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Umweltpharmazie
Arzneimittel allgegenwärtig
Wirkstoffe und ihre Metabolite im Gewässer – was können Apotheker dagegen tun?
Neben Rückständen von Veterinärarzneimitteln lassen sich in Gewässern auch in großem Umfang Rückstände von Humanarzneimitteln nachweisen. Dabei handelt es sich um die eingesetzten Wirkstoffe, sowie Metabolite. Es kann sich aber auch um Transformationsprodukte handeln, die durch abiotische Umweltprozesse erzeugt werden.
Zum einen gelangen Arzneimittelrückstände durch falsche Entsorgung von nicht verwendeten oder Altmedikamenten in die Umwelt [1], zum anderen jedoch durch ihren bestimmungsgemäßen Gebrauch: nach Einnahme der Arzneimittel werden viele Wirkstoffe und entsprechende Metabolite wieder ausgeschieden und gelangen so in den Abwasserstrom. Die bestehende Technik zur Abwasserreinigung ist nicht in der Lage sie vollständig zu entfernen, bevor das gereinigte Abwasser in die Umwelt eingeleitet wird.
Das Wissen zu möglichen Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch diese Problematik ist nach wie vor lückenhaft und wird es auch bleiben. Dafür gibt es einfach zu viele Wirkstoffe und damit auch Metabolite sowie Transformationsprodukte. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten jedoch Schädigungen von aquatischen Lebewesen nachweisen. Dies gibt Grund zu Besorgnis, auch wenn für den Menschen keine direkte Gefährdung besteht [2 – 10].
Die geltenden rechtlichen Regelungen für Risikominderungsmaßnahmen von Arzneimitteln in der Umwelt bilden nur einen begrenzt wirksamen Rahmen. In Deutschland wird durch das Umweltbundesamt das Vorsorgeprinzip verfolgt. Demgemäß besteht Bedarf nach weitergehenden alltäglichen Handlungsmöglichkeiten, um den Eintrag von Arzneimittelwirkstoffen in die Umwelt zu reduzieren. Ein zentrales Handlungsfeld ist die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung bei wichtigen Akteuren wie z. B. Ärzten und Apothekern innerhalb des Gesundheitssystems. Sie sind es, die die Ausgabe von Arzneimitteln an Patienten veranlassen bzw. diese realisieren.
Apotheker sind damit im Bereich der Reduktion von Arzneimitteleinträgen in die Umwelt neben Ärzten sowie Nutzern von Arzneimitteln in einer Schlüsselposition [11]: Sie beraten und informieren Kunden bzw. Patienten, wie sie Arzneimittel richtig anwenden, welche Neben- oder Wechselwirkungen zu erwarten sind und was sie bei der Einnahme beachten müssen. Sie tragen somit Verantwortung bzw. sind als Multiplikator von Bedeutung. Auch mit dem Thema Entsorgung von Arzneimitteln sind sie durch die Kunden, die ihre abgelaufenen Arzneimittel zurückbringen oder sich nach dem korrekten Umgang erkundigen, regelmäßig konfrontiert. Daher ist es wichtig, dass Apotheker über die Sachverhalte des Eintrags und der Wirkung von Arzneimittelrückständen in der aquatischen Umwelt informiert sind und wissen, was sie in ihrem Berufsalltag tun können, um den Eintrag zu reduzieren. Nur so sind sie in der Lage, Maßnahmen in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Hierzu möchte dieser Artikel einen Beitrag leisten.
Gesellschaftlicher Umgang mit Arzneimitteln
Eine wichtige Information für die richtige Ansprache der Bevölkerung ist die Frage, wie die Deutschen mit Arzneimitteln umgehen und was sie über Umweltbelange wissen bzw. zu wissen meinen. Dies wurde in einer repräsentativen Umfrage von 2000 Deutschen in Bezug auf das Problem Arzneimittelrückstände im Wasser erhoben [13].
