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Ausländische Versender haben von Boni profitiert
Arzneimittelpreisbindung im Blick der Wissenschaft
Die Arzneimittelpreisbindung soll Patienten vor Überforderung und Apotheken vor ruinösem Wettbewerb schützen. Denn Boni könnten die Patienten zu anderen Apotheken locken. Wenn sie zu ausländischen Versendern abwandern, fehlen den Apotheken im Inland Umsätze und Erträge. Damit würde die flächendeckende Versorgung gefährdet. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht erscheint interessant, diesen Effekt empirisch zu untersuchen. Kritiker bezweifeln den Zusammenhang und der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Oktober 2016 in seinem Urteil zur Arzneimittelpreisbindung bemängelt, dass die deutsche Bundesregierung die Notwendigkeit der Preisbindung für das System nicht genügend begründet hatte. Dagegen lässt sich einwenden, dass dies ein Experiment erfordern würde, das die Preisbindung abschafft. Wenn das System dann zerstört würde, käme die Erkenntnis zu spät.
Interessantes Feld für die Wissenschaft
Doch die zeitweilig zulässigen Boni der ausländischen Versender nach dem EuGH-Urteil und das spätere Verbot der Boni für GKV-Patienten durch das VOASG eröffnen nun Möglichkeiten, die Folgen für die Apotheken zu untersuchen. Aus der Perspektive von Professor Götz stellt das VOASG dafür ein geeignetes Experiment dar. Götz hat bereits die Buchpreisbindung untersucht und sieht durch die jüngste Entwicklung nun eine wissenschaftliche interessante Studienmöglichkeit im ebenfalls preisregulierten Arzneimittelmarkt. Seine Studie zu diesem Thema wird durch Drittmittel des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe unterstützt. Bei der Mitgliederversammlung des Verbandes am 8. September in Münster hatte Götz sein Projekt erstmals der Berufsöffentlichkeit vorgestellt. Er betonte, dass dies als ergebnisoffene und unabhängige Forschung angelegt ist.
Wirkung des Boni-Verbots
Im ersten Schritt geht es dabei um den Effekt der Boni von ausländischen Versendern, die durch das EuGH-Urteil vom Oktober 2016 für zulässig erklärt wurden. In den Verkaufsdaten der ausländischen Versender, die bis 2018 vom Marktforschungsunternehmen IQVIA zur Verfügung gestellt wurden, hat Götz diesen Strukturbruch analysiert. Dabei hat er einen signifikanten Sprung in den Absätzen und Umsätzen von Rx-Arzneimitteln gefunden. Gemäß dieser Analyse setzt die Veränderung bereits einige Monate vor dem Urteil ein. Dies würde zu der Beobachtung passen, dass schon vor dem Urteil mit Boni geworben wurde. Daraufhin folgert Götz: „Die Versandapotheken scheinen durch den Wegfall des Boni-Verbots in Form höherer Umsätze und Absätze profitiert zu haben.“
Breite Datenbasis
Im zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob sich Umsätze nach dem Inkrafttreten des VOASG zu den Vor-Ort-Apotheken zurückverlagert haben. Dies untersucht Götz anhand von Daten aus Vor-Ort-Apotheken. Er wertet dazu über die Anbieter einiger Warenwirtschaftssysteme etwa 2,5 Milliarden Transaktionsdaten von Apotheken aus, die jeweils auf der Ebene der ersten zwei Postleitzahlenziffern zusammengetragen werden. Abhängig von der Region werden damit 20 bis 80 Prozent der Apotheken erfasst. In dieser großen Datenbasis sieht Götz einen wesentlichen Unterschied zu früheren Untersuchungen im Apothekenmarkt.
Analyse zum VOASG
Der Marktanteil der Versender ist zwar zu klein, um den Effekt des VOASG in den Umsatzdaten der Vor-Ort-Apotheken direkt nachzuweisen, weil er von anderen Entwicklungen überlagert wird. Doch Götz und sein Team betrachten in einer Differenz-in-Differenzen-Analyse den Unterschied zwischen GKV- und PKV-Umsätzen. Denn mit dem VOASG wurden den ausländischen Versendern Boni für GKV-Patienten untersagt, nicht jedoch für PKV-Patienten. Ein Unterschied zwischen den Entwicklungen bei GKV- und PKV-Patienten sollte daher aussagekräftig sein. In einer ersten Analyse sieht Götz nun Hinweise, dass sich das Verhältnis des Absatzes von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Vor-Ort-Apotheken zwischen GKV- und PKV-Patienten mit dem Inkrafttreten des VOASG verändert hat. Dieses Verhältnis sollte unabhängig von anderen Entwicklungen und damit aussagekräftig für die hier interessierende Fragestellung sein. Demnach hätten die Vor-Ort-Apotheken beim GKV-Umsatz im Vergleich zum PKV-Umsatz vom Wegfall der Boni profitiert. Götz betrachtet diese Aussagen derzeit allerdings noch mit großer Vorsicht. In weiteren Analysen sollen mögliche Störgrößen ausgeschlossen werden.
Ergebnisse im Frühjahr erwartet
Außerdem plant Götz weitere empirische Untersuchungen zu Arzneimittelpreisen. Beispielsweise möchte er die Preiselastizität der Nachfrage analysieren. Wenn eine Apotheke den Preis für ein OTC-Arzneimittel erhöht, wandern Kunden ab. Doch wie viele Kunden sind das in Abhängigkeit vom Ausmaß der Preisänderung? Arzneimittel sind dabei für die Wirtschaftswissenschaft ein interessantes Forschungsgebiet, weil die Gesamtnachfrage auch bei sinkenden Preisen nicht steigt. Denn die Menschen brauchen deswegen nicht mehr Arzneimittel, die Gesamtnachfrage ist also unelastisch. So lässt sich die Verlagerung der Nachfrage gut erfassen. Für das kommende Frühjahr erwartet Götz publikationsreife Ergebnisse. Diese sollten sowohl Erkenntnisse für die Wirtschaftswissenschaft als auch für die politische Diskussion rund um die Apotheken bieten. |
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