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DAZ aktuell
Apotheke vor Ort – ein „Herzensanliegen“
Die DAZ im Gespräch mit der Linken-Politikerin Kathrin Vogler
Bei Sylvia Gabelmann sind es gesundheitliche Gründe, bei Harald Weinberg das Alter – andere Gesundheitspolitiker der Linksfraktion, etwa der gesundheitspolitische Sprecher Achim Kessler, haben schlicht keinen aussichtsreichen Listenplatz ergattern können. Sie alle werden nach der Bundestagswahl Ende September also aus dem Parlament ausscheiden. Kathrin Vogler, seit 2009 für die Linke im Deutschen Bundestag und lange Zeit Mitglied des Gesundheitsausschusses, weiß, dass ihre Fraktion angesichts dieser Abgänge vor einer Herausforderung steht. „Vor allem weil Gesundheitspolitik für uns wirklich eine Bank ist“, wie sie im Gespräch mit der DAZ erklärt. Ob Pflegekampagne, die Weiterarbeit am Konzept der solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung, Patientenrechte, Corona-Pandemie oder diverse Kleine Anfragen zum Thema Arzneimittel – die Linke habe sich in den vergangenen Jahren auf vielfältige Weise eingebracht. Doch bei einem Blick in die Landeslisten bleibt Vogler zuversichtlich, dass die Gesundheitspolitik ein wichtiges Thema bleiben wird: „Ich kann versprechen, dass wir in der nächsten Fraktion eine engagierte Gruppe von Kolleginnen und Kollegen haben werden, die da richtig Gas geben wird.“ Ob sie selbst in die Gesundheitspolitik zurückkommen wird, will sie allerdings derzeit nicht kommentieren – dass sie auch nach vier Jahren Außenpolitik noch in der Materie drinsteckt, ist aber unübersehbar. Mit Platz fünf auf der NRW-Landesliste zur Bundestagswahl hat sie jedenfalls ein recht sicheres Ticket, erneut in den Bundestag einzuziehen.
Apothekenpolitik – kein Thema im Linken-Programm?
Aber abseits der Frage, welche Personen künftig für die linke Gesundheitspolitik stehen – wie sieht es mit den Inhalten aus? Speziell aus Perspektive der Apotheken? Im Wahlprogramm der Partei findet sich zwar durchaus ein umfangreiches Kapitel zu Gesundheit und Pflege. Dass die Apotheken diesmal keinen großen Raum einnehmen, sei keine gezielte Absicht, beteuert Kathrin Vogler. Man werde das Thema weiterhin verfolgen. Die flächendeckende Versorgung mit Apotheken vor Ort bleibe ein „Herzensanliegen“ der Partei. Auch zum Fremd- und Mehrbesitzverbot stehe die Linke weiterhin, verspricht Vogler. Und das Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel hat sie ebenfalls nicht aufgegeben – Vogler ist nach wie vor überzeugt, dass es die bessere Antwort auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 gewesen wäre als das nun im Sozialrecht verankerte Boni-Verbot. Auch wenn die gesetzlich Versicherten in der deutlichen Mehrheit seien – Privatversicherte, Beihilfeberechtigte, Beamte, Selbstständige seien eben außen vor. „Waffengleichheit“ sieht aus Sicht der Linken anders aus.
Ein Fortschritt der zu Ende gehenden Legislaturperiode freut Vogler jedoch: Die Vorschriften zur Temperaturkontrolle bei Versendern wurden präzisiert. Dieses Thema, so die Linken-Politikerin, habe sie überhaupt erst gesetzt. Diese Problematik habe in der Regierung vor vier Jahren noch niemand „auf dem Schirm“ gehabt. Jetzt müsse man die Gesetzgebung allerdings weiter vorantreiben. Denn: „Eine Regelung, für die es keine Kontroll- und Sanktionsmechanismen gibt, ist nicht mehr wert als das Papier auf dem sie steht.“
Und mit welchen Erwartungen blickt die Linke auf das E-Rezept? Beim Thema Digitalisierung ist Vogler skeptisch, was die wahren Ziele des Bundesgesundheitsministers betrifft: „Wir wissen alle, dass Minister Spahn ein großer Freund des internationalen Versandhandels ist und seine Agenda daher in weiten Teilen nicht primär von der Frage geleitet ist, was den Patienten und Patientinnen nutzt.“ Die Linke stellt sich nicht gegen das E-Rezept, wichtig sind ihr aber Freiwilligkeit und Sicherheit – als Oppositionspartei habe man mit diesen Forderungen allerdings nicht durchdringen können. Obligatorische digitale Anwendungen könnten leicht zu sozialen Schieflagen führen, fürchtet Vogler. Denn nicht alle könnten gleich gut mit der entsprechenden Technik umgehen – auch wolle nicht jeder seine Daten preisgeben. Diese Menschen dürften aber bei der Versorgung nicht ausgeschlossen werden. Beim E-Rezept sieht Vogler die größte Gefahr zudem darin, dass es das Einfallstor für die Versender vergrößere. Vor allem jüngere und gesündere Menschen könnten sich an diesen Versorgungsweg gewöhnen – würden sie zusammen mit den Chronikern Stammkunden von DocMorris & Co., werde es für die Apotheken vor Ort wirklich schwierig, ihre Finanzierungsbasis zu erhalten. „Wenn wir hier nicht gegensteuern, fürchte ich, dass es in 20 Jahren in kleineren Orten keine niedergelassenen Apotheken mehr geben wird.“ Das werde zu Versorgungsproblemen führen, die sich manche wohl noch gar nicht vorstellen könnten. Hier streite sie sich gerne mit Wählerinnen und Wählern, betont Vogler. Wenn junge Leute ihr sagten, es sei so praktisch bei DocMorris zu bestellen und spare Geld, frage sie immer: „Hast du dir schon einmal überlegt, was du machst, wenn dein zweijähriges Kind samstagnachts anfängt zu fiebern und kein DocMorris in der Nähe ist, wo du ein Zäpfchen besorgen kannst? Und was glaubst du, passiert mit den Preisen, wenn DocMorris erst mal eine Monopolstellung erreicht hat?“
Was das Thema Plattformen betrifft, räumt Vogler ein, dass Apotheken sich diesen in einer Gesellschaft, die sich Informationen weitgehend digital besorgt, wohl nicht werden entziehen können. Wer wahrgenommen werden will, müsse präsent sein – Bauchschmerzen bereiten ihr die vielen Anbieter und der leichte Zugang zu den Versendern dennoch. Wenn schon Plattform, dann fände es Vogler am besten, wenn es eine vom Deutschen Apothekerverband (DAV) wäre, die alle Apotheken ohne weitere Kosten zur Verfügung steht.
