Praxis

PDE-5-Inhibitoren auf Rezept – alles klar?

Was es zu beachten gilt, wenn Sildenafil, Tadalafil und Co. verordnet sind

Die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln scheint klar geregelt zu sein. Aus dem Stegreif kann das pharmazeutische Personal in der Regel beantworten, dass zum Beispiel Blutdrucksenker wie Ramipril von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt werden – Appetitzügler hingegen nicht. Aber wie sieht es in Grenzbereichen aus, bei Produkten, die nur in bestimmten Fällen eine Kassenleistung darstellen und bei denen es nicht auf Anhieb erkennbar ist, wofür diese verwendet werden sollen? Die Gruppe der PDE-5-­Inhibitoren bietet zugleich Fallstricke und Möglichkeiten.

Männerprobleme aus der Apotheke: Ein 55-jähriger Erwachsener betritt die Apotheke und übergibt sein Kassenrezept. Verordnet ist Sildenafil, 100 mg, generisch. Über die eigene erektile Dysfunktion spricht wahrscheinlich niemand sonderlich gern; am HV-Tisch geht der Kundenblick bei Übergabe eines entsprechenden Rezepts nicht selten gen Boden. Doch nicht immer dienen die Inhibitoren der Phosphodiesterase 5 (PDE 5), die mittlerweile einen Standard zur Behandlung dieser Erkrankung darstellen, der Wiederherstellung der Erektionsfähigkeit. So sind z. B. Sildenafil und Tadalafil auch zugelassen zur Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH), wie zu erkennen ist an der abweichenden Dosierung und häufig meist auch am Handelsnamen. Im Falle von Tadalafil kommt zusätzlich noch die Behandlung der benignen Prostatahyperplasie hinzu, und gelegentlich wird das Mittel außerhalb seiner Zulassung auch zur Durchblutungsförderung im Bereich der Prostata postoperativ verordnet.

Doch wann zahlt nun die Kasse für das Präparat und wann muss ggf. auch ein Kassenrezept als Privatrezept behandelt werden, selbst wenn es sich um ein Muster-16-Kassenrezept handelt und faktisch vom pharmazeutischen Personal die sozialrechtliche Einordnung der Verordner oder der Verordnerin korrigiert werden?

Lösung: Im Falle der PDE-5-Hemmer Vardenafil und Avanafil muss in jedem Fall der oder die Versicherte die Kosten übernehmen, denn diese Wirkstoffe stehen in der Anlage II der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL). Hiernach sind Mittel zur Behandlung von erektiler Dysfunktion generell keine Leistung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Darüber hinaus sind „Lifestyle-Arzneimittel“ gem. § 34 Abs.1 Satz 7 SGB V, also Arzneimittel, die vordergründig der Erhöhung der Lebensqualität dienen, grundsätzlich von der Versorgung ausgeschlossen.

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Nicht unmöglich – PDE-5-Hemmer lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen zulasten der GKV abrechnen – ohne Retaxgefahr für die Apotheke.

Ausschluss nicht zwingend

Die Anlage II der AM-RL ergänzt diesen Paragrafen und benennt auch einzelne Wirkstoffe. Dabei ist zu beachten, dass es sich nicht zwingend um einen gänzlichen Ausschluss handeln muss: Bei Sildenafil kommt es beispielsweise auf die Dosierung an: Revatio® und entsprechende Generika enthalten pro Dosiereinheit 20 mg Wirkstoff, sind zugelassen zur Behandlung der PAH und können ohne Rücksprache zulasten der GKV abgerechnet werden. In Einzelfällen übernehmen die Krankenkassen die Kosten (aus rein wirtschaftlicher Abwägung) auch für die Produkte, die den Lifestyle-Arzneimitteln zugeordnet werden und höher dosiert sind, z. B. 25 mg Wirkstoff enthalten. Liegt ein entsprechendes Kassenrezept vor, empfiehlt sich eine Rücksprache mit dem Kunden oder der Kundin, ob bereits eine schriftliche Kostenübernahme der Krankenkasse vorliegt. Diese sollte auf jeden Fall vor der Abgabe eingeholt werden, denn ansonsten droht eine Retaxation. Das Apothekenpersonal ist hier grundsätzlich in der Prüfpflicht und auch ein ärztlicher Vermerk, wie notwendig das Produkt auch sei, reicht hier nicht aus.

