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Hormontherapie

Natürlich durch die Wechseljahre?

Ein kritischer Blick auf bioidentische Hormone zur Symptomlinderung

Jede Frau betreffen sie irgendwann: die Wechseljahre. Die Hormonumstellung stellt einen Wendepunkt in ihrem Leben dar. Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen können diesen Übergang zur Qual machen. Nach wie vor ist eine Hormontherapie das effektivste Mittel gegen die Beschwerden. Verunsichert durch die möglichen Risiken einer solchen Behandlung wenden sich viele Frauen einer Therapie mit bioidentischen Hormonen zu. Das Konzept verspricht Linderung ihrer Symptome ohne Nebenwirkungen. Eine kritische Betrachtung dieser Versprechungen ist angebracht. | Von Tony Daubitz

Das Jahr 2002 stellt einen Schlüsselmoment für die Hormontherapie in den Wechseljahren dar. Die Nachricht vom Abbruch der Women’s Health Initiative (WHI)-Studie schlug in der Fachwelt und in den Medien wie ein Blitz ein. Die mit 16.000 Teilnehmerinnen bis dahin größte Studie zum Thema der Hormontherapie im Klimakterium musste abgebrochen werden, weil die Behandlung mit konjugierten equinen Estrogenen und Medroxyprogesteronacetat das Risiko für Brustkrebs, koronare Herzkrankheit, Schlaganfälle und Thrombosen erhöhte [1]. Unter den Ärzten und Frauen war – und ist immer noch – die Verunsicherung groß. Infolge sind die Verordnungen für die Hormonpräparate deutlich zurückgegangen. Nur noch 6,2% der betroffenen Frauen wurde im letzten Jahr eine Hormontherapie verordnet [2]. Seit dem WHI-Debakel haben sich unzählige weitere Studien und Analysen mit diesem Thema befasst und zeichnen mittlerweile ein differenzierteres Bild der Sachlage. Eine spätere Nachbeobachtung der berüchtigten Studie bspw. ergab, dass die damals untersuchte Hormonbehandlung sowie eine Monotherapie mit konjugierten equinen Estrogenen in der Nachbeobachtungszeit von 18 Jahren nicht mit einer erhöhten Mortalität, sei es durch Krebs oder kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden waren [3]. Eine Subgruppen-Analyse offenbarte, dass vor allem jüngere Frauen im Alter von 50 bis 59 Jahren das geringste Risiko für unerwünschte Ereignisse aufwiesen.

Trotz deutlicher Fortschritte im Verständnis der Risiken und des Nutzens einer Hormonbehandlung hat die Kontroverse um die Therapie nachhaltig Spuren hinterlassen und Frauen suchen nach alternativen Therapieansätzen in den Wechseljahren. Seit einigen Jahren verspricht die Behandlung mit sogenannten bioidentischen Hormonen einen goldenen Mittelweg: eine sanfte, natürliche Hormontherapie. Der hierzulande prominenteste Vertreter ist die patentierte Rimkus®-Methode, entwickelt durch den Gynäkologen Dr. Volker Rimkus [4]. Es handelt sich um ein erfahrungsmedizinisches Behandlungskonzept des Arztes. Die Erfahrungsmedizin benötigt laut Erfinder keine Studien und beruht auf den positiven Erfahrungen aus seiner Praxis [4]. Die Bezeichnung „bioidentisch“ rührt daher, dass die verwendeten Hormone die gleiche chemische Struktur aufweisen wie die vom Körper produzierten endogenen Hormone. Die Unterstützer der bioidentischen Hormone argumentieren, dass durch eine fehlende chemische Derivatisierung bei einer korrekten Anwendung keine Nebenwirkungen mehr zu erwarten sind – ganz im Gegenteil zu den synthetischen Verwandten. Um den schonenden Charakter dieser Therapie zu unterstreichen, wird oft betont, dass diese Hormone (halbsynthetisch) aus dem natürlichen Diosgenin der mexikanischen Yams-Wurzel gewonnen werden (siehe Abbildung 1). Dabei wird ignoriert, dass auch industriell hergestellte Sexualhormone in gleicher Weise gefertigt werden.

Abb. 1: Das in der Yams-Wurzel enthaltene Diosgenin kann mittels des Marker-Abbaus in Progesteron überführt werden, welches in weiteren Syntheseschritten zu Estradiol verarbeitet werden kann.

