosimilars für ein wichtiges Mittel, um Kosten zu sparen, die automatische Substitution in den Apotheken lehnt er aber wie Kemmritz und Danner ab. Ein Austausch ohne ausreichende ärztliche Begleitung könne zu einem Nocebo-Effekt führen, fürchtet er.

Einig waren sich die Diskutanten darin, dass ein automatischer Switch in den Apotheken bei Bio­logika nicht das Mittel der Wahl sein kann, um die Abgabe vergleichsweise preiswerter Nach­ahmerprodukte zu fördern. Stattdessen sollte die Politik lieber verstärkt auf die Verordnung von Biosimilars aufseiten der Ärzteschaft setzen. Ludwig betonte, dass man auf diesem Weg bereits einiges erreicht habe und die Kollegen sich gut informiert hätten. Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, appellierte an die neue Regierung, den Erfolg der Biosimilars und ihre positiven Effekte für die Versorgung der Patienten nicht zu gefährden: „Es braucht die automatische Substitution nicht. Das jetzt ein­zusehen, ist eine Chance für die neue Regierung: Sie sollte hier nicht den Fehler machen, den ihr die alte vererbt hat.“

Positionspapier der Hersteller

Erst kürzlich hat die AG Biosimilars gemeinsam mit dem Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) und dem Verband forschender Pharmaunternehmen (vfa) ein Positionspapier zum Thema Substitution von Biologika in den Apotheken veröffentlicht. (Sie gelangen zu dem Papier, wenn Sie den Webcode R5EP7 in die Suchmaske auf DAZ.online eingeben.) Darin nennen sie fünf Gründe, weshalb dieses Verfahren abzulehnen ist. Zum einen generiere der Wettbewerb im Biologika-Markt bereits deutliche Einsparungen, zum anderen erhielten die Krankenkassen bereits heute von den pharmazeutischen Unternehmen umfangreiche Rabatte im Zuge von Open-House-Verträgen. Darüber hinaus führen auch sie das Argument der unterschied­lichen Devices ins Feld und mög­liche Gefahren für die Adhärenz bei Austausch. Auch auf die Liefer- und Versorgungssicherheit sowie die Pharmakovigilanz könne sich die Substitution auf Apothekenebene negativ auswirken. |

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