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Interpharm online 2021
Vision und Chance mit rechtlichen Fallstricken
Was steckt in der Telepharmazie?
Die Möglichkeit zur telemedialen Betreuung wurde für die Apotheken mit der Lockerung der Anforderungen an den Botendienst im Jahr 2019 eröffnet. Danach darf die hierfür erforderliche Beratung nun ausdrücklich auch im Wege der Telekommunikation erfolgen (§ 17 Abs. 2 Satz 7 ApBetrO). Zwar ist die neue Option konkret an den Botendienst geknüpft, aber gedanklich wurde damit auch die Tür für weitere Einsatzbereiche der pharmazeutischen Fernbetreuung aufgestoßen. Dr. Bettina Mecking legte dar, welche rechtlichen Aspekte für die Zukunft noch geklärt werden müssen.
Beratung auch aus dem Homeoffice?
Eine zentrale Frage betrifft den „virtuellen Arbeitsplatz“. Muss dieser zwangsläufig in den Apothekenbetriebsräumen eingerichtet werden oder geht das auch vom Homeoffice aus? Fest steht: Auf jeden Fall muss die absolute Vertraulichkeit der Gespräche und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen gewährleistet sein. Bei Anwendungen wie WhatsApp oder Zoom, deren Server außerhalb der EU gehostet werden, sei dies nicht unbedingt gewährleistet, gab Mecking zu bedenken und empfahl deshalb dringend, die Anbieter entsprechender Dienste daraufhin genau zu checken. Sollte die Dienstleistung auch im Homeoffice ermöglicht werden, muss sichergestellt sein, dass keine Außenstehenden, wie etwa Familienmitglieder, Einsicht in persönliche Unterlagen erhalten oder bei Beratungsgesprächen mithören können. Weiterhin sollte daran gedacht werden, dass die wissenschaftlichen Hilfsmittel, die nach § 5 Satz 1 Nr. 2 ApBetrO zur Information und Beratung des Kunden vorhanden sein müssen, jederzeit zugänglich sind.. Außerdem wird laut Mecking als Einwand gegen die Möglichkeit zum Homeoffice angeführt, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden die zu Hause durchgeführten Tätigkeiten nicht effektiv überwachen könnten, weil sie zu Wohnräumen nur sehr begrenzt Zutritt haben.
Wer soll die Teleberatung machen dürfen?
Zu dieser Frage vertritt Mecking eine klare Meinung: „Wird die Leistung über einen Apothekenbetrieb angeboten und beworben, ist sie eine pharmazeutische Dienstleistung eben dieser Apotheke.“ Das heißt, dass Personen, die den Service anbieten, Apothekenmitarbeiter sein müssen. Auch PTA dürften als pharmazeutisches Personal wahrscheinlich telepharmazeutisch tätig sein, allerdings nur unter der Aufsicht eines Approbierten (§ 3 Abs. 5 ApBetrO). Auf jeden Fall müsse gewährleistet sein, dass telemedizinisch Tätige den Weisungen des Apothekenchefs unterliegen. Mecking hält es auch für denkbar, einen besonders qualifizierten Apotheker stundenweise/tageweise dafür anzustellen. Ebenso könnte sie sich vorstellen, dass die Standesorganisationen einen Pool mit qualifizierten Mitarbeitern bereitstellen, an den sich Apotheken wenden können, um sich die Dienstleistung dort „einzukaufen“.
Wie die telepharmazeutisch tätigen Apotheker an die Apotheken angebunden sein müssen, ist für Mecking eine „extrem wichtige apothekenpolitische Frage“. Ihrer Überzeugung nach darf sich die persönliche Beratung als Kernaufgabe der apothekerlichen Tätigkeit nicht von der Apotheke als Institution lösen. Gewerblichen Konstruktionen von Dritten, die als „Callcenter-Pharmazie“ systematisch Beratungsleistungen aus dem Homeoffice anbieten, erteilt die Justiziarin deshalb eine klare Absage. Die Maxime müsse lauten: „Lieber reinholen als outsourcen.“
Wann darf telepharmazeutisch beraten werden?
Rechtlich umstritten ist auch die Frage, wann die telepharmazeutischen Dienste erbracht werden dürfen. Sollten sie an den Apothekenbetrieb angebunden sein, so müsste die Beratung wohl innerhalb der gesetzlich zugelassenen Öffnungszeiten stattfinden, was Mecking allerdings für diskutabel hält.
Auch an die Honorierung denken
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Honorierung der Leistung. Wenn eine telepharmazeutische Dienstleistung über die Beratung zum abgegebenen Arzneimittel hinausgeht, muss sie aus Sicht der Kammerjustiziarin, analog zur Telemedizin bei den Ärzten, auch vergütet werden. An dieser Stelle erinnerte Mecking daran, dass das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) pharmazeutische Dienstleistungen in die Regelvergütung aufnehmen will, und riet angesichts dessen dazu, frühzeitig über die Honorierung des Services nachzudenken.
Der Face-to-face-Kontakt ist weiterhin der Goldstandard
Mecking hält es für „berufspolitisch immens wichtig“, dass mit dem neuen Angebot die Apotheke vor Ort gestärkt wird und dass sie sich damit pharmazeutisch weiterentwickelt. Sie erwartet, dass digitale Tools die Apothekerschaft in Zukunft nicht nur mit Ärzten, sondern auch mit Digitalanbietern und den Patienten enger vernetzen. Das mache die Apotheker auf lange Zeit unersetzbar, so ihre Überzeugung. Zwar betrachtet Mecking den Face-to-face-Kontakt weiterhin als Goldstandard für die Beratung, aber die Telepharmazie ist für sie eine innovative Ergänzung des individuellen Leistungsspektrums und nicht bloß ein Marketinginstrument. Am Ende sollte damit jedenfalls keine pharmazeutische „Beratung erster und zweiter Klasse“ entstehen.
„Seht mal her, das können wir auch!”
Abschließend appellierte Mecking an die Apothekerschaft, sich die Gestaltung des neuen Dienstleistungsangebots „Telepharmazie“ nicht aus der Hand nehmen zu lassen. „Apothekerinnen und Apotheker sollten ihren Weg in der Telepharmazie selbst definieren und mit Services aufladen, bevor es andere Anbieter außerhalb der Apotheke tun“, so die Kammerjustiziarin. Schließlich sollten sich die Apotheken auch Gedanken über ihren individuellen telepharmazeutischen „Marktauftritt“ machen. Wer zum Beispiel mit dem Slogan „Willkommen in unserer Video-Sprechstunde“ werbe, ziehe sich möglicherweise Ärger mit der Arztpraxis nebenan zu, warnte Mecking. Denn der Begriff „Sprechstunde“ werde meist als Synonym für die ärztliche Tätigkeit an sich benutzt, sodass entsprechende Ankündigungen von Apotheken irreführend sein könnten. |
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