Grundidee der bioidentischen Hormone

Zum besseren Vergleich der konventionellen Hormontherapie und der Therapie mit bioidentischen Hormonen sollen beide Behandlungskonzepte parallel betrachtet werden (siehe auch Tabelle „Vergleich der konventionellen und bioidentischen Hormontherapie). Die Diagnose wird bei beiden Methoden vom Arzt anhand der klinischen Parameter gestellt [5]. Dabei werden Informationen zur Regelmäßigkeit und der Blutungsstärke der Menstruation abgefragt, sowie die Symptome bewertet. Die sogenannten vasomotorischen Symptome wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche sind ein starkes klinisches Indiz für die Menopause. Auch Schlafstörungen, sexuelle Probleme, Stimmungsschwankungen und urogenitale Symptome wie vaginale Trockenheit können auftreten. Frauen älter als 45 mit unregelmäßigen Blutungen und vasomotorischen Symptomen befinden sich in der Perimenopause. Von der Postmenopause spricht man, wenn die letzte Periode der Frau mehr als ein Jahr zurückliegt. Der Hormonstatus der Patienten wird nach der entsprechenden S3-Leit­linie zur Peri- und Postmenopause im Regelfall nicht zur Diagnosestellung erhoben, da die Messungen wenig aussagekräftig sind [5, 6]. Nur bei Frauen unter 45 Jahren werden verschiedene Hormone wie bspw. das Follikelstimulierende Hormon und das Estradiol bestimmt, um eine Ovarialinsuffizienz abzuklären. Ärzte, die mit bioidentischen Hormonen arbeiten, bestimmen grundsätzlich die Estradiol- und Progesteron-Werte ihrer Patientinnen. Darin liegt auch der Kern des Konzepts: Die Behandlung mit bioidentischen Hormonen soll die Estradiol- und Progesteron-Spiegel der menopausalen Frauen in den jeweiligen Idealbereichen einer hormonell gesunden Frau wiederherstellen und halten. Aus der Erfahrung seiner Praxis definiert bspw. Dr. Rimkus einen Estradiol-­Serumzielwert von 120 bis 180 pg/ml entsprechend einer hormonell gesunden Frau in der Follikelphase und einen Progesteron-Zielwert von 10 bis 30 pg/ml entsprechend einer hormonell gesunden Frau in der Gelbkörperphase ihres Zyklus [4]. FSH-Werte, die in die Verlaufskontrolle der Therapie einfließen, sollen während der Behandlung absinken.

Hormontherapie unter strengen Voraussetzungen

Nach gestellter Diagnose kann konventionell bei starken Beschwerden eine Hormontherapie aufgenommen werden. Leitliniengerecht werden zunächst Kontraindikationen wie bspw. vergangene hormonabhängige Karzinome oder eine Prädisposition für solche Erkrankungen anhand körperlicher Untersuchungen bewertet. Auch das kardiovaskuläre Risiko wird abgeklärt. Entscheiden sich dann Frauenarzt und Patientin für eine Hormontherapie, wird diese so kurz wie möglich gehalten (< 5 Jahre) und in der geringsten effektiven Dosis durchgeführt [5]. Die Therapie sollte vor dem 60. Lebensjahr begonnen und in den ersten zehn Jahren der Postmenopause durchgeführt werden [5]. Grundsätzlich stehen eine Estrogenmonotherapie (nur für hysterektomierte Frauen) und eine Kombinationstherapie mit Gestagen zur Verfügung. Das Gestagen schützt die Gebärmutterschleimhaut vor einer Estrogen-induzierten Hyperproliferation und dem damit einhergehenden Risiko für ein Endometrium­karzinom. Estrogene existieren in vielen verschiedenen Darreichungsformen und werden meist oral als Estradiolvalerat oder transdermal als Estradiol, oder topisch als Estriol verordnet. Gestagen-haltige Kombinationspräparate enthalten oft Levonorgestrel, Dienogest, Chlormadinacetat, Drospirenon oder Norethisteronacetat. Zusätzlich stehen auch orale und vaginale Monopräparate mit reinem Progesteron oder Dydrogesteron zur Verfügung (Tab.).

