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Recht
Neue EU-Regeln für Arbeitsverträge
Ziel ist mehr Transparenz über die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer
Am 20. Juni 2019 hat das Europäische Parlament die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union erlassen. Im Kern geht es darum, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Dafür sieht die Richtlinie u. a. die Erweiterung der bereits in der Nachweisrichtlinie vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses vor und enthält die Festlegung von Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Höchstdauer einer Probezeit, auf Mehrfachbeschäftigung, auf die Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, auf das Ersuchen um einen Übergang zu einer anderen Arbeitsform sowie zu Pflichtfortbildungen.
Richtlinie muss ab 1. August 2022 umgesetzt werden
Bis zum 1. August 2022 muss die Richtlinie (EU) 2019/1152 in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Am 23. Juni 2022 hat nun der Bundestag über einen Gesetzentwurf zur Umsetzung (BR-Drucksache 154/22 vom 8. April 2022) der Richtlinie abgestimmt und insbesondere Änderungen im Nachweisgesetz (NachwG) beschlossen. Das deutsche Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrages aufzuzeichnen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
Laut dem neuen § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz müssen Arbeitgeber über folgende Arbeitsbedingungen informieren:
1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien
2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses
4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann
5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
6. sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit
7. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung
8. die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
9. bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
a. die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
b. die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
c. der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d. die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat
10. sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
11. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
12. ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
13. wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers
14. das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
15. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen
Die Neuerungen gelten für alle Beschäftigungsverhältnisse, die nach dem 31. Juli aufgenommen werden. Das hat unmittelbare Auswirkungen für die Gestaltung neuer Arbeitsverträge, zudem sind bei Änderungen oder Anpassungen Altverträge ebenfalls betroffen. Hinzu kommt, dass auch bereits beschäftigten Arbeitnehmern auf Anfrage innerhalb von sieben Tagen die Arbeitsbedingungen entsprechend den neuen Vorgaben des Nachweisgesetzes dargelegt werden müssen. Während für Neueinstellungen die Arbeitsvertragsmuster bereits die neuen Vorgaben enthalten könnten, wird für die sogenannten „Altfälle“ ein Nachweisschreiben anzufertigen sein.
Die Richtlinie soll für alle Arbeitnehmer in der Union gelten, die nach den Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen, wobei die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen ist. Insbesondere zielt die Richtlinie auf den Schutz von Arbeitnehmern, deren Arbeitsvolumen gering und deren Arbeitszeitplan weitgehend unvorhersehbar ist und damit auf die sogenannte „Gig Economy“ sowie deren vielfältige variable Arbeitsformen ab.
Detaillierte Unterrichtung über das Arbeitsverhältnis notwendig
Arbeitgeber treffen durch die neuen Regelungen eine Vielzahl weiterer Verpflichtungen. Dazu gehört die Unterrichtung über das Arbeitsverhältnis mit der Pflicht zur Unterrichtung u. a. über die Personalien der Parteien des Arbeitsverhältnisses, den Arbeitsort bzw. – falls die Tätigkeit nicht nur an einem Arbeitsort erbracht werden soll – der Hinweis darauf, dass der Mitarbeiter an verschiedenen Orten beschäftigt werden darf, den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, ggf. Dauer und Bedingungen der Probezeit, Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung, Dauer des bezahlten Urlaubs und zahlreiche weitere Elemente des Arbeitsvertrags. Die Informationen müssen Arbeitnehmern individuell zwischen dem ersten Arbeitstag und spätestens dem siebten Kalendertag in Form eines oder mehrerer Dokumente schriftlich zur Verfügung gestellt werden. Bestimmte Informationen können individuell innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung mitgeteilt werden.
Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen
Ebenso werden Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen formuliert. Dazu zählen Informationen über die Höchstdauer einer Probezeit, Mehrfachbeschäftigung, die Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Zusatzmaßnahmen bei Abrufverträgen, der Übergang zu einer anderen Arbeitsform und sonstige Mindestanforderungen wie kostenlos möglichst während der Arbeitszeit anzubietende Pflichtfortbildungen. Das Nachweisgesetz sieht auch zukünftig zwingend die Schriftform für den zu erbringenden Nachweis vor, d. h. es reicht nicht aus, die Arbeitsbedingungen per E-Mail, PDF oder auch im Rahmen von sonstigen digitalen Dokumenten zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber muss das Nachweisdokument somit eigenhändig unterschreiben.
Einige neue Anforderungen werden sicherlich erst im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung konkretisiert werden. Ab dem 1. August 2022 ist z. B. das für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgebern und Arbeitnehmern „einzuhaltende Verfahren“ und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zu Erhebung einer Kündigungsschutzklage schriftlich niederzulegen. Auch wenn viele Arbeitsverträge bereits bisher bei den Kündigungsregelungen einen Hinweis auf die einzuhaltende Schriftform sowie die geltenden Kündigungsfristen erhalten haben, wird kaum ein Arbeitsvertrag eine Regelung aufgenommen haben, wonach die Kündigung wirksam ist, wenn der Arbeitnehmer die Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nach den §§ 4, 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) versäumt.
Bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen kann bei den Angaben zu Arbeitsentgelt, Arbeitszeit, Kündigung und Urlaub grundsätzlich auf die Regelungen des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter verwiesen werden. Ein Verweis ist jedoch im Einzelfall rechtlich zu prüfen. Er kann, insbesondere, wenn er im Arbeitsvertrag erfolgt, eine ungewollt weite Bindungswirkung entfalten. Auch ist ein Verweis nur dann hilfreich, wenn der Tarifvertrag die erforderliche Angabe nach dem Nachweisgesetz enthält – beispielsweise fehlt im Bundesrahmentarifvertrag der Hinweis auf die oben erwähnte Drei-Wochen-Frist laut dem Kündigungsschutzgesetz.
Sanktionen: Regelungen nicht auf die leichte Schulter nehmen
Insgesamt muss beachtet werden, dass bei einer Umsetzung der Angaben nicht in arbeitsrechtliche Stolperfallen getappt wird, beispielsweise das Direktionsrecht versehentlich eingeschränkt wird oder durch Verweise auf (Alt-)Regelungen diese „reaktiviert“ werden und damit Vertrauensschutz verloren geht. Aus diesen Regelungen folgt ein erheblicher Anpassungs- und Umsetzungsbedarf für Arbeitgeber. Sie sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn die EU-Regelung fordert die Mitgliedstaaten auf, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für die Nichtbefolgung festzulegen. Die Neuregelung des Nachweisgesetztes sieht daher vor, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der eine der genannten wesentlichen Vertragsbedingungen nicht richtig, nicht vollständig und in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig niederlegt. Ein Verstoß kann dann mit einer Geldbuße bis zu 2000 Euro einhergehen. Dies kann je nach Anzahl der Arbeitsverträge und Verstöße zu einer erheblichen Summierung führen. |
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