Arzneimittel und Therapie

Das Phänomen Heparin-Resistenz

Ausbleibende Wirkung kann von mehreren Faktoren abhängen

Heparin-Resistenz ist ein Phänomen, das häufiger anzutreffen ist. Der genaue Mechanismus ist unklar, auch ab wann von einer Heparin-Resistenz gesprochen wird, ist nicht klar definiert. Entscheidend sind patientenindividuelle Faktoren.

Unter Heparin-Resistenz versteht man die Unfähigkeit, eine ausreichende Antikoagulation trotz adäquater Heparin-Dosen zu erzielen bzw. die Erforderlichkeit sehr hoher Dosen, wobei der Grenzbereich nicht genau festgelegt ist. Meist tritt dieses Phänomen unter unfraktioniertem Heparin auf, dessen Wirkung durch regelmäßiges Monitoring überprüft werden muss. Aktuell wurde vermehrt von einer Heparin-­Resistenz bei schwer an COVID-19 erkrankten Patienten, die ein erhöhtes Thromboserisiko haben, berichtet.

Die Heparine werden in unfraktioniertes (Standard-Heparin, UFH) und fraktioniertes (niedermolekulares Heparin, NMH) Heparin unterteilt. Standard-Heparin verfügt über eine sehr heterogene Molekularmasse, weshalb die Pharmakokinetik sehr variabel ist. Deshalb erfordert eine entsprechende Therapie ein regelmäßiges Monitoring, bei dem unter anderem die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) gemessen wird. Einfacher in der Handhabung sind die niedermoleku­laren Heparine (z. B. Clexane®) – die Halbwertszeit ist länger, die Wirkung variiert weniger – ein routinemäßiges Monitoring entfällt in aller Regel.

Die Antikoagulation beruht in erster Linie auf der Aktivierung von Antithrombin, das unter anderem Thrombin und Faktor Xa irreversibel hemmt, so dass die Fibrin-Bildung unterdrückt wird. Dabei ist für die Thrombin-­Hemmung ein ternärer Komplex aus Heparin, Antithrombin und Thrombin notwendig, der sich mit zunehmender Heparin-Länge bildet. Zur Hemmung des Faktors Xa ist eine alleinige Bindung von Heparin an Antithrombin ausreichend. Daher hemmt UFH sowohl Thrombin als auch Faktor Xa in gleichem Maße – bei NMH steht die Faktor-Xa-Hemmung im Vordergrund. Ab wann von einer Heparin-Resistenz gesprochen wird, ist nicht eindeutig definiert – oft wird ab einer Dosis von > 35.000 IE/Tag UFH eine Heparin-­Resistenz in Erwägung gezogen.

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Diagnostik

Um die Heparin-Antikoagulation zu steuern, stehen verschiedene Testmöglichkeiten zur Verfügung. Am häufigsten wird die aPTT herangezogen – die zur Überprüfung des endogenen Gerinnungssystems dient. Der Normwert liegt bei 20 bis 40 Sekunden – unter Heparin-Therapie sollte der Ausgangswert auf das Zwei- bis Dreifache verlängert sein. Dabei kann ein Mangel an Fibrinogen oder dem Gerinnungsfaktor VIII das Ergebnis beeinflussen. Als weitere Testmöglichkeiten stehen die Messung der aktivierten Koagulationszeit (activated clotting time, ACT) und chromogene Assays zur Bestimmung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität zur Verfügung.

Resistenz-Mechanismen

Eine Heparin-Resistenz zu identifizieren, basiert sowohl auf Labor- als auch auf klinischen Daten. Es sind mehrere Mechanismen denkbar, die der Heparin-Resistenz zugrunde liegen. Dabei spielen wirk- und patientenspezifische Merkmale eine Rolle.

Unspezifische Bindung. Stark negativ geladene Heparin-Moleküle binden an verschiedene Proteine, u. a. an Plättchenfaktor 4, Histidin-reiches Glykoprotein, Von-Willebrand-Faktor, Faktor VIII und Fibrinogen. Insbesondere die langkettigen Polymere des unfraktionierten Heparins binden an diese und beeinflussen das patientenindividuelle Ansprechen und die erforderlichen Heparin-Dosen.

Antithrombin-Mangel. Ein Mangel an Antithrombin ist einer der häufigsten Ursachen für eine Heparin-Resistenz. Insbesondere Lebererkrankungen, Sepsis, die akute disseminierte intravasale Gerinnung, eine Asparaginasetherapie oder die extrakorporale Membran-Oxygenierung (ECMO) führen zu einer erniedrigten Antithrombin-Konzentration. Bekannt ist, dass Patienten, die einen kardiopulmonaren Bypass erhalten und hohe Heparin-Dosen benötigen, von einer Antithrombin-Supplementierung profitieren.

Weitere Faktoren. Auch Plättchen-spezifische Interaktionen spielen eine Rolle bei der Entstehung einer Heparin-Resistenz – so kann die Antikörper-Bildung getriggert und eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie ausgelöst werden, welche als Erklärung einer Resistenz bekannt ist. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass Patienten mit COVID-19 oder anderen akuten entzündlichen Erkrankungen erhöhte Konzentrationen an Faktor VIII und Fibrinogen aufweisen – die aktivierte partielle Thromboplastinzeit wird verkürzt, was höhere Dosen an UFH nötig macht. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass unter Andexanet alpha zur Aufhebung der Wirkung von Apixaban oder Rivaroxaban, übermäßig hohe Dosen an unfraktioniertem Heparin erforderlich sind.

Test und Therapie

Wenn eine Heparin-Resistenz vermutet wird, kann die Bestimmung der Anti-Faktor-Xa-Konzentration genutzt werden, um die Heparin-Level zu ermitteln. Wenn das Anti-Faktor-Xa-Level niedrig ist, sollte die Dosis von UFH pro ml um 0,3 bis 0,7 IE erhöht werden, um den erwünschten Zielbereich zu erlangen. Bei niedrigen Antithrombin-Spiegeln kann eine Supplementierung in Erwägung gezogen werden – wobei die Datenlage zum klinischen Nutzen außerhalb der Herzchirurgie rar ist. Bei kritisch kranken Patienten und dem erhöhten Risiko einer Heparin-Resistenz sollte die Gabe von direkten Thrombin-Hemmern (z. B. Argatroban), dessen Wirkung unabhängig von Antithrombin ist, in Betracht kommen. |

Literatur

Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler – Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2019

Levy JH, Connors JM. Heparin Resistance – Clinical Perspectives and Management Strategies. N Engl J Med 2021;385:826-832

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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