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Management

Inflation, Rendite, Rentendynamik, Rechnungszins

Versorgungswerke: Wie was womit zusammenhängt

Zu dem Artikel „Die Versorgungswerke der Apotheker“ in AZ 2022, Nr. 31/32, S. 5 hat uns eine Reihe von Zuschriften erreicht, die gezeigt haben: Die einzelnen angesprochenen Themen verdienen eine stärker differenzierende Darstellung, die im Rahmen von mehreren Beiträgen in der AZ erfolgen soll. Zunächst wollen wir uns dabei dem Thema der Dynamisierung der Renten in seinen verschiedenen Facetten widmen.

Die Inflation ist zurück. Während langer Jahre war sie kein Thema, die Notenbanken hatten die Teuerung im Griff, ja, die Europäische Zentralbank (EZB) gab als Begründung für ihre massive Geldschöpfung sogar das Ziel einer Zwei-Prozent-Inflation aus, an die man sich heranarbeiten wollte – von unten. Inzwischen klingt eine Inflationsrate von zwei Prozent wie das Idyll der Geldwertstabilität.

Es ist verständlich, dass bei massiv steigenden Preisen der Blick auf die Entwicklung der Löhne und Renten gerichtet wird – aus einer nachvollziehbaren Sorge vor Wohlstandsverlusten. Und doch geht dieser Blick in die falsche Richtung. Die Mechanismen der Geldentwertung und des Einkommensfortschritts sind verschiedene, daher kann man die eine nicht mit dem anderen bekämpfen. Die aktuell weithin gefürchtete Lohn-Preis-Spirale macht dies deutlich. Verfestigen sich bei den Wirtschaftsteilnehmern die Inflationserwartungen, reagieren sie mit Forderungen nach Einkommensausgleich: höheren Erlösen, höheren Löhnen, höheren Renten. Das Problem der Inflation wird damit aber nicht gelöst, sondern sogar verschlimmert, die Geldentwertung nimmt zu. Sie kann nur durch eine Rückkehr zur Geldwertstabilität bekämpft werden.

Wachstum muss erarbeitet werden

Inflationsfeste Einkommen gehen auf Wirtschaftswachstum zurück. Dieses kann verteilt werden an Arbeitnehmer (Löhne, gesetzliche Renten) und Kapitalbesitzer (Sparer, kapitalgedeckte Renten). Ist mehr Geld im Umlauf, als durch die Produktionsfortschritte gedeckt ist, nimmt der Wert der Geldeinheiten ab. Das Wachstum kann jedoch nicht durch einen Federstrich gesteigert werden wie die Geldmenge, es muss hart erarbeitet und an den Märkten verdient werden. Arbeitgeber, die gesetzliche Rentenversicherung oder kapitalbildende Systeme wie die berufsständischen Versorgungseinrichtungen der Freien Berufe können daher der Inflation nicht „hinterherdynamisieren“, weil sie ihre Einnahmen eben nicht künstlich steigern können.

Wie aber entsteht aus Wachstum ein höheres Einkommen? Wenn von Jahr zu Jahr mehr Güter und Dienstleistungen produziert und abgesetzt werden, machen Unternehmen Gewinne, die sie an Arbeitnehmer und Fremdkapitalgeber in Form von Lohnerhöhungen, Dividenden und Kursgewinnen weitergeben. Der Staat nimmt mehr Steuern ein, kann mehr investieren und höhere Sozialleistungen zahlen. Auch die Rentner profitieren: Die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung steigen grundsätzlich mit der Bruttolohn- und -gehaltssumme je Arbeitnehmer. Allerdings hat der Gesetz­geber drei Bremsfaktoren in die Rentenformel eingebaut. Steigt der Beitragssatz, wie dies laut dem letzten Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung erstmals wieder im Jahr 2024 der Fall sein wird, wird die Rentenerhöhung um den Quotienten des Renten­beitragssatzes des vergangenen Jahres (im Zähler) und des vor­vergangenen Jahres (im Nenner) vermindert. Im Jahre 2024 muss der Beitragssatz von 18,6 Prozent auf 19,5 Prozent deutlich angehoben werden, 2025 soll er dann auf 19,5 Prozent verharren, um 2026 weiter auf 19,7 Prozent an­zusteigen. Im Jahr 2030 werden 21,2 Prozent und 2035 sogar 22,4 Prozent prognostiziert. Zusätzlich zu den Beitragserhöhungen wird der pauschale Altersvorsorgefaktor von vier Prozent jedes Jahr vom Wert des Lohnfortschritts abgezogen. Zum Schluss wird auch die Veränderung des Bevölkerungsaufbaus berück­sichtigt – und zwar durch den „Rentner-Quotienten“, der das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern wiedergibt. Dieser wird allerdings nur zu einem Viertel seines Wertes wirksam. Durch diese Konstruk­tion sollen die Kosten der Alterung auf Beitragszahler und Leistungsempfänger gleichermaßen verteilt werden.