Tab.: Vergleich der konventionellen und bioidentischen Hormontherapie
konventionell
bioidentisch
Ziel
Behandlung der Symptome der Peri- und Postmenopause
Wiederherstellung der prämenopausalen Hormonwerte
Diagnosestellung
anhand klinischer Parameter
vor allem anhand der Serum- oder Speichelkonzentration der weiblichen Sexualhormone Estradiol und Progesteron
Therapie
entsprechend der Risikofaktoren in der geringstmöglichen Dosis über einen begrenzten Zeitraum, möglichst nur bei jüngeren Patientinnen unter 60, möglichst nicht länger als 10 Jahre nach Postmenopause
Estrogen-Monotherapie für hysterektomierte Frauen,
Estrogen-Gestagen-Kombinationstherapie für Frauen mit Uterus
entsprechend der Serum- oder Speichelkonzentrationen der Hormone Estradiol und Progesteron. FSH soll während der Behandlung absinken. Behandlung bis ins hohe Alter
Estradiol-Progesteron-Kombinationstherapie für alle Frauen
Evidenz
Wirksamkeit und Sicherheit in Studien und Meta-Analysen untersucht, je nach Art und Zusammen­setzung der Therapie existieren u. a. Risiken für ­Mamma- und Endometriumkarzinome, kardio­vaskuläre Ereignisse
beruht auf Erfahrungswerten
keine Evidenz für Sicherheit

Bei der Behandlung mit bioidentischen Hormonen steht hingegen vor allem der Serum-Hormonwert im Vordergrund und nicht die Vorgeschichte und das Risiko der Patientin. Dr. Rimkus bspw. versicherte seinen Patientinnen, als er noch praktizierte, dass bei einer „Anwendung von naturidentischen Hormonen in keiner Weise eine Risikoerhöhung für irgendein Krankheitsgeschehen“ stattfindet [4]. Eventuelle Krebserkrankungen und kardiovaskuläre Risikofaktoren resultieren seiner Ansicht nach aus dem Lebenswandel seiner Patientinnen, aber nicht aus seiner Hormontherapie [4]. Entsprechend des Lebensabschnitts und des Hormonstatus der Patientin wird die Behandlung individualisiert. Bei der Rimkus®-Methode werden üblicherweise zwei Kapseln täglich mit je 0,5 bis 1 mg mikronisiertem Estradiol und 50 bis 100 mg mikronisiertem Progesteron, gelöst in Olivenöl, verordnet [4]. Darüber liegende Dosierungen werden nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Für Frauen in der Peri- und Postmenopause empfiehlt Dr. Rimkus immer kombinierte Estradiol- und Progesteron-Kapseln mit der Möglichkeit zu Einnahmepausen bei Durchbruchsblutungen. Die Präparate werden mit zwei- bis dreimonatigen Kontrollen langsam aufdosiert, bis entweder der Idealwert der Hormone im Serum erreicht ist, oder die Patientinnen sich wohl fühlen, auch wenn der Zielwert noch nicht erreicht ist [4]. Die zweimal tägliche Einnahme soll erreichen, dass die Patientinnen kontinuierlicher mit Hormonen versorgt werden. Dr. Rimkus empfiehlt auch, die Hormone bis ins hohe Alter einzunehmen, allerdings mit geringeren Dosen von 0,25 mg Estradiol und 60 mg Progesteron zweimal täglich [4]. Hysterektomierte Frauen erhalten ebenso eine Kombination aus Estradiol und Progesteron.

Acht Apotheken lizenziert

Die Hormone werden in Olivenöl gelöst, um eine Aufnahme der Hormone schon im Magen und oberen Dünndarm über die Lymphe zu ermöglichen. Dr. Rimkus zufolge werden die Hormone in öliger Lösung im Chylus gelöst und über das lymphatische System aufgenommen. Er behauptet, dass so „entgegen der Lehrmeinung keine primäre Leberpassage stattfindet“ [4]. Eine teilweise, aber nicht gänzliche lymphatische Absorption wurde tatsächlich für Progesteron [7] und Testosteronundecanoat [8] in öliger Lösung demonstriert und auch für Estrogen­undecanoat postuliert [9, 10]. Für Estradiol wurde dieser Nachweis aber bisher noch nicht erbracht. Allenfalls die kleinsten Partikel des mikronisierten Hormons werden möglicherweise auch ohne lipophilen Träger bereits lymphatisch resorbiert [11]. Somit ist auch bei der Rimkus®-Methode von einer mehrheitlichen Leberpassage der Hormone auszugehen.

