Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Wenn nichts mehr geht, dann Luther

Von Sprichwörtern und Redensarten

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Den wohl mit Abstand größten Fundus an Redensarten und Sprichwörtern, die Eingang in den allgemeinen Wortschatz der Deutschen gefunden hat, liefert Martin Luther bzw. die Bibel. Seine Bibelübersetzung und die darin auffindbaren Sprachwendungen sind mannigfaltig und sprachprägend. So gehen die nachfolgend in diesen Text eingebetteten Sprachschöpfungen allesamt auf Luther zurück, hinreichende Bestätigung dafür, dass seine Lebensleistung nicht genügend gewürdigt werden kann. Etwas ausposaunen bedeutet, etwas zu einem (zu) frühen Zeitpunkt vollmundig preiszu­geben. Im Schweiße meines Angesichts deutet daraufhin, dass etwas unter großen Mühen und unter Einschränkungen zustande kam. Ein Machtwort sprechen heißt so viel wie z. B. einer ausufernden Diskussion oder einem noch nicht finalisierten Entscheidungsprozess durch ein vehementes Votum die Richtung zu weisen. Wenn etwas nicht hinreichend abgesichert ist, nannte dies Luther auf Sand gebaut haben. Und einen Schmeichler, der eigentlich Böses im Schilde führt, bezeich­nete er als den Wolf im Schafspelz. Luther war es, der jedes Wort auf die Goldwaage legte und der die getroffene Übereinkunft zwischen Menschen mit ein Herz und eine Seele beschrieb. Wenn etwas nicht so läuft, mit mehr Aufwand verbunden ist als gedacht oder man an der Grenze des Erträglichen scheint, rät Luther die Zähne zusammenzubeißen. Fallen stellen will gekonnt sein, denn wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Und das wäre schlecht, denn Luther philosophiert auch: Hochmut kommt vor dem Fall. Sein Gerechtigkeitssinn ist in vielen Schriften, aber auch in der filmischen Darstellung seines Lebens dokumentiert und äußert sich im Zitat: Was Recht ist, muss Recht bleiben. Auch Luther konnte überrascht werden, denn auch bei ihm geschahen noch Zeichen und Wunder. Und dass das Mensch­liche Luther nicht fremd war, entnehmen wir den Zeilen der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

Wenn man – in der Regel eher negativ – überrumpelt wird, wenn etwas völlig Überraschendes, so nicht Erwartetes abrupt auf einen einwirkt, kann es schon mal passieren, dass man zur Salzsäule erstarrt. Und wer absolut keinen Plan hat, nicht erkennen kann, was er an sich erkennen möchte, der tappt im Dunkeln. Bei Luther heißt es „sein Licht unter den Scheffel stellen“, was dann in „nicht unter den Scheffel stellen“ umgemünzt wurde und davor warnt, seine Fähigkeiten zu verbergen. Und manch einer hat eine Bekanntschaft, Freundschaft, Liebschaft auf immer und ewig geschlossen.

Wer Wahrheiten ausspricht, auch wenn diese unangenehm sind, auf etwas verzichtet, weil es ihm nicht geboten scheint, wer offen Farbe bekennt, sich vor oder hinter eine Sache stellt, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Und manchmal begegnen einem Dinge, die man nicht durchdringt, nicht verstehen will oder kann bzw. die sich einem nicht erschließen – dann hat man es nach Luther mit einem Buch mit sieben Siegeln zu tun. Wer sich besonders engagiert, richtig reinhängt oder auch viel Zeit investiert, ist mit Feuereifer dabei. Wer Erlesenes teilen möchte und auf Ignoranz stößt, wer Leidenschaft entwickelt und Desinteresse erfährt, wer sich unendlich viel Mühe gemacht hat, von der Reaktion aber enttäuscht wird, der wirft Perlen vor die Säue.

Wir sehen: In der deutschen Sprache „luthert“ es nur so. Viele Redewendungen nutzen viele von uns wie selbstverständlich, ohne dass uns in jedem Fall klar war und ist, welchen Ursprung die Sprachschöpfung hat. So ist es erstaunlich zu sehen, wie viel Luther (noch immer) in der deutschen Sprache spricht und wie viele der Redewendungen tatsächlich auch heute noch zum aktuellen Sprachschatz zählen. In den letzten 20 Jahren wurde der Langmut der Apothekerinnen und Apotheker allzu oft auf die Probe gestellt und hin und wieder geschahen dann doch noch Zeichen und Wunder und Dinge kehrten sich zu einem besseren Ende. Doch es bleibt die Sorge, dass manches auf Sand ­gebaut ist, dass viele politische Entscheidungen Bücher mit sieben Siegeln sind und bleiben, dass man die Apothekerschaft im Dunkeln tappen lässt, um sie dann je nach Entscheidungslage zur Salzsäule erstarren zu lassen. Viele Standesvertreter sind mit Feuer­eifer dabei. Doch ist die Politik der viel beschworene Wolf im Schafspelz, reicht es dann, wenn man immer wieder die Zähne zusammenbeißt, aus seinem Herzen keine Mördergrube macht und stets aufs Neue versucht, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen und es doch nicht selten unterm Scheffel lässt? Es wäre an der Zeit ein Machtwort zu sprechen, auf den Tisch zu schlagen und deutlich zu machen, dass was Recht ist auch Recht bleiben muss. Denn, liebe Politik, wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Wie froh war und ist man in Pandemie­zeiten über verlässliche Marktteilnehmer und Akteure im Gesundheitsmarkt, auf die man zählen kann und die im Schweiße ihres Angesichts getan haben, was getan werden musste. So bleibt die Hoffnung auf ein sich wiedereinzustellendes Verhältnis zwischen der Apothekerschaft und der Politik im Sinne von einem Herz und einer Seele oder, wie es Luther auch zu sagen pflegte, von einem Land, darin Milch und Honig fließt. |

 

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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