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Management

Achtsamkeit – Entschleunigung im hektischen Berufsalltag

Ein gutes Stressmanagement führt zu mehr Belastbarkeit und größerer Motivation

Einfach mal in Ruhe arbeiten? Wer wünscht sich das nicht in diesen ungewissen Zeiten. Viele Menschen fühlen sich gestresst oder arbeiten unter andauernder Anspannung. Sich auf das Wesentliche zu fokussieren fällt dabei manchmal schwer. Wer im Berufsalltag ständig stark gefordert wird und zugleich zu großer Perfektion neigt, kann leicht in eine Erschöpfungs­spirale geraten, wodurch die Leistungs­fähigkeit sinkt. Mehr Achtsamkeit und eine gute Selbstorganisation können helfen, mit der Beschleunigung des Lebens entspannter umzugehen.
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Stimmt schon, man kann zwei Stufen auf einmal nehmen, also sich beeilen. Aber man muss dabei trotzdem einen Fuß vor den anderen setzen, sonst fällt man auf die Nase. Step by Step ist also gesünder und effektiver als Multitasking.

Das Tempo und die Ansprüche im Berufsleben sind gewachsen. Immer mehr Menschen leiden darunter, überall zu sein, nur nicht im Hier und Jetzt. Den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren, ist in unserer sich ständig verändernden Welt wichtiger denn je. Die Jahrtausende alte Tradition der Achtsamkeit in den beruflichen Alltag zu integrieren, kann helfen, die Hektik der Gedanken zu stoppen, den Stresspegel zu senken und dadurch zu mehr Zufriedenheit und Freude im Job führen.

Ein häufiger Wunsch ist es, den Arbeitsalltag gelassener und effektiver zu managen. Einzelne Aufgaben konzentriert zu erledigen und Störfaktoren zu erkennen bzw. zu verändern sind Ziele, die es dabei zu verfolgen gilt. Den perfekten Weg zum besseren Zeitmanagement gibt es nicht. Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen: Während manche viel Routine im Tagesgeschäft benötigen und durch Zeitdruck schnell in Stress geraten, laufen andere unter heraus­fordernden Bedingungen erst zu Hochtouren auf. Analytiker sind eher detailverliebt und gründlich, sie scheitern häufig daran, einfach mal zügig etwas wegzuschaffen. Sie müssen zunächst daran arbeiten, sich auf die eigentlich wich­tigen Aufgaben zu fokussieren, ohne sich dabei zu verzetteln.

Achtsamkeit – was bedeutet das eigentlich?

Achtsamkeit? Hat jeder schon mal gehört. Der Begriff hat seine Wurzeln im Buddhismus und es gibt mittlerweile verschiedene Defini­tionen dafür. Gemeint ist ursprünglich die Fähigkeit, offen, neugierig und ohne Wertung die Umwelt und die eigenen Empfindungen, Gedanken und Körperreaktionen wahr­zunehmen. Achtsamkeit ist ein wichtiger Aspekt der Selbstfürsorge. Es ist ein „Sich-bewusst-Sein“, was jetzt gerade geschieht. Achtsamkeit kann zu einer wesentlichen Ressource werden, die Menschen dabei hilft, Stress zu bewältigen und ein höheres Bewusstsein für Gesundheitsförderung zu haben. Mithilfe von Yoga, autogenem Training, progressiver Muskelentspannung oder bestimmten Meditations- bzw. Atemtechniken lässt sich eine bessere Achtsamkeit konkret erlernen und üben. Als Businesstrend wird eine erhöhte Achtsamkeit, Präsenz, Empathie und ethische Haltung gegenüber sich selbst und anderen auch als „Mindfulness“ bezeichnet, die die Konzentration und Resilienz steigern soll.