Zusätzliche Bestandteile der Rimkus®-Kapseln sind 1000 I.E. Colecalciferol zur Vitamin-D-Substitution sowie Kupfer- und Zinkgluconat als Spurenelemente [4]. Dr. Rimkus stellt nach eigenen Angaben hohe Qualitätsanforderungen an seine Präparate bspw. hinsichtlich des Grades der Mikronisierung und der Genauigkeit der Dosierung. Er lizenziert Apotheken nach einem dreimonatigen Evaluierungsprozess zur Herstellung seiner Kapseln. Momentan tragen acht Apotheken bundesweit diese Lizenz.

Umstritten: Laborwerte als Richtwert

Die Therapie mit bioidentischen Hormonen wird von regelmäßigen Kontrollen des Serum-Hormonstatus der Patientinnen begleitet. Sämtliche Fachgesellschaften und Leitlinien weltweit argumentieren gegen dieses Vorgehen. Es existiert keine Evidenz, die dafür spricht, dass eine Hormontherapie anhand der Serumspiegel adaptiert werden sollte. Einige Frauenärzte, vor allem in den USA, nutzen Speichelmessungen zur Beurteilung des freien Anteils der weiblichen Sexual­hormone, um die Behandlung mit bioidentischen Hormonen zu kontrollieren und anzupassen. Diese Messungen sind allerdings aufgrund ihrer Schwankungsanfälligkeit äußerst ungenau.

Hohe Zielwerte ohne Evidenz

Zwar scheinen vasomotorische Symptome mit den Estradiol-Werten assoziiert zu sein [12], jedoch existiert kein all­gemein gültiger Serumwert, der erreicht werden muss, um die Symptome zu kontrollieren. Die Zielwerte, die bspw. Dr. Rimkus definiert, bauen nicht auf Studien auf, sondern entspringen seiner persönlichen Erfahrung. Die angestrebten Werte entsprechen denen einer ovulierenden Frau und sind insbesondere bezüglich des Estradiols sehr hoch für eine Hormontherapie angesetzt. Dem gegenüber ist das ausdrückliche Ziel einer konventionellen Hormontherapie nicht, die Spiegel einer jungen Frau wiederherzustellen, sondern die Symptome der Menopause zu behandeln. Deshalb werden die Spiegel der Hormone im Serum bei der konventionellen Therapie auch nicht bestimmt, da die Behandlung aufdosiert wird, bis die Symptome ausreichend kontrolliert werden, um Hormondosis und damit mögliche Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. Orale und transdermale Estradiol-Präparate erzeugen Plasmaspiegel, die in der Größenordnung der Estradiol-Werte in der frühen Follikelphase (30 – 80 pg/ml) gesunder Frauen liegen, die eben auch nicht unter vasomotorischen Symptomen leiden [13, 14, 15] (siehe Abbildung 2). Solche Spiegel sind nachweislich meist ausreichend, um die Wechseljahresbeschwerden zu kontrollieren [16], aber liegen deutlich unter den von Rimkus angestrebten 120 bis 180 pg/ml. Dr. Rimkus erweitert mit den in seiner Behandlungsmethode angestrebten, hohen Hormonwerten und der Substitution bis ins hohe Alter die Hormontherapie zur Anti-Aging-Therapie. Er beschreibt in seinem Buch ausführlich die positiven Eigenschaften der beiden Hormone [4]: Estradiol schütze u. a. Gehirn, diene als Antidepressivum, senke den Blutdruck, erhalte die sexuelle Funktion und verspreche, die Alterung zu verlangsamen. Progesteron wirke bspw. analgetisch und reguliere zusammen mit Estradiol den Schlaf. Aufgrund dieser Effekte wird nach der Rimkus®-Methode auch hysterektomierten Frauen Progesteron „nicht verwehrt“ [4]. Die beschriebenen Wirkungen sind durchaus auch in der wissenschaftlichen Literatur zu finden, aber rechtfertigen sie eine uneingeschränkte Substitution der Hormone? In die Betrachtung des Nutzens einer therapeutischen Maßnahme fließt beides ein, die Wirkung, aber auch die Sicherheit einer Behandlung. Die Frage nach den Nebenwirkungen lässt sich für die Unterstützer der bioidentischen Hormontherapie einfach beantworten: Es gibt keine! Die Hormone sind natürlich und werden nur in einem Maße substituiert, das physiologische Serumspiegel erhält. Es darf aber nicht vergessen werden, dass eine Hormonbehandlung in den Wechseljahren nie physiologisch sein kann, sondern immer eine pharmakologische Intervention darstellt [17]. Die Behauptung des physiologischen Eingriffs klingt für verunsicherte Patientinnen selbstverständlich äußerst attraktiv. Zupass kommt dabei, dass die Kapseln als Rezepturarzneimittel nicht mit den Nebenwirkungen gekennzeichnet werden müssen, da Dr. Rimkus zufolge der „Waschzettel“ viele Frauen unnötig verunsichert [4].

