Arzneimittel und Therapie

EPA ohne DHA wirksamer?

Ein Gastkommentar zu den widersprüchlichen Ergebnissen der Omega-3-Fettsäure-Studien

Prof. Dr. Dietmar Trenk

Die Präsentation der Ergebnisse der REDUCE-IT-Studie beim Jahreskongress der American Heart Association im November 2018 mit zeitgleicher Publikation der Ergebnisse im „New England Journal of Medicine“ [1] hat aufgrund der deutlichen Senkung des primären Endpunkts (Kombination aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt, nicht tödlichem Schlaganfall, erforderlicher Koronarrevaskularisation oder instabiler Angina pectoris) um 25% relativ oder 4,8% absolut durch die Behandlung mit 4 g Icosapent-Ethyl (IPA) täglich im Vergleich zur Kontrollgruppe große Überraschung in der Fachwelt hervorgerufen. Dies insbesondere, da eine zuvor publizierte Metaanalyse [2], eine Analyse der Cochrane-Collaboration [3] und ein Gutachten der EMA im zeitlichen Umfeld keinen Nutzen von Omega-3-Fettsäuren zumindest in der Sekundärprävention vaskulärer Ereignisse gesehen hatten.

Die aktuelle Metaanalyse von Khan und Mitarbeitern [4] zeigt eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität und anderer ischämischer Ereignisse sowohl unter Kombinationspräparaten mit Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) als auch unter EPA-Monopräparaten, wobei das Ausmaß des Nutzens unter EPA-Monopräparaten deutlich größer ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Überlegenheit der EPA-Monotherapie neben Daten der in Japan durchgeführten JELIS-Studie [5] überwiegend auf den Ergebnissen der REDUCE-IT-Studie beruht. In der randomisierten nicht verblindeten JELIS-Studie wurde eine Monotherapie mit 1800 mg EPA/Tag plus Statin mit einer alleinigen Statin-Behandlung verglichen, wobei die Dosierungen der Statine (10 mg Pravastatin, 5,6 mg Simva­statin) aus unserer Sicht ungewöhnlich niedrig waren.

Paraffinöl-Verdacht weit­gehend entkräftet

Die Diskussion der Ergebnisse der REDUCE-IT-Studie dauert auch zwei Jahre nach Erstpräsentation der Studie an. Als mögliche Hypothesen zur Erklärung der frappierenden Studienergebnisse von REDUCE-IT werden die Zusammensetzung des Arzneimittels (EPA ohne DHA), die hohe Dosierung von IPA (zweimal  täglich 2 g) mit einer ca. 17- bis 20%-igen Senkung der Triglyceride und ein möglicherweise prognostisch negativer Effekt in der Kontrollgruppe aufgrund der Verwendung von Paraffinöl in den Placebokapseln erörtert.

Ein theoretisch möglicher „Harm“ durch das Paraffinöl in den Placebokapseln wurde von den Autoren der REDUCE-IT-Studie in einer Reihe von Subgruppenanalysen weitest­gehend entkräftet. Ein negativer Effekt des Paraffinöls in der Kontrollgruppe wurde auch von den Zulassungsbehörden FDA und EMA als zu gering eingestuft, um den relativen Nutzen von IPA in REDUCE-IT zu erklären.

Die gemessene Senkung der Trigylceridwerte bei den mit IPA behandelten Patienten erklärt nicht den in REDUCE-IT beobachteten Nutzen, da dieser unabhängig von den Triglyceridwerten bei Einschluss in die Studie war, auch bei der Subgruppe von Patienten mit Triglyceridwerten im Normalbereich beobachtet wurde und unabhängig vom Ausmaß der Senkung dieses Laborparameters war. Bis dato konnte zudem mit anderen therapeutischen Konzepten zur Senkung von Triglyceriden (u. a. Fibrate, Nicotinsäure-Derivate) keine Prognoseverbesserung gezeigt werden.

Pleiotrope Effekte im Visier

Aktuelle Hypothesen gehen daher von pleiotropen Effekten der EPA (Membranstabilisierung der Gefäßzellen, antioxidative Effekte, Veränderung der Plaquestruktur und des Plaquevolumens) aus, wobei die genannten Effekte eher ungünstige Einflüsse der DHA auf diese Targets mehr als kompensieren [6]. Die hohe Dosierung von IPA in REDUCE-IT führt zu einem deutlichen Anstieg der EPA-Spiegel um nahezu 400% auf im Mittel 144 µg/ml in der Verumgruppe, die damit nahezu die in der JELIS-Studie gemessenen Werte erreichen. In Japan sind ernährungsbedingt die EPA-Spiegel per se höher. Der beobachtete Nutzen in REDUCE-IT ist mit den erreichten EPA-Spiegeln korreliert. In der aufgrund ausbleibendem Nutzen vorzeitig abgebrochenen STRENGTH-Studie (4 g Omega-3-Carbonsäuren als Gemisch von EPA/DHA) wurden nur deutlich niedrigere EPA-Werte (89,4 µg/mL) gemessen, und zudem wurden gleichzeitig auch die Konzentrationen von DHA bis in einen vergleichbaren Bereich erhöht [7].

Können diese Aspekte den deutlichen Nutzen von REDUCE-IT und die Wirksamkeitsunterschiede zu Gemischen der Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA erklären? Eine klinische Studie mit Vergleich von hochdosierter Monotherapie mit EPA und hoch dosiertem Gemisch von EPA und DHA würde eine direkte abschließende Bewertung ermöglichen. Da diese Studie wahrscheinlich nicht durchgeführt wird, hoffen wir, dass Daten aus Untersuchungen aus der Grundl­agenforschung uns helfen, die divergenten Studienergebnisse mit Omega-3-Fettsäuren noch besser zu verstehen. |

Literatur

[1] Bhatt DL et al. Cardiovascular Risk Reduction with Icosapent Ethyl for Hypertriglyceridemia. N Engl J Med 2019; 380:11–22

[2] Aung T et al. Associations of omega-3 fatty acid supplement use with cardiovascular disease risks: Meta-analysis of 10 trials involving 77 917 individuals. JAMA Cardiology 2018; 3: 225 – 34

[3] Abdelmeguid AE et al. Defining the appropriate threshold of creatine kinase elevation after percutaneous coronary interventions. Am Heart J 1996;131:1097–105

[4] Khan SU et al. Effect of omega-3 fatty acids on cardiovascular outcomes: A systematic review and meta-analysis. EClinicalMedicine 2021;38

[5] Yokoyama Y et al. Anticoagulation with or without antiplatelet therapy following transcatheter aortic valve replacement for patients with atrial fibrillation: A meta-analysis. Cardiovasc Revasc Med 2020

[6] Mason RP, Eckel RH. Mechanistic Insights from REDUCE-IT STRENGTHen the Case Against Triglyceride Lowering as a Strategy for Cardiovascular Disease Risk Reduction. Am J Med 2021;134:1085–90

[7] Nicholls SJ et al. Effect of High-Dose Omega-3 Fatty Acids vs Corn Oil on Major Adverse Cardiovascular Events in Patients at High Cardiovascular Risk: The STRENGTH Randomized Clinical Trial. JAMA 2020;324:2268–80

Prof. Dr. Dietmar Trenk, Universitätsklinikum Freiburg, Universitäts-Herzzentrum Campus Bad Krozingen, Klinik für Kardiologie und Angiologie II – Klinische Pharmakologie, Südring 15, 79189 Bad Krozingen

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