Digitaler Stress

Immer mehr Berufstätige fühlen sich durch die überwältigende Informationsflut und die zunehmende Digitalisierung gestresst. Das sind laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2018 entgegen den Erwartungen insbesondere Arbeitnehmer der jüngeren Generation. Diese sind zwar meist digital kompetenter, stellen aber auch an sich und ihre Kollegen höhere Anforderungen an ständige Erreichbarkeit und schnellstmögliche Beantwortung von E-Mails. Im Wesentlichen gehen Studien zu digitalem Stress auf den klinischen Psychologen Brod zurück, der den Begriff geprägt hat und das Phänomen als „Unvermögen eines Individuums, mit neuer Technologie in einer gesunden Art umzugehen“ beschrieb, was zu Stresserleben führt. Deshalb ist es sinnvoll, die Kompetenz im Umgang mit digi­talen Technologien zu erhöhen – und das sowohl im Berufsleben als auch im privaten Bereich. Individuelle Zeitdiebe zu entlarven und auch mal „offline“ zu arbeiten sind wichtige Ansätze, um das tägliche Stresslevel zu senken. Hier hilft es, sich bei zu viel Ablenkung immer wieder selbst zu disziplinieren und achtsamer zu werden. Bei der Einschätzung der jeweils benötigten Zeit für einzelne Aufgaben realistisch zu bleiben und lieber etwas mehr Puffer einzuplanen als unbedingt nötig, kann ebenfalls helfen, Zeitdruck zu vermeiden und den Alltag gelassener zu erleben.

Abschied vom Multitasking

Ein erfolgreiches Zeitmanagement mit dem Blick auf das Wesentliche ist für den immer turbulenter werdenden Berufsalltag besonders wichtig. Auch Apothekenmitarbeiter müssen oft mehrere Dinge auf einmal erledigen. Die täglich anfallende Arbeit stapelt sich, in der Offizin warten die Kunden und dann klingelt an manchen Tagen auch noch ununterbrochen das Telefon. Das stresst viele und kann einen ganz schön ins Schleudern bringen. Multitasking funktioniert – das ist wissenschaftlich erwiesen – in der Regel nicht und führt häufig zu mehr Fehlern im Arbeitsablauf. Die meisten Menschen können sich nur auf eine Sache gut konzentrieren. Anstatt mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen zu wollen, ist es oft zielführender, eins nach dem anderen anzugehen. Klingt einfach? Ist es aber im hektischen Berufsalltag meist nicht. Deshalb lohnt es sich, jeden Tag – den Möglichkeiten entsprechend – etwas zu strukturieren. Am besten nimmt man sich gleich zu Arbeitsbeginn ein paar Minuten Zeit, um alle anstehenden Aufgaben auf einer individuellen To-do-Liste zusammenzufassen und Prioritäten zu setzen. Durch diese Liste behält man seine Aufgaben trotz eines herausfordernden Arbeitsalltages im Blick, ohne ständig darüber nachdenken zu müssen. Zudem steigert ein schriftlich fixierter Plan auch die Selbstmotivation. Jede abgearbei­tete Aufgabe wird abgehakt, sodass am Ende des Tages nochmals die erfolgreich erledigten Dinge sichtbar werden, bevor die Liste in den Papierkorb wandert. Langfristige Aufgaben können auch gut auf Zeiten verschoben werden, zu denen es mal weniger Kunden zu bedienen gibt oder das Team ausreichend besetzt ist. Idealerweise unterstützen sich die ein­zelnen Kollegen dabei, gezielt und in Ruhe arbeiten zu können, und nehmen sich – besonders an stressigen Tagen – auch gerne mal dringende Aufgaben ab.

Literaturtipps

  • Collard, Dr. Patrizia: Das kleine Buch vom achtsamen Leben: 10 Minuten am Tag für weniger Stress und mehr Gelassenheit, Heyne Verlag 2016, ISBN 978-3-453-70310-0, 8,99 Euro
  • Eßwein, Jan Thorsten: Achtsamkeitstraining (mit CD), Gräfe und Unzer Verlag 2015, ISBN 978-3-8338-4829-2, 17,99 Euro
  • Black, Anna: Achtsamkeit im Job: Stress reduzieren, produktiv arbeiten und zufriedener sein, Trias Verlag 2018, ISBN 978-3-432-10802-5, 14,99 Euro

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Die Balance finden

Das Arbeitsleben – besonders in den Gesundheitsberufen – wird immer anspruchsvoller und häufig gelingt das Abschalten nach Feierabend nicht mehr so leicht. Andauernder Stress ist oft ein Ungleichgewicht von den Anforderungen, die an einen gestellt werden, und den Möglichkeiten, damit richtig umzugehen. Ein gutes Stress­management ist deshalb ein wesent­licher Kompetenzfaktor für zuverlässige, belastbare und längerfristig motivierte Mit­arbeiter. Zu lernen, nicht nur aktuell mit Stress gut umzugehen und diesen zu bewältigen, sondern auch zu wissen, wie man seine Widerstandsfähigkeit in hektischen Situationen proaktiv steigern kann, ist wichtig, um auch künftigen und vielleicht manchmal unerwarteten Belastungen standhalten zu können. Durch gezielten Stressabbau kann die Begeisterung und Motivation für die tägliche Arbeit gesteigert und die Resilienz auch in schwierigen Situationen gestärkt werden.