Abb. 2: Nach Rimkus® angestrebte Estradiol-Werte im Vergleich zum weiblichen Zyklus. Die nach der Rimkus®-Methode angestrebten Hormonwerte (in gelb) von 120 bis 180 pg/ml Estradiol entsprechen denen einer jungen, ovulierenden Frau und überstiegen die ­Serumkonzentrationen, die sich mit zugelassenen Präparaten erreichen lassen (30 – 80 pg/ml) [14, 15] (in grün).

Was sagt die Evidenz?

Ein Cochrane Review hat im Jahre 2016 die verfügbare Evidenz zur Behandlung mit bioidentischem Estradiol in oraler, transdermaler, topischer oder nasaler Darreichungsform zusammengefasst (allerdings ohne Progesteron-Kombination und ohne Kontrolle der Serum-Zielwerte) [18]. Die Autoren stellten fest, dass bioidentisches Estradiol die Hitzewallungen besser kontrollierte als Placebo. Dabei waren höhere Dosen tatsächlich wirksamer, aber auch mit einem höheren Risiko für Nebenwirkungen verbunden. Es gibt wenige Studien, die die verschiedenen Hormonpräparate miteinander vergleichen. In den Cochrane Review sind zwei Studien eingeflossen, die bioidentisches Estradiol mit konjugierten equinen Estrogenen vergleichen und keinen Unterschied feststellten. Langfristige Untersuchungen zur Sicherheit der Behandlung fehlen bislang noch, sodass sich an der derzeit existierenden Evidenz zur Hormontherapie orientiert werden sollte, anstatt Sicherheitsversprechen abzugeben, die nicht gehalten werden können.

Auf einen Blick

  • Bioidentische Hormone gleichen in ihrer chemischen Struktur den vom Körper produ­zierten endogenen Hormonen.
  • Die Unterstützer dieser Hormontherapie sehen in dieser „Natürlichkeit“ bereits den Sicherheitsbeweis der Behandlung.
  • Die Hormone werden so substituiert, dass der Hormonspiegel einer gesunden jungen Frau erreicht wird.
  • Die bioidentische Hormontherapie beruht auf Erfahrungswerten und keiner wissenschaftlichen Evidenz.
  • Nur eine leitliniengerechte Hormontherapie in der Menopause ist als sicher einzustufen.
  • Bioidentische Hormone, wenn leitliniengerecht eingesetzt, sind möglicherweise mit therapeu­tischen Vorteilen verbunden.

Allerdings gibt es Hinweise, dass transdermales Estradiol ein günstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis als orales aufweist, da ein geringeres kardiovaskuläres Risiko zu bestehen scheint [5]. Die transdermale Applikation verhindert, dass eine hohe Menge Estradiol in der Leber anflutet und dort die Synthese von Gerinnungsfaktoren stimuliert. Progesteron andererseits könnte laut Beobachtungsstudien mit einem geringeren Brustkrebsrisiko einhergehen [19], aber ein höheres Risiko für Endometriumkarzinome mit sich bringen [20], da es im Gegensatz zu den synthetischen Gestagenen weniger stark antiproliferativ auf das Endometrium wirkt. Bezüglich der Sicherheit der Rimkus®-Methode besonders kritisch zu betrachten ist die Behandlung bis ins hohe Alter hinein und die hohen Estradiol-Spiegel. Da auch die Rimkus®-Hormone aufgrund der oralen Einnahme zum größten Teil in der Leber anfluten, ist ein mögliches kardiovaskuläres Risiko zu berücksichtigen.