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte der Deutschen noch nie etwas vom Thema der Arzneimittelrückstände im Wasserkreislauf gehört hat und nur 12 Prozent von denen, die schon davon gehört haben, sagen, dass sie darüber gut informiert seien. Dies bedeutet, dass aktuell kaum Wissen und damit auch keine klare Haltung zu dem Thema in der Bevölkerung besteht. Dies spiegelt sich auch in den Antworten auf die Ursachen und die Verantwortlichen wider. 61 Prozent nahmen an, dass hauptverantwortlich für das Vorkommen von Arzneimittelrückständen in Gewässern die pharmazeutische Industrie sei – ein Trugschluss wie das Kapitel zu den Eintragspfaden in die Umwelt aufzeigt.
Ein zusätzlicher Hinweis, dass die Bevölkerung von dem Problem wenig weiß, ist der Umstand, dass fast die Hälfte der Deutschen Flüssigarzneimittel nicht immer korrekt entsorgt, diese nämlich in die Toilette oder das Waschbecken kippen. Auch bei Tabletten gibt es diese Tendenz, allerdings sind es mit 20 Prozent deutlich weniger, die in unterschiedlichem Grad ihre Tabletten(reste) falsch entsorgen.
Gleichzeitig besteht eine gewisse Bereitschaft, zur Reduktion des Eintrags von Arzneimitteln in die Umwelt beizutragen. So gab beispielsweise eine große Mehrheit der Befragten an (Abb. 1), dass sie bei leichteren Beschwerden bereit wären, zunächst bewährte Hausmittel einzusetzen, anstatt gleich Tabletten zu nehmen. Eine fast ebenso große Mehrheit zeigte die Bereitschaft, bei gleicher Wirkung eine umweltfreundlichere Alternative zu wählen.
Welche Wirkstoffe sind tatsächlich umweltrelevant?
Für eine Studie aus dem Jahr 2013 wurden die damals in Deutschland zugelassenen 95.000 Arzneimittel auf ihre Umweltrelevanz hin analysiert [14]. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass von den ungefähr 2300 zugelassenen Wirkstoffen die Hälfte, also ca. 1650, als potenziell umweltrelevant einzustufen sind. Bei der anderen Hälfte handelt es sich um traditionelle pflanzliche Arzneimittel, Elektrolyte, Vitamine, Peptide, Aminosäuren sowie viele natürlich in der Umwelt vorkommende Substanzen wie Mineralien, Stoffgruppen die als nicht toxisch oder schnell abbaubar eingeordnet werden [6]. Verbrauchsmengen für Deutschland sind schwierig abzuschätzen. Die Autoren beziffern diese Menge auf 8120 Tonnen, dafür wurden Verkaufszahlen der Apotheken ausgewertet, die von IMS Health erhoben wurden [15]. Interessant dabei ist, dass ungefähr zwei Drittel der Verbrauchsmenge auf nur 16 Wirkstoffe entfallen und das restliche Drittel auf die beiden Wirkstoffe Metformin und Ibuprofen (Abb. 2). Von einem weiteren Anstieg des Arzneimittelverbrauchs ist auszugehen [15].
Eintragspfade in die Umwelt
Der Haupteintragsweg (Abb. 3) im Bereich der Humanpharmazeutika ist das Abwasser. Menschen nehmen Arzneimittel ein und scheiden diese teilweise in Form der Wirkstoffe oder Metaboliten aus. Diese gelangen über die Toilette ins Abwasser. Hinzu kommen noch in geringerem Umfang Wirkstoffe, die über Salben und Tinkturen ins Wasch-/Duschwasser gelangen. Obendrein kommen noch über die Toilette und das Waschbecken falsch entsorgte Medikamentenreste und Altmedikamente, eine durchaus noch gängige Praxis [13]. Das so belastete Abwasser gelangt über die Kanalisation in die Kläranlagen, wobei ein Teilstrom, Fachleute sprechen von bis zu 20 Prozent bei Trockenwetter [16], über Leckagen verloren geht und direkt in den Boden sickert, wodurch die Arzneimittelrückstände direkt ins Grundwasser gelangen können. Zum häuslichen Abwasser kommt noch Abwasser aus Krankenhäusern, Arztpraxen und Rehaeinrichtungen, wo eine große Zahl an Arzneimitteln verabreicht wird – dazu kommen noch Einleitungen von pharmazeutischen Produktionsstätten [15, 17]. Aktuelle Studien belegen jedoch, dass der größte Anteil über den diffusen Eintrag des häuslichen Abwassers geschieht [18, 19].
