DAZ aktuell

Die SMC-B-Karte als Nadelöhr

Kommen auf die Apotheken Organisationsprobleme und Wettbewerbsnachteile zu?

eda | Pro Betriebserlaubnis eine SMC-B-Karte – nach dieser Devise handeln wohl die meisten Apothekerkammern bei der Ausgabe der Institutionskarten an ihre ­Mitglieder. Doch manche Apotheken, die neben ihrer Offizintätigkeit auch Sterilherstellung, Heimversorgung oder Versandhandel ­betreiben, ­äußern den Wunsch, mit mehr als einer SMC-B-Karte gleichzeitig ­arbeiten zu dürfen. Sie fürchten Ausfallrisiken, Organisationsprobleme, Wettbewerbsnachteile und technische Limita­tionen, sollten die Kammern weiterhin nur eine SMC-B-Karte pro Mitglied gestatten.
Foto: luismolinero / AdobeStock

Bisher ist von den Kammern vorgesehen, jede Apotheke mit nur einer SMC-B-Karte zu versorgen. Höchstens als Back-up-Lösung oder wenn die räumlichen Gegebenheiten es erfordern, gibt es eine zweite Karte.

Je näher der Termin für die Einführungspflicht der E-Rezepte rückt (nach aktuellem Stand: 1. Januar 2022), umso häufiger hört man von bisher ungeklärten Fragestellungen. Ein zentrales Problem für die Vor-Ort-Apotheken könnte sich aus der Anzahl der SMC-B-Karten ergeben, die von den Apothekerkammern an die Betriebe ausgegeben werden. Zur Erklärung: Um als Apotheke innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) identifiziert und adressiert werden zu können, benötigt man eine Identifikationsnummer. Diese sogenannten Telematik-IDs sind auf den jeweiligen SMC-B-Karten hinterlegt.

Doch in vielen Fällen könnte es notwendig sein, dass Apotheken über mehrere SMC-B-Karten verfügen müssen, weil in vielen Betrieben schon heute ankommende Verordnungen beispielsweise in verschiedenen E-Mail-Postfächern landen. Mit nur einer SMC-B-Karte halten manche Apothekeninhaberinnen und -inhaber diese Differenzierung für nicht mehr möglich.

Darüber hinaus könnte es zu einem technischen Defekt kommen, der einen Ausfall der SMC-B-Karte herbeiführt. Eine neue SMC-B-Karte zu beantragen und zu erhalten, dauert bekanntlich mehrere Wochen. In dieser Wartezeit bliebe den betroffenen Betrieben der Zugang zu diesen und allen anderen TI-Anwendungen in dieser Zeit verwehrt. Betroffene Apotheken wären dann nicht in der Lage, ­ihrem Versorgungsauftrag nachzukommen.

Digitale und analoge „Postfächer“

Foto: Sascha Swiercz

„Es existiert nicht die Standard-Apotheke“ – Erik Tenberken betreibt in Köln zwei Apotheken und ist darüber hinaus im Bereich der Sterilherstellung, Verblisterung, Heimbelieferung und des Versandhandels tätig.

Betriebe, die sich neben ihrer Offizintätigkeit auch in der Sterilherstellung, der Heimversorgung oder dem Versandhandel betätigen, könnten also womöglich auf mehrere SMC-B-Karten (mit unterschiedlichen Telematik-IDs) angewiesen sein. Diese Auffassung scheinen immer mehr Apothekeninhaberinnen und -inhaber zu vertreten. Einer von ihnen ist Erik Tenberken aus Köln, der sich neben seiner Birken- und Westgate-Apotheke auch im Bereich der Sterilherstellung, Verblisterung und Heimbelieferung engagiert. Hinzu kommen die Betreuung von bestimmten Patientengruppen – beispielsweise im Rahmen einer Substitutionsbehandlung – und der Betrieb eines Versandhandels. „All diese Organisationsbereiche in meinem Unternehmen können von den beiden SMC-B-Karten nicht ab­gedeckt werden“, erklärt Tenberken gegenüber der DAZ.

Das Ausfallrisiko sei für ihn ein wichtiger, aber eben auch nur einer von mehreren Aspekten. Denn es gehe auch um die Organisation der E-Rezepte. Bisher laufe das alles über digitale und analoge „Postfächer“, in die Anforderungen und Verordnungen eingehen. Und diese Prozesse seien aktuell noch auf das Muster-16-Papierrezept zugeschnitten.

Die seit vielen Jahren eingespielten Arbeitsabläufe – sowohl intern als auch mit externen Partnern – müssen sich daher seiner Meinung nach auch in der Sichtbarkeit in der TI ergeben. Es sei naiv und höchst gefährlich, diese Datenströme nur über einen SMC-B-legitimierten Zugang laufen zu lassen. „Wenn das so kommt, dann schaffen wir uns ein gefährliches Nadelöhr“, warnt Tenberken. Er habe aus verlässlicher Quelle erfahren, dass die großen EU-Arzneimittelversender wie DocMorris und Shop Apotheke jeweils rund 30 SMC-B-Karten im Einsatz haben werden. Auch, weil es pro SMC-B-Karte eine „Durchsatzobergrenze“ gibt. Nach Informationen der DAZ liegt diese bei etwa 2000 non-QES-Signaturen pro Stunde.

