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- DAZ 52/2020
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Arzneimittel und Therapie
Unbehandelt droht Erblindung
Leitlinie gibt Empfehlungen für die Glaukom-Vorsorge
Das Glaukom (Grüner Star) ist eine akute oder chronische fortschreitende Augenkrankheit, die zu einer Schädigung des Sehnervs führt (Optikusneuropathie). Die häufigste Form ist das Offenwinkelglaukom, es tritt bei mehr als 90 Prozent der Betroffenen auf. Unterschieden werden das Hochdruckglaukom (Augeninnendruck ≥ 21 mmHg) und das Normaldruckglaukom (10 bis 21 mmHg). Seltenere Formen wie das Winkelblock- oder das kongenitale Glaukom, das bereits bei oder sogar schon vor der Geburt besteht, werden in der Leitlinie nicht betrachtet.
Ein Viertel hat keine Symptome
Weil beim Glaukom Nervenzellen der Netzhaut untergehen, kommt es nach und nach zu Gesichtsfeldausfällen. Diese werden von den Patienten aber häufig erst im fortgeschrittenen Stadium bemerkt. Etwa ein Viertel der Betroffenen hat überhaupt keine Symptome. Eine aktuelle Untersuchung konnte zeigen, dass bei der Erstvorstellung in der Klinik zwischen 10 und 20 Prozent der Glaukom-Patienten wegen eines eingeschränkten Gesichtsfeldes nicht mehr fahrtüchtig waren. Der rechtzeitigen Diagnose der Erkrankung kommt große Bedeutung zu, da sie unbehandelt immer weiter fortschreitet und zur Erblindung führen kann. Die Leitlinie hat herausgearbeitet, bei welchem Personenkreis besondere Aufmerksamkeit gefragt ist. Auf diese Risikofaktoren wird im Folgenden eingegangen.
Alter, Geschlecht und Herkunft als Risikofaktoren
Daten zur Inzidenz des Offenwinkelglaukoms lassen die Schlussfolgerung zu, dass etwa 0,5% bis 1,5% der Menschen im Alter zwischen 40 und 80 Jahren innerhalb der nächsten fünf Jahre erkranken werden. Aus den Ergebnissen von systematischen Übersichtsarbeiten lässt sich ableiten, dass Männer etwas häufiger (1,3-fach) erkranken. Im Vergleich mit Hellhäutigen sind Menschen mit dunkler Hautfarbe etwa dreimal so häufig betroffen. Dabei zeigte sich bei Personen lateinamerikanischer Herkunft ein deutlich steilerer Anstieg der Erkrankungshäufigkeit mit dem Alter als bei anderen Ethnizitäten. Menschen mit einer positiven Familienanamnese ersten Grades erkranken dreimal häufiger. Epidemiologische Daten zum Zusammenhang mit Angehörigen zweiten Grades fehlen noch.
Refraktion und okuläre Hypertension als Risikofaktor
Mit steigendem Augeninnendruck wird ein Offenwinkelglaukom wahrscheinlicher. Bei einer okulären Hypertension von ≥ 25 mmHg liegt das Risiko für eine Erkrankung in den nächsten fünf Jahren bei 9,5%. Dagegen führte eine Drucksenkung zur Reduktion der Erkrankungsfälle auf 4,4%. Auch Kurzsichtigkeit (Myopie) zählt zu den Glaukom-Risikofaktoren. Bei Menschen mit einer Myopie von vier Dioptrien ist das Risiko für ein Offenwinkelglaukom zwei- bis dreimal so hoch wie bei Normalsichtigen.
Risikofaktor | Empfehlungen zur Häufigkeit der IOD-Messung |
---|---|
Alter | Wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen: 40 bis 59 Jahre: alle fünf Jahre ab 60 Jahre: alle zwei bis drei Jahre |
okuläre Hypertension (22 bis 25 mmHg) | Bei Vorliegen eines dieser Risikofaktoren: Screening-Intervalle verkürzen: 40 bis 59 Jahre auf zwei bis drei Jahre, ab 60 Jahre auf einmal jährlich Bei zwei oder mehr Risikofaktoren: jährliches Screening |
familiäre Belastung 1. Grades | |
Myopie ab 4 Dioptrien | |
dunkle Hautfarbe* oder lateinamerikanische Abstammung | |
Papillenexkavation** grenzwertig oder Seitenunterschied | |
längere Steroidtherapie (systemisch oder okulär) | |
Personen < 40 Jahre | + 1 Risikofaktor: Screening alle fünf Jahre + 2 Risikofaktoren: alle zwei bis drei Jahre > 3 Risikofaktoren: jährlich |
* Bei Personen mit dunkler Hautfarbe wird empfohlen, bereits ab einem Alter von 30 Jahren ein Screening durchzuführen, da diese wahrscheinlich in jüngerem Alter an Glaukom erkranken als hellhäutige Menschen. ** Bei einer Papillenexkavation ist die Sehnervpapille, d. h. die Austrittsstelle des Sehnervs aus dem Auge, nach außen gedrückt. |
Risikoerhöhung durch Steroide
Ausführlich gehen die Leitlinienautoren auf Zusammenhänge zwischen der Anwendung von Steroiden und dem Auftreten eines Glaukoms oder eines erhöhten intraokulären Drucks (IOD) ein. In klinischen Studien hatte sich bei systemischen sowie bei lokal am Auge applizierten Steroiden ein erhöhtes Risiko für eine Augeninnendruck-Erhöhung gezeigt, auch wenn systematische Übersichtsarbeiten bisher fehlen. Bei intravitrealer Applikation besteht die Besonderheit, dass die IOD-Erhöhung von der Dosierung und vom Wirkstoff abhängen kann. So traten in einer Studie nach Applikation von 0,35 mg Dexamethason die IOD-Erhöhung bei 11% der Patienten auf, nach 0,7 mg Dexamethason bei 15%, nach 4 mg Triamcinolon bei 32%, nach 0,59 mg Fluocinolon bei 66% und nach 2,1 mg Fluocinolon bei 79%. Intranasal verabreichte Steroide hatten in den ausgewerteten Studien keine IOD-Erhöhung zur Folge. Bei inhalativen Steroiden erhöhte sich das Risiko für Glaukom oder IOD-Erhöhung nur nach Anwendung höherer Dosen, nicht jedoch in niedrigen Dosierungen.
Empfehlungen für das Screening
Ob Diabetes mellitus das Glaukom-Risiko erhöht, wurde in mehreren Studien systematisch untersucht. Dabei zeigte sich ein rund 1,4- bis 1,5-fach erhöhtes Risiko für ein Offenwinkelglaukom. Dagegen gibt es bezüglich arterieller Hypertonie und erhöhtem Körpergewicht keine einheitlichen Studienergebnisse. Diese Erkrankungen sind deshalb nicht in die Handlungsempfehlungen für das Screening auf ein Offenwinkelglaukom bei Erwachsenen eingeflossen (s. Tab.). |
Literatur
Bewertung von Risikofaktoren für das Auftreten des Offenwinkelglaukoms. S2k-Leitlinie des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands (BVA) und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Stand Januar 2020, gültig bis Dezember 2022, AWMF-Register Nr.045-015
Kiddee W et al. Intraocular pressure monitoring post intravitreal steroids: a systematic review. Surv Ophthalmol 2013; 58(4):291-3
Gramer G, Gramer E, Stage of visual field loss and age at diagnosis in 1988 patients with different glaucomas: implications for glaucoma screening and driving ability. Int Ophthalmol 2018; 38(2):429-41
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