Noch viel Potenzial bei Beratung und Prävention
Könnten vielleicht die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen, die der DAV und der GKV-Spitzenverband derzeit aushandeln, zu einem weiteren finanziellen Standbein werden? Aus Sicht der Linken steckt in den Apotheken viel mehr Potenzial als bisher abgerufen wird – gerade im Bereich der Beratung und Prävention. Vogler sähe sie gerne stärker als „Kompetenzzentrum“ für Arzneimittel und ihre Wirkungen etabliert. Sie müssten auch honoriert werden, wenn sie von einem Medikament oder einer Kombination abraten. Die bislang streng packungsbezogene Vergütung sieht sie vor diesem Hintergrund kritisch. Man müsse nun schauen, ob die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen hier eine Ergänzung bieten können oder weitere Schritte nötig sind. Denn dass ein ganz anderes Vergütungsmodell eingeführt wird, hält Vogler nicht für realistisch. Eine „Finanzierungsrevolution“ hat die Linke also nicht auf der Agenda, sondern eher eine „evolutionäre Weiterentwicklung“.
Und wie steht die Linke zu Impfungen in der Apotheke? Vogler kann sich zum Beispiel gut vorstellen, dass die bislang in Modellprojekten durchgeführten Grippeimpfungen zur GKV-Regelleistung werden könnten – sie sind unkompliziert durchzuführen und über die Apotheke könne man mehr Menschen erreichen. Skeptischer ist die Linken-Politikerin bei COVID-19-Impfungen. Schon deshalb, weil viele Apotheken nicht die nötigen Räumlichkeiten bieten könnten, damit Patienten nach der Impfung noch etwas verweilen können. Dagegen ist sie durchaus offen dafür, dass Apotheken auch weitere Standardimpfungen durchführen. Wenn sie bei einer Überprüfung von Impfpässen Lücken erkennen und die Menschen darauf aufmerksam machen, könnten sie „wirklich wertvolle Dienste“ leisten, ist Vogler überzeugt.
Ein weiteres Thema, das die Linke bereits seit Jahren umtreibt, sind Rabattverträge. Sie führten zu einer Monopolisierung; bei einer Beeinträchtigung der globalen Lieferketten komme es schnell zu Lieferengpässen. Die Pandemie mache dies nochmals besonders deutlich sichtbar – doch die Fehler seien schon früher politisch angelegt. „Ich werbe immer noch dafür, dass wir das ändern und von den Rabattverträgen im GKV-System übergehen zu einem Festbetragssystem, in dem Patienten mit vorrätigen oder beschaffbaren Arzneimitteln versorgt werden können“, sagt Vogler. Insofern findet sie es auch absolut richtig, dass Apotheken in der Pandemie bei der Arzneimittelabgabe mehr Beinfreiheit eingeräumt wurde, wenn ein Rabattarzneimittel nicht verfügbar ist. Die Erfahrungen sollte man jetzt auswerten und auf dieser Basis dann weitere Schritte gehen.
Warum also sollten die Apothekerinnen und Apotheker nun im September ihr Kreuzchen bei der Linken machen? „Weil wir uns zuverlässig für die inhabergeführte Vor-Ort-Apotheke einsetzen“, sagt Vogler. Dabei geht es der Partei allerdings weniger darum, Standespolitik zu stärken. Im Blick hat sie die Patientinnen und Patienten, für die eine flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung sichergestellt bleiben soll. Zudem stehe die Linke für eine Arzneimittelpolitik bei der die Sicherstellung der Versorgung im Mittelpunkt steht. Natürlich dürfe man die Krankenkassen nicht über Gebühr belasten – „aber wir finden: gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden“. Vogler verspricht: „Wir nehmen Sie als kompetente Ansprechpartner zu allen Fragen der Arzneimittelversorgung und Arzneimitteltherapiesicherheit wahr und ernst.“ |
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