Technische Alternativlösungen

Klaus Laskowski, Justiziar und stellvertretender Geschäftsführer der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), sieht jedenfalls derzeit keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür, dass für Teileinheiten der Apotheke (beispielsweise einen Versand-Shop) eigenständige SMC-B-Karten ausgegeben werden können. Es sei beispielsweise auch wichtig, dass die Apotheke immer ihrer Telematik-ID zugeordnet werden kann, so Laskowski. Zudem sieht er andere Wege, um etwaige organisatorische Probleme in den Apotheken lösen zu können. Bei entsprechenden Anfragen an die Kammer weist Laskowski etwa auf mögliche technische Lösungen durch das betreuende Softwarehaus oder das DAV-Apothekenverzeichnis hin. Zur Erinnerung: Der DAV hat von der Gematik den Auftrag, für die E-Rezept-App eine digitale Liste aller Apotheken zu erstellen. In diesem Verzeichnis können die einzelnen Apotheken angeben, ob sie Serviceangebote, wie Botendienst, Click&Collect oder Versandhandel anbieten. Durch einen entsprechenden Filter in der App könnten Apotheken mit Versandhandelserlaubnis von den Nutzern gezielt gesucht und gefunden werden. Für den Bereich der BLAK gibt der Jurist an, dass in einigen wenigen Fällen zweite SMC-B-Karten ausgegeben wurden, und zwar dann, wenn manche Apotheken aufgrund räumlicher Gegebenheiten auf eine zweite TI-Ausstattung angewiesen sind, beispielsweise bei ausgelagerten Lagerräumen im Rahmen der Krankenhausversorgung und dies technisch nicht anders zu lösen war. Die Beantragung einer Zweitkarte sieht er aber im Hinblick auf den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Apotheke als sinnvoll an, solange der Gesetzgeber keine Back-up-Lösung für den Defekt oder Ausfall der IT-Komponenten geschaffen hat.

Unterstützt wird diese Auffassung auch vonseiten der Apothekensoftwareanbieter. Die DAZ sprach mit Lars Polap, Pharmatechnik-Geschäftsführer und Vorstand des ­Bundesverbands der Apothekensoftwarehäuser (ADAS). Polap versichert, dass man die E-Rezept-Schlüssel ­(„Tokens“) mithilfe der Apothekensoftware verschiedenen Benutzern und Organisationsbereichen in der Apotheke zuordnen könne, ohne auf verschiedene SMC-B-Karten und Telematik-IDs zugreifen zu müssen.

Gematik für die Ausgabe mehrerer SMC-B-Karten

Die Gematik erklärt auf DAZ-Anfrage, dass man zwar nach § 340 Abs. 4 SGB V die Aufgabe habe, die Ausgabe der SMC-B-Karten an die Versender vorzunehmen. Dazu gehöre auch die Option zur Beantragung mehrerer SMC-B-Karten. Doch wie viele Karten je Versender konkret ausgeliefert wurden, beziffert die Gematik nicht. „Fragen nach Zahlen zu Bestellungen bzw. Auslieferungen betreffen vertragliche Details mit unseren Partnern. Dazu können wir Ihnen leider aus Datenschutzgründen keine nähere Auskunft […] geben“, heißt es aus Berlin.

Für sinnvoll hält die Gematik die Verwendung mehrerer SMC-B-Karten aber in jedem Fall. Apotheken, in denen neben dem persönlichen Kundenkontakt auch eine Zyto- bzw. Sterilherstellung, Heimversorgung oder Versandhandel läuft, könnten davon profitieren, zur eindeutigen Adressierung mehrere Telematik-IDs zu nutzen, erklärt eine Sprecherin. Dies sei im Gesetzestext explizit vorgesehen. Der elektronische Verzeichnisdienst umfasst nach § 313 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch die organisatorischen Einheiten von Leistungserbringern. Vor diesem Hintergrund spricht die Gematik gegenüber der DAZ die explizite Empfehlung aus, dass Kammern ihren Mitgliedern die Möglichkeiten schaffen, mehrere SMC-B-Karten auszu­geben.

Erik Tenberken kann und will die Haltung der Standesvertretung nicht akzeptieren, vor allem deshalb nicht, weil § 313 Abs. 1 Satz 2 SGB V ja ausdrücklich die „Identifikation und Adressierung von […] organisatorischen Einheiten von Leistungserbringern“ einschließt. Der Bedarf mehrerer SMC-B-Karten ergebe sich daraus, dass Apotheken sich zunehmend differenzierten, um den Menschen Mehrwerte zu bieten. „Es existiert nicht die Standard-Apotheke, die sich die ABDA wünscht“, betont Tenberken. Am Beispiel der SMC-B-Karten zeige sich für ihn, wie sehr die Apothekerschaft in Fragen der digitalen Zukunftsgestaltung im Standesdünkel gefangen ist. |

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