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Noch einmal gut gegangen?

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Fünf Jahre ist es her, dass sich der Europäische Gerichtshof mit der deutschen Arzneimittelpreisbindung beschäftigte. Am 19. Oktober 2016 verkündeten die Luxemburger Richter ihre Entscheidung, die damals einschlug wie eine Bombe – und das gleich in mehrfacher Weise. Ausländische Versandapotheken sollen demnach beim Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln deutschen Patienten Boni gewähren dürfen. Denn vom Preiswettbewerb hänge es für die Versender ab, ob sie einen unmittelbaren Marktzugang finden und auf diesem mit den „traditionellen Apotheken“ wettbewerbs­fähig bleiben können.

Der Marburger Apothekenrechtsexperte Dr. Elmar Mand bezeichnete das Urteil in spöttischer Weise als ein „wahres Meisterstück“ des EuGH (DAZ 2016, Nr. 43, S. 18). Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling sprach sogar von einem „juristischen Betriebsunfall“ und stellte detailliert dar, inwiefern die Richter der Ersten Kammer gleich eine ganze Reihe handwerklicher Fehler gemacht haben (DAZ 2017, Nr. 4, S. 26). Was die Juristen vor allem kritisierten, ist die Tatsache, dass mit dem Urteil die Interessen eines europäischen Binnenmarkts deutlich über die einer solidarischen Arzneimittelversorgung gestellt werden. Ein Preiswettbewerb zwischen Leistungserbringern wird nicht nur in Kauf genommen, sondern bewusst provoziert, um Anbietern mit „eingeschränktem Leistungsangebot“ den Zugang zu deutschen Patienten zu ermöglichen. Die krude Logik der EuGH-Richter gipfelt darin, dass das Schlechtersein der Versandapotheken als „ungleiche Betroffenheit“ ausgelegt wird und daraus ein Anspruch des Schlechteren auf Erfolg im Wettbewerb konstruiert wurde. Doch liegt das Schlechtersein nicht in der eigenen Verantwortung der Versandapotheken? Und besteht die Idee des Wettbewerbs nicht gerade darin, dass der Bessere und nicht der Schlechtere gewinnen soll?

Die juristische Aufarbeitung dieser (Fehl-)Entscheidung ist das eine. Viel gravierender für die Apotheken und für das ganze System sind allerdings die politischen Nachwehen. Denn auf das EuGH-Urteil folgte eben nicht die angemessene Reaktion des Gesetzgebers in Form eines Rx-Versandverbots. Die neoliberale Duftwolke aus Luxemburg und Brüssel (Die EU-Kommission führte über Jahre hinweg ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik aufgrund der Arzneimittelpreisbindung!) war inzwischen offenbar in fast alle Fraktionen des Bundestags gezogen. Die Zahl der Unterstützer eines Rx-Versandverbots wurde von Jahr zu Jahr kleiner – maßgeblich auch, weil sich die ABDA von dieser zentralen Forderung immer weiter entfernte. Nach der fast schon an Naivität grenzenden Zuversicht während des EuGH-Verfahrens, die Richter würden die deutsche Preisbindung für Rx-Arzneimittel mit großer Wahrscheinlichkeit bestätigen, folgte mit der standespolitischen Abkehr vom Rx-Versandverbot der zweite große Fehltritt. Dieser Richtungswechsel verstörte und erschütterte nachhaltig das Vertrauen der Apothekerinnen und Apotheker in ihre Standesvertretung. Bis heute bleibt es ein wohlgehütetes Geheimnis, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Hinterzimmergesprächen auf die ABDA-Spitze eingewirkt haben muss und was er wirklich in Aussicht stellte.

Fünf Jahre ist das EuGH-Urteil nun her, und die Frage, ob das alles noch einmal gut gegangen ist, bleibt offen. Mit der Rx-Boni-Regelung wurde ein äußerst fragiles Konstrukt geschaffen, das die Versender sicher nicht auf Dauer akzeptieren werden. Im Hinblick auf das E-Rezept und im Kampf um Marktanteile werden Rabatte und Zuwendungen wieder eine Rolle spielen. Rechtssicherheit sieht anders aus.

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