Praxis

Laxanzien auf Rezept – alles klar?

Was es zu beachten gilt, wenn ein Abführmittel verordnet ist

Laxanzien spielen nicht nur in der Behandlung von akuten Verstopfungen eine wichtige Rolle. Regelmäßig werden sie als Co-Medikation verordnet, damit chronische Schmerzpatienten bei der Anwendung von Opioiden vor gefährlichen Nebenwirkungen bewahrt werden. Welche Formalitäten bei der Abgabe entsprechender Produkte zulasten der GKV herrschen, wird im folgenden Beispiel veranschaulicht.

In der Apotheke werden ein Betäubungsmittelrezept zulasten einer Krankenkasse sowie ein Privatrezept für einen Erwachsenen vorgelegt. Rezeptiert werden Fentanylpflaster (zulasten der Kasse). Auf dem Privatrezept befindet sich die Verordnung von Laxatan® 100 St. Kann das so stimmen? Schließlich führen Opioide wie Fentanyl gemäß Fachinformation nicht nur zu einer gewöhnlichen Verstopfung, sondern können auch einen Darmverschluss (Ileus) auslösen, der nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich sein kann. Hätte hier das Laxans nicht auch auf dem Kassen­rezept verordnet werden können – oder sogar müssen?

Foto: picture alliance / Westend61

Nicht unmöglich – Laxanzien lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen zu­lasten der GKV abrechnen – ohne Retaxgefahr für die Apotheke.

Hier hilft der Blick in die Anlage der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL): Abführmittel sind unter den verschiedensten Produktkategorien im Handel erhältlich. Einige sind verschreibungspflichtig, viele unterliegen jedoch nur der Apothekenpflicht oder es handelt sich gar um Medizinprodukte. Pauschal lässt sich die Frage nach der Kostenübernahme der Co-Medikation daher nicht beantworten.

Gemäß Anlage I AM-RL Nr. 1 werden die Kosten für Laxanzien von den Krankenkassen „nur zur Behandlung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Tumorleiden, Megacolon, Divertikulose, Divertikulitis, Muko­viszidose, neurogener Darmlähmung, vor diagnostischen Eingriffen, bei phosphatbindender Medikation bei chronischer Niereninsuffizienz, Opiat- sowie Opioid-Therapie und in der Terminalphase“ übernommen. Dies gilt somit für alle apotheken-, aber nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel (da nur dies die Anlage I AM-RL reguliert).

In der Anlage V AM-RL werden Medizinprodukte, die zulasten der GKV verordnet werden können, konkret mit Markennamen benannt (anders als in Anlage I, dort geht es um Laxanzien generell). Allerdings ist auch dort eine Indikation angegeben, die vorliegen muss, damit die GKV die Kosten übernimmt. Klären muss dies in jedem Fall der behandelnde Arzt.

Was passiert nun mit Laxatan®?

Im konkreten Einzelfall sollte neben Fentanyl Laxatan® verordnet werden. Als Co-Medikation zu einer Opioid-Therapie erscheint dies zunächst unter Verweis auf die Anlage I und V AM-RL möglich – praktisch jedoch muss der Versicherte die Kosten selbst zahlen, denn es handelt sich bei diesem Produkt um ein Medizinprodukt, das nicht von der Anlage V AM-RL umfasst wird. Da diese Anlagen vollständig und umfassend sind, ist hier auch keine Kostenübernahme im Einzelfall möglich (abgesehen von einem Fall nach § 2 [1a] SGB V, der hier nicht vorliegen dürfte). Ein Kostenübernahmeantrag an die Kranken­kasse lohnt sich daher höchstwahrscheinlich nicht – zumal etliche Alternativen vorhanden sein dürften. Im konkreten Fall kann ein passendes Medizinprodukt von Anlage V oder ein apothekenpflichtiges Non-Rx-Arzneimittel zulasten der GKV verordnet werden. Doch Achtung: Anders als bei Arzneimitteln greift bei Medizinprodukten die Packungsgrößenver­ordnung nicht! So entspricht N3 für Macrogol-haltige Arzneimittel 48 bis 50 Stück. Eine Packung mit 100 Beuteln gilt als nicht abgabefähige Klinikpackung, für Medizinprodukte gilt diese Einschränkung nicht.

Laxanzien als Rezeptur

Sind aus therapeutischen Gründen weder die im Handel befindlichen Arzneimittel noch Medizinprodukte geeignet, kommen auch Individualrezepturen infrage. So wird Macrogol-Pulver ggf. plus Elektrolyte beispielsweise bei Allergien gegen Aromastoffe oder bei Kontraindikationen für die zumeist beigemischten Elektrolyte allein als Rezeptur verordnet. Kann ein Rezept über Macrogol-Pulver plus Elektrolyte (Natriumchlorid, Natriumhydrogencarbonat und Kaliumchlorid) ausgestellt für einen Erwachsenen abgerechnet werden? Keiner der Wirkstoffe ist in Anlage I der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) gelistet, die Rezeptur ist somit nicht verschreibungspflichtig. Auch hier kann die Anlage I Nr. 1 AM-RL (s. o.) herangezogen werden. In den dort genannten Fallkonstellationen übernimmt die GKV die Kosten für erwachsene Ver­sicherte. Das Rezept kann also mit der Krankenkasse abgerechnet werden.

Analog zum rezeptierten Fertigarzneimittel oder Medizinprodukt ist die Apotheke nicht verpflichtet zu prüfen, ob die in Anlage I oder V definierten Bedingungen vorliegen. Ist jedoch eine Diagnose auf dem Rezept vermerkt, ergibt sich je nach gültigem Liefervertrag einiger Kassen eine erweiterte Prüfpflicht. Entspricht die genannte Diagnose nicht den Vorgaben der AM-RL, besteht Retax-Gefahr.

Laxanzien auf BtM-Rezepten

Immer wieder werden in der Apotheke BtM-Rezepte über ein Betäubungs­mittel plus Laxans als Co-Medikation vorgelegt. Diese Konstellation regelt § 8 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV), demnach darf das BtM-Rezept „[…] für das Verschreiben andere[r] Arzneimittel nur verwendet werden, wenn dies neben der eines Betäubungsmittels erfolgt“. Grundsätzlich gilt also, dass ein wei­teres Arzneimittel nur parallel zum BtM verschrieben werden darf. Dies gilt generell für weitere Arzneimittel, also für OTC- (nach AM-RL Anlage I) wie auch Rx-Arzneimittel. In der Praxis wird diese Regelung auch auf die in Anlage V gelisteten Medizin­produkte ausgedehnt. |

Autoren

Dr. PH André S. Morawetz, Apotheker, Promotion an der Universität Bremen, aktuell tätig für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen

 

Saskia Gehn, Apothekerin, wissenschaft­liche Mitarbeiterin an der Universität Bremen im SOCIUM

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