Akutes Stresserleben und langfristiges Stressmanagement greifen häufig ineinander. Das bedeutet: Je mehr man sich langfristig mit Stress auseinandersetzt und Methoden zum individuellen Stressabbau beherzigt, desto weniger machtlos wird man sich in akut belastenden Situationen fühlen. Eine herausfordernde Situation zunächst einfach nur anzunehmen und als Realität zu akzeptieren, kann helfen, die Kontrolle nach dem Analysieren der jeweiligen Lage schnell zurückzugewinnen. Manchmal genügen schon einige bewusste und tiefe Atemzüge, um eine aufschießende körperliche oder emotionale Reaktion zu re­gulieren und wieder klar denken zu können. Auch regelmäßige und konsequent umgesetzte Pausen können nach schwierigen und hektischen Phasen zu einer wichtigen Kraftquelle werden. Diese kurzen Auszeiten sollte man sich ab und zu ganz bewusst gönnen, um langfristig leistungsfähig und belastbar zu bleiben – und das nicht nur nach Feierabend.

Einen kühlen Kopf bewahren

Das tägliche Miteinander mit Kunden und Kollegen verläuft nicht immer reibungslos. Besonders im Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern kann eine gute Achtsamkeit helfen, eine kritische Situation schnell zu entschärfen. Gerade wenn alle Beteiligten unter Zeitdruck stehen oder wenn z. B. ein Kunde in der Mittagspause vollkommen ungeduldig und unfreundlich nur noch schnell seine drei Rezepte in der Apotheke einlösen möchte, lohnt es sich, tief durchzuatmen und möglichst gelassen zu bleiben. Bestimmte Achtsamkeitspraktiken können dabei helfen, starke Emotionen in anstrengenden Phasen zu regulieren. Die aufmerksame Wahrnehmung der jeweiligen Situation und eine klare und ruhige Kommunikation, bei der das genaue Zuhören im Vordergrund steht, sorgen idealerweise für eine gesunde und angenehme Arbeitsatmosphäre im gesamten Team.

Tipps für achtsames Arbeiten

  • Ruhig und bewusst in den Arbeitstag starten
  • Morgens eine To-do-Liste erstellen und Prioritäten setzen
  • Multitasking vermeiden, Aufgaben nacheinander erledigen
  • Produktive Tageszeiten für anspruchsvolle Arbeiten nutzen
  • Ablenkungen durch E-Mails, Telefon oder Smartphone vermeiden
  • Kolleginnen und Kollegen nicht ablenken
  • Kleine und regelmäßige Pausen einplanen
  • Kurze Wartezeiten nutzen, um bewusst zu atmen
  • Die Umgebung wertfrei wahrnehmen
  • In der Mittagspause einen kleinen Spaziergang machen
  • Aufgaben klar kommunizieren und sich gegenseitig unterstützen
  • Gesprächspartnern bzw. Kunden volle Aufmerksamkeit schenken
  • Weniger selbst reden, dafür genau zuhören
  • Den Fokus auf das Positive lenken
  • Gutes wahrnehmen und dankbar für kleine Dinge sein

Damit Achtsamkeit Schritt für Schritt „ins Blut übergeht“, sollten verschiedene Methoden im Alltag immer wieder erprobt und verfestigt werden (s. Tipps für achtsames Arbeiten). Wer nach einem langen Arbeitstag versucht, sich nicht über die nervigen Dinge zu ärgern, sondern sich an die positiven Kleinigkeiten zu erinnern, verbessert seine Fähigkeit, Gutes wahrzunehmen, reduziert seinen Stresslevel und erhöht dadurch seine Alltags­kompetenz und Resilienz für viele Bereiche des Lebens. |

Apothekerin Dr. Irina Treede, Heidelberg

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