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Arzneimittel und Therapie
Erst Gentest, dann Therapie?
Warum eine Genotypisierung vor einer Tamoxifen-Behandlung Sinn machen könnte
Tamoxifen zählt zur Gruppe der Prodrugs – erst durch die Verstoffwechselung durch CYP2D6 erfolgt die Umwandlung in den aktiven Metaboliten 4-Hydroxy-N-Desmethyl-Tamoxifen (Endoxifen). Endoxifen wirkt in vitro stark antiestrogen und bindet im Vergleich zu Tamoxifen mit ungefähr 100-facher Affinität an den Estrogen-Rezeptor. Hat eine Patientin eine niedrige bis fehlende CYP2D6-Aktivität, zeigen sich stark reduzierte Endoxifen-Konzentrationen im Blut. Die Frage, ob diese genetischen Unterschiede an CYP2D6 das klinische Ergebnis der adjuvanten Tamoxifen-Behandlung beeinflussen könnten, scheint nach all den Jahren Tamoxifen-Therapie noch nicht vollends geklärt. Die Studienlage dazu ist kontrovers – zudem mangelte es bisher an ausreichend belastbaren Studiendesigns.
Gene im Fokus
Eine internationale Forschergruppe aus Schweden und China wollte diese Frage nun mit einer Sekundäranalyse klären. Die Daten dazu stammten aus der KARISMA-Studie. Eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, multizentrische Studie zur Ermittlung der optimalen Tamoxifen-Dosis für die Prävention von Brustkrebs. An der KARISMA-Studie waren 1440 gesunde Frauen beteiligt, die am Mammografie-Screening-Programm in zwei schwedischen Mammografie-Einrichtungen in Stockholm und Lund teilnahmen. Die Frauen wurden randomisiert auf sechs Studienarme aufgeteilt und erhielten sechs Monate lang entweder Placebo oder Tamoxifen in unterschiedlichen Dosierungen (1 mg, 2,5 mg, 5 mg, 10 mg oder 20 mg). Zu Beginn wurde bei jeder Teilnehmerin ein Mammogramm erstellt, sie beantwortete Fragen zu Hintergrundfaktoren und gab eine Blutprobe ab. Der primäre Endpunkt war die Veränderung der mammografischen Dichte nach einem halben Jahr.
Wenn Codein nicht wirkt
Anders als bei den meisten Arzneimitteln, bei denen eine verringerte oder fehlende Enzymdichte zur Kumulation des Wirkstoffes und damit zu einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen führt, verhält es sich bei Codein: Dieses wird durch CYP2D2 in den aktiven Metaboliten Morphin umgewandelt. Bei CYP2D2-Mangel wird langsamer aktives Morphin gebildet, und der analgetische / antitussive Effekt fällt geringer aus als bei schnelleren Metabolisierern.
Dreifach höhere Wirkspiegel ...
In der nun veröffentlichten Sekundäranalyse wurden die Daten von Frauen im Alter zwischen 40 und 74 Jahren aus den Tamoxifen-Armen auf das Therapieansprechen mit Hinblick auf den CYP2D6-Metabolisierer-Status (langsame, intermediäre, schnelle und ultraschnelle Metabolisierer, s. Abbildung) erneut untersucht. Die Ergebnisse untermauern den Bedarf einer Genotypisierung vor der Behandlung mit Tamoxifen.
Die Analyse des primären Endpunkts zeigte keine Verringerung der mammografischen Dichte bei Patientinnen mit langsamem Metabolismus. Im Vergleich dazu war die Verringerung der mammografischen Dichte bei den ultraschnellen Metabolisierern signifikant. Auch konnten im Blut dieser Gruppe mit 0,67 ng/ml Endoxifen teils dreifach höhere Endoxifen-Spiegel gemessen werden (langsame Metabolisierer: 0,18 ng/ml; intermediäre Metabolisierer: 0,38 ng/ml; schnelle Metabolisierer: 0,56 ng/ml). Die Ergebnisse legen nahe, dass bei Patientinnen mit ultraschnellem Metabolismus mit einer besseren therapeutischen Wirkung von Tamoxifen gerechnet werden kann.
... und mehr Nebenwirkungen
Die erhöhten Endoxifen-Spiegel sind auch ein Indiz dafür, wie stark sich Nebenwirkungen äußern. Die endokrinen Symptome der Studienteilnehmerinnen wurden anhand eines 18-Punkte Fragebogens (angelehnt an den FACT-ES) erhoben. Im Vergleich zu weniger effizienten Metabolisierern traten in der Gruppe der ultraschnellen Metabolisierer signifikant mehr Tamoxifen-typische Symptome auf, wie Kälte- und Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und/oder Reizbarkeit. Folglich brachen in dieser Gruppe mit 29,6% deutlich mehr Frauen die Tamoxifen-Therapie innerhalb des ersten Monats ab als innerhalb der anderen Gruppen (langsame Metabolisierer: 9,5%; intermediäre Metabolisierer: 10,2%; schnelle Metabolisierer: 16,1%). Der Grad der Nebenwirkungen nimmt großen Einfluss auf die Lebensqualität der Patientinnen und die Therapie-Adhärenz. Und ohne ausreichende Adhärenz steigt die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv.
Fazit
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass der genetische Hintergrund von Frauen eine wichtige Rolle für eine gute Therapie-Adhärenz spielen kann. Es ist anzunehmen, dass Patientinnen des Ultrarapid-metabolizer-Typs künftig vielleicht mit niedrigeren Tamoxifen-Dosen behandelt werden sollten. Gleichzeitig könnte der Einsatz von Tamoxifen bei Patientinnen mit fehlender CYP2D6-Aktivität überflüssig werden, da der therapeutische Nutzen erst bei ausreichender Endoxifen-Konzentration im Blut gegeben ist. |
Literatur
Geisslinger G, Menzel M, Gudermann T, Hinz. B, Ruth P. Mutschler – Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
He W et al. CYP2D6 genotype predicts tamoxifen discontinuation and drug response: a secondary analysis oft he KARISMA trial, Annals of Oncology 2021, doi: 10.1016/j.annonc.2021.07.005
Nagele P et al. Genetic variation, -blockers, and perioperative myocardial infarction. Anesthesiology, 115: 1316-1327, 2011
Schwab M et al. Pharmakogenetik der Zytochrom-P-450-Enzyme. Bedeutung für Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Dtsch Ärztebl, 99(8) A-497/B-400/C-377, 2002
2 Kommentare
Antwort auf Ihre Frage zur Grafik
von DAZ-Redaktion am 08.10.2021 um 12:17 Uhr
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Artikel DAZ 2021, Nr. 40, S. 24, 07.10.2021
von Jürgen Barth am 08.10.2021 um 8:37 Uhr
DAZ 2021, Nr. 40, S. 24, 07.10." data-comment-identifier="e04bf105-45bd-467f-b6fb-58461092d45d">» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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