Zusätzlich hat die Ampelkoalition beschlossen, den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor wiedereinzuführen. Durch die Kumulation der Bremsfaktoren ist es rechnerisch möglich, dass nach Jahren mit schwachem Lohnfortschritt die Renten negativ angepasst, sprich gesenkt werden müssten. Dies hat der Gesetzgeber durch die Rentengarantie verhindert, durch die es schlimmstenfalls zu Nullrunden kommt. Der aus­gefallene Teil der Bremswirkung wird in Folgejahren mit besserer Lohnentwicklung nachgeholt, das heißt, die Rentendynamik wird dann stärker als üblich gebremst, bis der Nachholbedarf abgebaut ist. Die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte den Nachholfaktor ausgesetzt, als sie für den Zeitraum 2018 bis 2025 die doppelte Haltelinie von Beitragssatz (maximal 22 Prozent) und Rentenniveau (mindestens 48 Prozent) einführte. Hierdurch hat sich einiger Nachholbedarf angestaut. Die Wiedereinführung des Nachhaltigkeitsfaktors wird die Rentendynamik in den kommenden Jahren zusätzlich um etwa 0,8 Prozentpunkte drosseln. Die Bundesregierung rechnet für die kommenden 15 Jahre mit einem durchschnittlichen Rentenanstieg von 2,3 Prozent pro Jahr. Das liegt unter dem Rechnungszins der meisten Versorgungswerke.

Vorsorge für gestiegene Lebenserwartung

Auch die Versorgungswerke der Apothekerinnen und Apotheker müssen die Alterung ihrer Mit­glieder und damit längere Rentenlaufzeiten finanzieren. Der Alterung wird durch Verwendung sogenannter Generationentafeln Rechnung getragen. Diese versicherungsmathematischen Tabellen bewirken, dass jeder Jahrgang für seine eigene, statistisch gegenüber dem Vorgängerjahrgang gestiegene Lebenserwartung vorsorgt. Das bedeutet, dass er einen größeren Anteil zu den Kapitalrücklagen des Versorgungswerks beitragen muss als der Vorgängerjahrgang. Allerdings sind sie deutlich weniger von der Nachwuchsproblematik betroffen als die im Generationenvertrag finanzierte Rentenversicherung.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Höhe der Beitragseinnahmen für die Versorgungswerke – und damit für die Leistungsdynamik – keine Bedeutung hätte. Die Versorgungswerke haben nur zwei Einnahmequellen: Beiträge und Kapitalerträge. Die Rentenversicherung erhält noch Bundeszuschüsse, die mit der Entwicklung der Bruttolohn- und -gehaltssumme und des Beitragssatzes automatisch mitsteigen. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil der Gesetzgeber der Rentenversicherung viele allgemeingesellschaftliche Aufgaben übertragen hat. Durch die Bindung an den demografiebedingt in den kommenden Jahren stetig steigenden Beitragssatz beteiligt sich der Steuerzahler jedoch auch an den Kosten der Alterung in der Rentenversicherung.

Entscheidend für die Leistungs­dynamik der Versorgungswerke ist daher, wie hoch der Ertrag ihrer beiden Einnahmequellen noch ist, nachdem die Kosten für Versicherungsbetrieb und Kapitalanlage abgezogen und die satzungsgemäß vorgeschriebenen Sicherheitsrücklagen dotiert wurden. Bei den Kosten sind die Versorgungswerke sehr konkurrenzfähig und liegen regel­mäßig in der Nähe des Satzes der gesetzlichen Rentenversicherung, die als sehr kostengünstig gilt. Die nächste Hürde, die es jedes Jahr zu nehmen gilt, ist der Rechnungszins.

Der Rechnungszins als zentrale Rechengröße

Der Rechnungszins ist eine zentrale Rechengröße des Versorgungswerks. Er dient dazu, die zukünftig zu erwartenden Beiträge und Leistungen so zu bewerten, dass mit dem Barwert des vorhandenen Vermögens die Leistungen erbracht werden können. Anders ausgedrückt: Nur wenn eine Rendite mindestens in Höhe des Rechnungszinses erzielt wird, ist dies möglich. Er ist also der Zinssatz, den das Versorgungswerk bei vorsichtiger Betrachtung langfristig meint erzielen zu können. Muss die Renditeerwartung gesenkt werden, etwa wegen langfristig fallender Zinsen, wird es teuer. Dann müssen der Deckungsrückstellung zusätzliche Mittel zugeführt werden, bis ihr Barwert wieder hoch genug ist, um mit der gesenkten Zinserwartung die Leistungen erfüllen zu können.

Dies ist die Rolle des Rechnungszinses im Hinblick auf den Beitragsbarwert (den Wert zukünftiger Beiträge). Er wird jedoch auch für den Leistungsbarwert ver­wendet. Das bedeutet, dass in den Rentenprognosen in der Stand­mitteilung des Versorgungswerks eine Verzinsung in Höhe des Rechnungszinses bis zum Rentenwegfall, in der Regel der Sterbezeitpunkt, bereits fest eingerechnet ist. Sie muss das Versorgungswerk nun Jahr für Jahr an den Märkten erwirtschaften. Damit stehen für die Dynamisierung nur noch der Überzins, also der den Rechnungszins übersteigende Teil der Rendite, und das Beitragswachstum als Quelle zur Verfügung. Wegen der Einrechnung des Rechnungszinses sind Versorgungswerksrenten aber auch regelmäßig höher als gesetzliche Renten, selbst bei gleich hoher Beitragszahlung. |

Peter Hartmann, Hauptgeschäfts­führer, und Stefan Strunk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungs­einrichtungen e. V. (ABV)

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