Prisma

Gefährliche Schnabelschuhe

Hallux valgus erhöhte Sturzrisikoschon im Mittelalter

Foto: Manfred Herrmann/AdobeStock

us | „Wer schön sein will, muss leiden“ besagt ein Sprichwort. Im England des 14. und 15. Jahrhunderts galten besonders enge, spitz zulaufende Schnabelschuhe als modern und schön. Der große Zeh wurde dadurch in Richtung der anderen Zehen gedrückt, was den Trägern auf Dauer Leiden verursacht haben dürfte. Sind die Zehen zu sehr eingeengt, kann es zu einem Hallux valgus kommen, einer schmerzhaften Fehlstellung des großen Zehs, die zu einer Verbreiterung des Vorfußes führt. Britische Archäologen haben nun die Folgen dieser ungesunden Modeerscheinung an mittelalterlichen Knochen untersucht. Sie analysierten die Skelette von insgesamt 177 Verstorbenen auf vier alten Friedhöfen in Cambridge. Skelette, die auf das 14. oder 15. Jahrhundert datiert wurden, wiesen signifikant häufiger einen Hallux valgus auf als Skelette aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Die unterschiedliche Prävalenz für die Fehlstellung auf den vier Friedhöfen deutet darauf hin, dass das Tragen modischer Schuhe in manchen sozialen Schichten verbreiteter war als in anderen. Während auf dem Klosterfriedhof 43% der Begrabenen zu Lebzeiten unter einem Hallux valgus litten und auf dem Krankenhausfriedhof 23%, wiesen nur 1% der Knochen eines Gemeindefriedhofes am Stadtrand und 3% auf einem ländlichen Friedhof die Veränderungen auf. Gleichzeitig zeigten Skelette mit Hallux valgus vermehrte Frakturen. Die Forscher um die Paläopathologin Dr. Jenna Dittmar deuten das als Hinweis darauf, dass die Fehlstellung das Sturzrisiko einer Person erhöhen kann, da der große Zeh eine wichtige Rolle für das Gleichgewicht spielt. Ein erhöhtes Sturzrisiko für Patienten mit einem Hallux valgus wurde auch in klinischen Studien bereits beobachtet. |

Literatur

Dittmar JM et al. Fancy shoes and painful feet: Hallux valgus and fracture risk in medieval Cambridge, England. Int J Paleopathol. 2021. doi: 10.1016/j.ijpp.2021.04.012

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