Dabei muss zwischen konventioneller und bioidentischer Hormontherapie gar kein so tiefer Graben verlaufen. Die Hinweise, dass insbesondere transdermal appliziertes Estradiol und orales Progesteron ein möglicherweise günstigeres Risikoprofil aufweisen könnten, verdienen weiterführende wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Diese Kombination wird bspw. von der International Menopause Society positiv bewertet [21]. Es existieren bereits zugelassene Pflaster (Dermestril®) und auch orale Präparate (Estrifam®) mit Estradiol, sowie Weichkapseln mit Progesteron (Utrogest®), die entsprechend den Voraussetzungen der Therapieleitlinie eingesetzt werden können. |

Literatur

 [1] Rossouw JE et al. Risks and benefits of estrogen plus progestin in healthy postmenopausal women: principal results From the Women’s Health Initiative randomized controlled trial. JAMA 2002;288:321-33

 [2] Pressemitteilung der Techniker Krankenkasse vom 27.07.2021. Auswertung: Immer weniger Hormonpräparate in den Wechseljahren

 [3] Manson JAE et al. Menopausal Hormone Therapy and Long-term All-Cause and Cause-Specific Mortality: The Women’s Health Initiative Randomized Trials. JAMA 2017;318:927-938

 [4] Rimkus V. Die Rimkus®-Methode für die Frau (3. Auflage). 2014. Verlag Mainz

 [5] S3 Leitlinie Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen Leitlinie der DGGG, SGGG and OEGGG (Stand, January 2020). (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-062.html, Aufruf am 04.08.2021)

 [6] Menopause Full Guideline, Methods, evidence and recommendations, Version 1.5, 12 November 2015, National Institute for Health and Care Excellence (NICE) Guideline (https://www.nice.org.uk/guidance/ng23/evidence/full-guideline-pdf-559549261, Aufruf am 4.8.2021)

 [7] Hartgrove JT et al. Absorption of oral progesterone is influenced by vehicle and particle size. Am J Obstet Gynecol 1989;161:948-951

 [8] Horst HJ et al. Lymphatic absorption and metabolism of orally administered testosterone undecanoate in man. Klin Wochenschr 1976;54:875-9

 [9] Luisi M et al. Effects of estradiol decanoate in ovariectomized women. J Endocrinol Invest 1978;1:101-106

[10] De Visser J und und van der Vies J. Oestrogenic activity of oestradiol-decanoate after oral administration to rodents. Acta Endocrinol (Copenh) 1977;85:422-428

[11] Englund DE und Johansson ED. Oral versus vaginal absorption in oestradiol in postmenopausal women. Effects of different particles sizes. Ups J Med Sci 1981;86:297-307

[12] Randolph Jr JF et al. The relationship of longitudinal change in reproductive hormones and vasomotor symptoms during the menopausal transition. J Clin Endocrinol Metab 2005;90:6106-6112

[13] Römmer A. Bioidentische Hormone in der Menopausetherapie. J Gynäkol Endokrinol 2017;27:95-101

[14] Fachinformation Estrifam® 1 mg/2 mg Filmtablette

[15] Fachinformation Dermestril® 25 µg/24 Stunden, – 50 µg/24 Stunden transdermales Pflaster

[16] Steingold KA et al. Treatment of hot flashes with transdermal estradiol administration. J Clin Endocrinol Metab 1985;61:627–632

[17] Santoro N et al. Compounded Bioidentical Hormones in Endocrinology Practice: An Endocrine Society Scientific Statement. J Clin Endocrinol Metab 2016;101:1318-1343

[18] Gaudard AMIS et al. Bioidentical hormones for women with vasomotor symptoms. Cochrane Database Syst Rev 2016;8:CD010407

[19] Cordina-Duverger E et al. Risk of breast cancer by type of menopausal hormone therapy: a case-control study among post-menopausal women in France. PLoS One 2013;8:e78016.

[20] Fournier A et al. Risks of endometrial cancer associated with different hormone replacement therapies in the E3N cohort, 1992-2008. Am J Epidemiol 2014;180:508- 17

[21] Baber RJ et al. IMS Recommendations on women’s midlife health and menopause hormone therapy. Climacteric 2016;19:109-150

Autor

Dr. Tony Daubitz, Studium der Pharmazie an der Universität Leipzig; Diplomarbeit in Basel an der Hochschule für Life Sciences der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zu antientzündlichen Eigenschaften von Bambusextrakten; Promotion am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin zur Pharmakologie von Anionenkanälen.

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