Interpharm online 2021

Welche Zuwendungen sind noch erlaubt?

Apotheken zwischen Kundenbindung und Preisbindung

ks | Ob Kuschelsocken oder Ofenkrusti-Gutschein: Apotheker lassen sich einiges einfallen, um Kunden in die eigene Apotheke zu locken. Doch der Weg des Zulässigen ist schmal. Das zeigen jedes Jahr neue Gerichtsentscheidungen. Einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen im Wettbewerbs- und Heilmittelwerberecht sowie im Arzneimittelpreisrecht gab beim Apo­thekenRechtTag die Münchner Rechtsanwältin Sylvia Braun.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Werbegeschenke mit einem Wert von unter 1 Euro am besten auf den Kauf nicht preisgebundener Waren zu beschränken, rät Rechtsanwältin Sylvia Braun.

Apotheken haben zwar viele Möglichkeiten, zu werben und damit Kunden für sich zu gewinnen oder an sich zu binden. Doch sobald es um ihr wesentliches Geschäft geht – verschreibungspflichtige Arzneimittel –, ist größte Vorsicht geboten. Bekanntlich gilt für Rx-Medikamente die Arzneimittelpreisverordnung und damit ein fixer Preis, von dem die Apotheken nicht abweichen dürfen. Rx-Boni, die etwa die Zuzahlung reduzieren, sind daher schon lange tabu – wenngleich EU-ausländische Versandapotheken davon seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2016 und bis Ende vergangenen Jahres ausgenommen waren.

Dennoch gab es in den letzten Jahren weitere wichtige Entscheidungen rund um die unterschiedlichsten Zuwendungen aus der Apotheke. Vor zwei Jahren bestätigte der Bundesgerichtshof im „Brötchengutschein“-Verfahren, dass die Aushändigung eines solchen Gutscheins („für zwei Wasserweck oder ein Ofenkrusti“) anlässlich der Rezepteinlösung nicht zulässig ist (Urteil v. 6. Juni 2019, Az. I ZR 206/17). Es liege ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) in Verbindung mit den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften (§ 78 AMG) vor. Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Frankfurt/M., hatte schon 2017 so entschieden, aber die Revision zugelassen, um zu klären, ob nach dem EuGH-Urteil von 2016 möglicherweise eine Inländerdiskriminierung vorliege, die eine andere Betrachtungsweise nötig mache. Das habe den BGH jedoch nicht interessiert, so Braun, er habe rein nach deutschem Recht geurteilt. Die Koppelung von Gutschein und Rezept sei unzulässig; der Gutschein stelle für die Kunden einen Vorteil dar, der den Erwerb des Arzneimittels wirtschaftlich günstiger erscheinen lasse. Dabei sei es unerheblich, dass der Gutschein nicht auf einen bestimmten Geldbetrag, sondern auf einen Sachwert laute. Diese Verknüpfung zwischen Gutschein und Rezepteinlösung hat der BGH aus Brauns Sicht „etwas sehr salopp“ angenommen. Denn anders als etwa bei den Rx-Boni der EU-Versender, die für jedes Rezept einen festen Bonus versprochen haben, sei hier der Gutschein nur „anlässlich“ des Kaufs abgegeben worden. Braun meint: Nach deutschem Recht hätte man das auch anders entscheiden können. Dass der BGH in einem Parallelfall einen Ein-Euro-Gutschein für unzulässig hielt, der gegen ein Rezept gewährt wurde (Urteil v. 6. Juni 2019, Az.: I ZR 60/18), ist für Braun hingegen schlüssig. Hier liege ein klarer Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung vor.

Bundesverwaltungsgericht mit Hintertür?

So weit die zivilrechtliche Rechtslage – doch wie sieht es mit den Verwaltungsgerichten aus, die den Ruf haben, etwas strenger zu urteilen? Im vergangenen Sommer entschied das Bundesverwaltungsgericht im Kuschelsocken-Fall (Urteil vom 9. Juli 2020, Az.: 3 C 21.18, 3 C 20.18). Hier, so betonte Braun, sei es um einen Apothekenflyer gegangen, der für die Einlösung eines Rezeptes ein Paar Kuschelsocken oder Geschenkpapier ankündigte. Die zuständige Apothekerkammer sanktionierte dies als Berufsrechtsverstoß – zu Recht, wie die Leipziger Richter befanden. Es liege ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung und damit auch gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot vor. Doch Braun sieht in dieser Entscheidung auch eine Hintertür geöffnet. So habe das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass die Ordnungsverfügung der Kammer nicht die Gewährung von Sachzuwendungen erfasse, die nicht gegen Einlösung eines Gutscheins, sondern ohne vorherige Auslobung für den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels gewährt werden. Es bedurfte daher aus Sicht der Richter „keiner Erörterung, unter welchen Voraussetzungen die Gewährung solcher Vorteile – etwa mit Blick auf eine allgemeine Üblichkeit – zulässig ist“. Für Braun ist dies „eine klare Diskrepanz“ zum in diesem Fall strengeren BGH.

Was ist nun noch möglich?