Cave Lifestyle-Medikamente

Ein Beispiel aus einer ganz anderen Wirkstoffklasse der sogenannten Life­style-Medikamente ist Bupropion, das unter dem Handelsnamen Zyban® zur Rauchentwöhnung zugelassen ist. Wie ist es zu erklären, dass einige diesen Wirkstoff zulasten der Krankenkasse erhalten, andere wiederum selbst dafür aufkommen müssen? Aufgrund der Lifestyle-­Indikation unterliegt das Arzneimittel ebenfalls einem Verordnungsausschluss nach Anlage II AM-RL. In teilweise identischer Dosierung ist Bupropion als Elontril® (und Generika) für die Behandlung von Depressionen zulasten der GKV ver­ordnungsfähig.

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Auch Volon® A stellt einen Sonderfall dar: Große Unsicherheiten bestehen bei der Belieferung von Verordnungen, denn die Apotheken-EDV kennzeichnet das Arzneimittel grundsätzlich als Lifestyle-Arzneimittel. Können Kassen­rezepte dennoch mit der GKV abgerechnet werden? Die Anlage II listet Volon® A ausschließlich indikationsbezogen für die Behandlung von Alopecia areata, dem kreisrunden Haarausfall. Das Problem: Der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V sieht einen Lieferausschluss für namentlich in der Anlage II genannte Arzneimittel vor. Auf weitere verordnungsfähige Indikationen, darunter zahlreiche Hauterkrankungen, wird nicht in allen EDV-Systemen eingegangen. Die Furcht vor einer Retaxierung bewirkt offenbar, dass Apotheken vielfach die Belieferung solcher Kassenrezepte ablehnen und direkt zulasten der Versicherten abrechnen.

Tadalafil beim benignen Prostatasyndrom

Schwieriger ist Tadalafil zu handhaben: Für diesen Wirkstoff existiert, sofern es sich um ein Produkt mit 5 mg Wirkstoff handelt, eine Sonder­regelung: Gemäß AM-RL Anlage II ist Tadalafil in der Stärke 5 mg zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms bei erwachsenen Männern erstattungsfähig. Bei einer Verordnung von Tadalafil 5 mg gilt: Fehlt die Indikation auf dem Rezept (die aus Datenschutzgründen formal dort nicht stehen darf (!) und handelt es sich um ein Kassenrezept, ist von der Sonderregelung auszugehen und das Präparat soll zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie eingesetzt werden. Steht hingegen eine Indikation auf dem Rezept, greift bei Ersatzkassen die erweiterte Prüfpflicht der Apotheke: Steht z. B. auf dem Rezept „Zustand nach Prostatektomie“, „erektile Dysfunktion“ oder ggf. auch ein ICD-Code, der für eine der beiden Erkrankungen steht, muss das pharmazeutische Personal auch ein Kassenrezept als Privatrezept handhaben. Den Verfassern sind einzelne Krankenkassen bekannt, die bei Missachtung der erweiterten Prüfpflicht solche Rezepte auf Null retaxiert haben. Gleichermaßen hätte hier allerdings überhaupt kein Kassenrezept ausgestellt werden dürfen, und somit besteht für den Verordner oder die Verordnerin die Gefahr eines Regresses. Dies gilt auch, wenn die erektile Dysfunktion durch die Entfernung eines Prostatakarzinoms ausgelöst wurde. Auch diese Fälle sind den Verfassern bekannt. Ebenfalls kein Lifestyle-Arzneimittel ist Adcirca®. Zugelassen ist das Arzneimittel mit 20 mg Tadalafil für die Behandlung der PAH. Der identische Sachverhalt trifft für die auch erhältlichen generischen Varianten zu. |

Autoren

Dr. PH André S. Morawetz, Apotheker, Promotion an der Universität Bremen, aktuell tätig für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen

 

Saskia Ritter, Apothekerin, wissenschaft­liche Mitarbeiterin an der Universität Bremen im SOCIUM

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