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Praxis
Höchstens eine Empfehlungsliste
Was das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbands den Apotheken bringt
Bevor die Einsatzmöglichkeiten des aktualisierten Hilfsmittelverzeichnisses des GKV-Spitzenverbandes diskutiert werden, sollen im Folgenden einige wichtige Fakten vorab beleuchtet werden.
Gesetzlich verankert ist das Hilfsmittelverzeichnis im § 139 Sozialgesetzbuch (SGB) V. Für die Erstellung ist der GKV-Spitzenverband verantwortlich. Es handelt sich um ein strukturiertes Verzeichnis, das sämtliche Hilfsmittel umfasst, die von der Leistungspflicht der GKV umfasst sind. Es gilt für alle Leistungserbringer und damit auch für die an der Hilfsmittelversorgung teilnehmenden Apotheken. Das Verzeichnis besteht aus 38 Produktgruppen für Hilfsmittel sowie vier Produktgruppen für Pflegehilfsmittel.
Aktuell sind ca. 36.000 Produkte in ca. 2600 Produktarten gelistet.
Hätte man keine Sammelnummern (beispielsweise für Lanzetten) geschaffen und nicht mehr lieferbare Produkte gestrichen, wären es noch wesentlich mehr Produkte.
Jedes gelistete Produkt hat eine eigene zehnstellige Hilfsmittelnummer, über die es genau definiert ist. Diese setzt sich immer wie folgt zusammen:
- erste und zweite Ziffer: Produktgruppe
- dritte und vierte Ziffer: Anwendungsort
- fünfte und sechste Ziffer: Untergruppe
- siebte Ziffer: Produktart
- achte bis zehnte Ziffer: Produkt
Das Inhaliergerät „Pari Compact“ beispielsweise hat die Hilfsmittelnummer 14.24.01.0070.
Die Produktgruppe „14“ steht dabei für Inhalations- und Atemtherapiegeräte. Der Anwendungsort „24“ bedeutet Atmungsorgane. Die Untergruppe „01“ steht für Aerosol-Inhalationsgeräte für untere Atemwege. Die Produktart „0“ steht für Medikamentenvernebler für untere Atemwege.
Bei „Produkt“ (achte bis zehnte Ziffer) können maximal 999 Produkte stehen. Hat der Verordner auf der Hilfsmittelverordnung nur die Produktart, den sogenannten „7-Steller“ verordnet, muss der Leistungserbringer aus den dort aufgeführten Produkten auswählen. Die Ausgaben allein der GKV für Hilfsmittel betrugen im Jahr 2020 ca. 9,3 Milliarden Euro.
Mit dem jetzt vorgestellten Webportal soll es Herstellern, die eine Aufnahme ihres Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis beantragen möchten, ermöglicht werden, die notwendigen Unterlagen auch online hochzuladen. Denn bevor ein Produkt in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden kann, sind eine Reihe von Gutachten und Nachweisen des Herstellers nötig. Wenn die Unterlagen vollständig sind, beauftragt der GKV-Spitzenverband wiederum den Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS) mit einem Gutachten.
Auch Änderungsanträge für bereits ins Hilfsmittelverzeichnis aufgenommene Produkte sollen über das Portal papierlos möglich sein. Ferner ist der aktuelle Bearbeitungsstand für den Antragsteller online abrufbar. Dadurch erhofft sich der GKV-Spitzenverband eine Reduzierung des Aufwands. Zur Verdeutlichung: In den letzten drei Jahren sind über 3500 (!) Produkte neu aufgenommen worden. Bei all diesen Neuaufnahmen ging ein entsprechend aufwendiger Prüfvorgang voraus.
Der Nutzen dieser Funktion im Portal ist daher eher für den GKV-Spitzenverband und für die Antragsteller zu sehen – nicht aber für die Leistungserbringer, die Hilfsmittel direkt an Versicherte abgeben.
Vorteil: Aktualität
Ein Vorteil der Online-Verfügbarkeit ist aber sicherlich die Aktualität. Neu aufgenommene Hilfsmittel erscheinen sofort mit der korrekten Hilfsmittelnummer und auch mit der Angabe der entsprechenden Präqualifizierungsgruppe. Damit kann der Versorger intern prüfen, ob er die zur Abgabe des Hilfsmittels nötige Präqualifizierung besitzt. Auch Produkte, die aus dem Hilfsmittelverzeichnis gestrichen wurden, erscheinen nicht mehr. Das ist wichtig, da Kostenträger immer mit der aktuellsten Version des Hilfsmittelverzeichnisses arbeiten.