Eine zweite Ursache, die dazu führt, dass Arzneimittel gar nicht erst die Kläranlage erreichen, sind Starkregenereignisse. Hier gelangt in kurzer Zeit eine solch große Wassermenge in die Kanalisation, dass diese direkt in die Gewässer abgeschlagen werden muss, also ungereinigt in die Gewässer geleitet wird.
Jedoch wird auch in den Kläranlagen nur ein Teil der Wirkstoffe und Abbauprodukte eliminiert, da diese nicht für die vollständige Elimination ausgelegt sind. Die sorbierbaren Stoffe gelangen in den Klärschlamm und über diesen, sofern er nicht verbrannt wird, als Bodenverbesserer und Material im Landschaftsbau in die Umwelt. Auch Wirkstoffe, die zunächst nachweislich abgebaut werden, da keine oder nur sehr geringe Konzentrationen im Kläranlagenablauf noch nachweisbar sind, sind nicht immer gänzlich verstoffwechselt. Es ist auch möglich, dass nur ein teilweiser Abbau zu einem oder verschiedenen Transformationsprodukten erfolgt ist, die von der genutzten Analytik (noch) nicht erfasst wurden. Teilweise sind diese Transformationsprodukte schädlicher als die Ausgangswirkstoffe. Möglich ist auch ein weiterer Abbau, ebenso wie eine Rückbildung zu ihrer ursprünglichen Wirkstoffform [15]. Über den Boden bzw. das Oberflächenwasser (Abb. 3) gelangen die Wirkstoffe nach und nach ins Grundwasser, welches hauptsächlich für die Trinkwassergewinnung in Deutschland genutzt wird. Es konnten bereits in allen Bereichen Konzentrationen von Arzneimittelrückständen nachgewiesen werden (Abb. 4).
Um eine bessere Elimination von Arzneimittelrückständen zu erreichen, wird gegenwärtig die Möglichkeit einer weiteren Behandlungsstufe, der sogenannten vierten Reinigungsstufe, insbesondere für große Kläranlagen, intensiv diskutiert. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind hier die Vorreiter in der Umsetzung. Es bieten sich technische Behandlungsverfahren mit Ozon, UV und Aktivkohle dafür an. Je nach Verfahren und Wirkstoff können 20 bis 100 Prozent Reduktion erreicht werden [15]. Allerdings gibt es kein Verfahren, das alle Arzneimittelrückstände, geschweige denn Transformationsprodukte, eliminiert und damit einen flächendeckenden Rückhalt erzielt. Zudem gehen die Verfahren mit Mehrkosten von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr bei einer Umrüstung aller großen Kläranlagen der Größenklasse 3 bis 5 einher [15].
Auswirkungen auf das Ökosystem – und den Menschen
Der Arzneimittelverbrauch nimmt insgesamt zu. Eine Ursache ist die immer älter werdende Bevölkerung mit mehr altersbedingten Krankheiten, also auch mit mehr Arzneimittelkonsum und damit einhergehend eine Zunahme der Arzneimittelrückstände in der Umwelt. Ohnehin ist es schwierig, den kausalen Zusammenhang zwischen chronischen Gesundheitsgefährdungen und dem dauerhaften Einfluss geringer Konzentrationen von Arzneimittelwirkstoffen zu identifizieren. Hinzu kommt die Zunahme von Antibiotikaresistenzen. Nach Kläranlagenabläufen konnten in den letzten Jahren erhöhte Vorkommen Antibiotika-resistenter Krankheitserreger in Gewässern nachgewiesen werden [21].