Was heißt das nun für die deutschen Apotheken? Was dürfen sie noch? Klar ist vor allem, was nicht erlaubt ist: Wann immer es um den ausschließlichen Erwerb von Rx-Arzneimitteln geht, sind Zugaben in Form von Gutscheinen über einen Euro-Betrag oder geldwerte Kleinigkeiten tabu. Ausnahmen finden sich nur in den § 7 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 HWG: Erlaubt sind demnach handelsübliches Zubehör zur Ware oder handelsübliche Nebenleistungen (dazu zählt z. B. auch eine teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von ÖPNV-Fahrtkosten), die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen sowie Kundenzeitschriften. Dabei können unter Umständen auch Taschentücher, Hustenbonbons oder Traubenzucker als „handelsübliches Zubehör“ zulässig sein. Braun vermutet, dass es auch keinen Kläger geben wird, wenn mal ein Päckchen Taschentücher bei der Rezepteinlösung über den HV-Tisch geht. Wer auf Nummer sicher gehen will, gibt das Päckchen nur mit, wenn es zum Arzneimittel passt. Unproblematisch sind solche und andere geringwertige Kleinigkeiten (Wert unter einem Euro), wenn lediglich nicht preisgebundene Produkte gekauft werden. Ebenso ist es möglich, Aufsteller mit diesen Kleinigkeiten oder Apothekenkalendern in der Offizin zu platzieren, aus denen sich jeder Kunde bedienen kann.

Was bei einem Mischkauf – Rx und Rezeptfreies – gilt, ist vom BGH noch nicht geklärt. Die Apothekerkammern sehen dies Braun zufolge unterschiedlich. Kritisch ist es vor allem, für diese Fälle Zuwendungen anzukündigen. Um Risiken auszuschließen, rät die Rechtsanwältin, Werbegeschenke mit einem Wert unter 1 Euro auf den ausschließlichen Kauf nicht preisgebundener Waren zu beschränken.

Werbung in Fachkreisen

Braun verwies auch auf ein Urteil, das sich mit einer Fachkreiswerbung befasste: Eine Apotheke bewarb Ärzten gegenüber Impfstoffe mit einem Katalog, der auch ein Bestellformular enthielt, mit dem der Arzt ab 100 Impfdosen neben den Impfstoffen unentgeltlich „Serviceartikel“ bzw. Applikationshilfen (Kanülen, Injektionspflaster, Kanülensammler) mitbestellen konnte. Der Apothekenverkaufspreis dieser Artikel lag zwischen 2,22 und 3,22 Euro, ihr Gesamtwert bei rund 13 Euro. Das Oberlandesgericht Köln (Urteil v. 7. Dezember 2018, Az.: 6 U 95/18 – rechtskräftig) hielt das für zulässig. Es sieht die Zuwendungen gleich durch zwei Ausnahmetatbestände des § 7 HWG gedeckt: als geringwertige Kleinigkeit und als handelsübliches Zubehör. Wenn sich der Wert der Zugabe von Impfzubehör unter 1 Prozent des Werts der eingekauften Ware (hier: 0,8 Prozent) und im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten bewege und dies nicht als Besonderheit des Angebots herausgestellt werde, ist dies aus Sicht des Gerichts unproblematisch.

DocMorris: Weiteres EuGH-Urteil steht aus

Was die Marketingaktivitäten von EU-ausländischen Arzneimittelversendern betrifft, so muss sich noch zeigen, wie diese das seit Kurzem geltende sozialrechtliche Boni-Verbot im GKV-Bereich akzeptieren. Dass DocMorris sich hier derzeit zurückhaltend gibt, könnte auch daran liegen, dass der Konzern gerade versucht, deutsche Vor-Ort-Apotheken für seine Gesundheitsplattform zu gewinnen. Allerdings gibt es auch noch ein offenes Verfahren vor dem EuGH gegen DocMorris. Hier geht es um einen Flyer, auf dem die Niederländer bundesweit für ein Gewinnspiel geworben haben.

Als Hauptpreis lockten ein E-Bike im Wert von 2.500 Euro und hochwertige elektrische Zahnbürsten – mitmachen konnte aber nur, wer ein Rezept einsandte. Das Oberlandesgericht Frankfurt /M. sieht diese Kopplung als einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG – es geht hier also nicht um einen Verstoß gegen das Preisrecht wie im Jahr 2016, sondern um die Frage der Anwendbarkeit der heilmittelwerberechtlichen Vorschriften. Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, dass die bloße Chance, ein E-Bike im Wert von 2.500 Euro zu gewinnen, die zulässige Geringwertigkeitsschwelle überschreite. Zudem löse die Teilnahmemöglichkeit an dem Gewinnspiel einen Anreiz aus, der dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG zuwiderlaufe. Das Gericht sieht die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung: Kunden könnten verleitet sein, ihr Rezept angesichts des in Aussicht gestellten Gewinns lieber an DocMorris zu schicken, als in der Apotheke vor Ort eine Beratung wahrzu­nehmen.

Im Revisionsverfahren hat nun der BGH die Sache dem EuGH vorgelegt. Er soll darüber befinden, ob die Anwendung einer Norm wie § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG in einem Fall wie diesem mit EU-Recht im Einklang steht. Auf eine baldige Entscheidung darf man gespannt sein. |

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