Ein Kostenvoranschlag mit einer Hilfsmittelnummer, die nicht mehr im Hilfsmittelverzeichnis existiert bzw. gelöscht wurde, würde zwangsläufig zu einer Ablehnung führen. Ein Vergleich mit dem Hilfsmittelverzeichnis des Informationsangebots „Rehadat“ zeigt beispielsweise, dass der Stand dort noch vom Mai diesen Jahres ist.
Zu den einzelnen Produktgruppen im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbands sind auch – sehr ausführlich – die jeweiligen Indikationen für die darunter gelisteten Hilfsmittel aufgeführt. Außerdem sind die Produkteigenschaften und auch Unterschiede zwischen den einzelnen Untergruppen gut dargestellt. Beispielhaft sei hier die Produktgruppe 17 (Hilfsmittel zur Kompressionstherapie) erwähnt. Dort werden u. a. die unterschiedlichen Strickarten (Flach-/Rundstrick) und die jeweiligen Anwendungsbereiche erläutert.
Unter https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de/ ist das Hilfsmittelverzeichnis online und gebührenfrei abrufbar.
An dieser Stelle noch ein Hinweis zu den im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Indikationen: Sowohl Mitarbeiter der Krankenkassen als auch des medizinischen Diensts orientieren sich bei der Entscheidung, ob ein Kostenvoranschlag genehmigt wird, auch daran, ob die auf der Verordnung aufgeführte Diagnose mit der im Hilfsmittelverzeichnis zu dem Produkt aufgeführten Indikation übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, wird eine Kostenübernahme nicht unmöglich, aber mitunter sehr erschwert. Grundsätzlich richtet sich eine Versorgungsberechtigung nach den §§ 126 und 127 SGB V und ist abhängig von den versorgungsvertraglichen Vereinbarungen und der individuellen Präqualifizierung des Leistungserbringers.
Immer wieder werden vereinzelt auch Kostenvoranschläge abgelehnt, weil das verordnete Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist.
Diese Vorgehensweise der Kostenträger ist aber nicht korrekt, wie mehrere Sozialgerichte geurteilt haben. Das Hilfsmittelverzeichnis ist eben keine Positivliste, sondern dient als unverbindliche Empfehlungsliste. Daher können im Einzelfall auch nicht gelistete Produkte von der Leistungspflicht der Krankenkasse umfasst sein. Bekommt man eine entsprechende Verordnung mit einem nicht gelisteten Produkt, sollte man sich genau überlegen, ob man das Produkt schon vor der Genehmigung durch den Kostenträger an den Versicherten abgibt. Genehmigungen sind zur Abrechnung von diesen Produkten immer nötig! Bei Einreichung eines Kostenvoranschlages für diese Produkte empfiehlt es sich, klar zu kommunizieren, dass keine Hilfsmittelnummer existiert. Die Verwendung der Hilfsmittelnummer eines ganz anderen Produktes wird von Kostenträgerseite nicht gern gesehen.
LAV: kein zusätzlicher Nutzen
Auf Anfrage der DAZ beim Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV), erklärt ein Sprecher, dass ein Hilfsmittelverzeichnis grundsätzlich nicht neu sei. Neu scheinen ausschließlich der GKV-Online-Auftritt sowie die Listung der Produkte nach Versorgungsbereichen zu sein. Da Apotheken jedoch eher die eigenen Software-Systeme nutzten, welche von der ABDATA gespeist werden, die wiederum das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V importiert und aktuell hält, brauche die Apotheke das Portal nach Einschätzungen des LAV nach „eher nicht“.
Prinzipiell ist das Webportal also eine sehr wichtige und aktuelle Datenbank, bei der man sehr viele Informationen zu Hilfsmitteln erhält. Sie richtet sich allerdings eher an Hersteller von Produkten, die eine Aufnahme in das Hilfsmittel beantragen möchten, als an Anbieter wie die Apotheken, die direkt die Versicherten versorgen. Ganz offensichtlich ist die Intention des GKV-Spitzenverbandes, bei der Masse an Neu- und Änderungsanträgen die Häufigkeit von individuellen An- und Rückfragen zu reduzieren und sich intern die Arbeit zu erleichtern. |
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