Schäden sind im Bereich der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung, des Wachstums aber auch im Verhalten der Organismen nachweisbar. Insgesamt besitzen 33 Prozent der Humanarzneimittel eine hohe Ökotoxizität [15]. Direkt betroffen sind jedoch Gewässerorganismen bei denen akute Wirkungen nachweisbar sind. Die Konzentrationen in Oberflächengewässern liegen deutlich höher (Abb. 5). So lassen sich beispielsweise Nierenschäden bei Fischen aufgrund von Carbamazepin, Clofibrinsäure und Diclofenac nachweisen – und dies bei Konzentrationen wie sie in deutschen Oberflächengewässern durchaus üblich sind [9]. Ein weiterer Befund ist, dass sich Oxazepamkonzentrationen in Gewässern verhaltensverändernd auf Flussbarsche auswirken: der Fisch wird deutlich aktiver und verlässt leichtfertiger sein Versteck, zudem verhält er sich weniger sozial und setzt sich damit einem erhöhten Risiko aus, als Fraß für Wasservögel zu enden [22 – 23]. Nicht zuletzt ist seit Langem die Wirkung von 17α-Ethinylestradiol, Wirkstoff der Antibabypille, auf Fische bekannt. In jüngeren Untersuchungen kommt noch die Wirkung von ebenfalls enthaltenen Gestagenen, wie z. B. Levonorgestrel, und ihre vermännlichende Wirkung auf die Tiere hinzu [24].
Die beschriebenen Beispiele bedeuten jedoch nicht nur Veränderungen oder gar das Verschwinden von bestimmten Tierarten in Gewässern durch das Vorhandensein entsprechender Wirkstoffkonzentrationen. Was vielleicht noch viel wichtiger ist, sind die Veränderungen, die sich dadurch in den Nahrungsketten und Ökosystemen ergeben [25]. Fallen etwa planktonfressende Fische weg, bleibt für die Fischarten, die sich wiederum von diesen ernähren ebenfalls die Nahrungsquelle aus und sie verhungern. Dahingehend wächst Plankton in viel größeren Mengen heran und kann wiederum Einfluss auf die Gewässerqualität haben. Dies bedeutet, dass sich – aufgrund der starken Vernetzung zwischen den einzelnen Organismenarten – Ökosysteme nachhaltig und dauerhaft verändern können.
Zusätzlich gilt es zu beachten, dass Wirkstoffgemische zu Wirkungen führen können, die sich aus den Konzentrationen der Einzelstoffe nicht ableiten lassen [26]. Diese Wirkungen liegen dabei häufig über der Wirkung der Einzelstoffe und verhalten sich damit nicht-linear. Das erschwert ihre Prognostizierbarkeit – insbesondere wenn man die Vielzahl der Wirkstoffe, Metabolite und Transformationsprodukte berücksichtigt.
Risikomanagement
Ein direktes Risiko für den Menschen durch die vorhandenen Konzentrationen von pharmazeutischen Rückständen in der Umwelt besteht nicht. Es wird jedoch deutlich, dass die Wirkstoffe bereits unsere Umwelt beeinflussen und es kann davon ausgegangen werden, dass dies auch weiter geschieht. Bisher gibt es nur ein sehr begrenztes Wissen über die Auswirkungen von Arzneimittelwirkstoffen im Wasserkreislauf. Wir können davon ausgehen, dass das aufgrund der Vielzahl der Wirkstoffe, Metabolite, Transformationsprodukte und der verschiedenen Organismen sowie ihrer Endpunkte auch noch lange so bleibt.
Da unsere Wasserressourcen eine wichtige Lebensgrundlage darstellen, sollten sie bestmöglich geschützt werden. Das Umweltbundesamt empfiehlt deshalb ein Vorgehen gemäß des Vorsorgeprinzips: „Im Sinne des Vorsorgeprinzips und zum Schutz von Mensch und Umwelt sollten Lösungsansätze vor allem am Beginn der Kausalkette ansetzen.“ [27].
Dies bedeutet, dass es wichtig ist, bereits bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe entsprechende Umweltaspekte wie die Abbaubarkeit zu berücksichtigen und auch in der Herstellung mögliche Emissionen zu reduzieren. Das sollte um entsprechende Möglichkeiten im Bereich der Zulassung und Überwachung ergänzt werden. Schließlich müssen auch die Möglichkeiten im Bereich des Gesundheitssystems in der Vorsorge und Therapie durch Krankenkassen, Ärzte und Apotheker berücksichtigt werden. Nicht zu vergessen, der Umweltbereich bzgl. der Entsorgung von Abfall und Abwasser und dessen Behandlung. Maßnahmen in diesen Bereichen wenden sich auch an die Bevölkerung und deren Umgang mit Medikamenten im Krankheitsfall und auch nach Ende der Nutzung durch eine sachgemäße Entsorgung.
Das bedeutet, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen und Akteuren bedarf, um den Eintrag in die Umwelt zu reduzieren. Neben einem Exkurs in den Bereich der „Grünen Pharmazie“, die eher in der Zukunft wirkt, geht es dabei vor allem um die Handlungsmöglichkeiten der Apotheken im Bereich der konkreten Maßnahmen und der Beratung.
Handlungsmöglichkeiten für Apotheker
Gemeinsam mit Apothekern und Pharmazeuten und im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg wurden drei Bereiche identifiziert, in denen Apotheker bereits heute oder zukünftig tätig werden können, um etwas zur Eintragsreduktion von Arzneimittelrückständen in die Umwelt beizutragen, ohne dass das Patientenwohl dabei beeinträchtigt wird. Dabei handelt es sich um [11]:
a) Maßnahmen bzgl. Entsorgung von Altmedikamenten und Medikamentenresten
b) Maßnahmen bzgl. Compliance und reflektierten Umgang mit Arzneimitteln
c) Wirkstoffbezogene Maßnahmen auf Basis entsprechender Informationen oder einer Datenbank.
Die hier dargestellten Maßnahmen sind nicht alle abschließend ausgearbeitet und bewertet. Sie bieten jedoch erstmalig eine Übersicht, was im Verantwortungsbereich von Apothekern möglich sein könnte und sie sollen Anregung sein, geeignete Maßnahmen auszuwählen, weiterzuentwickeln und anzuwenden. Dabei gilt es zu betonen, dass nicht alle Maßnahmen direkt angewendet werden können, da notwendiges Detailwissen nicht verfügbar ist. Daher sind sie in der nachfolgenden Übersicht auch in aktuell mögliche und zukünftige Maßnahmen unterschieden.
Sonderfall Krankenhausapotheken
In Krankenhausapotheken ist die Entsorgung Teil des Systems und kann über die krankenhausinternen Kommunikationswege und -kanäle verändert und verbessert werden [11]. So ist es etwa möglich, nicht verwendete Arzneimittel in die Apotheke zurückzuschicken, was zum Teil schon geschieht. Zudem ist es sinnvoll, dass die Apotheker mit den Stationen gemeinsam ein Vorratsmanagement erarbeiten, das darauf abzielt, die Mengen möglichst gering zu halten und Verfall zu minimieren. Dadurch können Kliniken auch Kosten sparen. Ergänzend kommt hinzu, dass Apotheker in Krankenhäusern eine Beratungsfunktion gegenüber den Ärzten einnehmen und nur Wirkstoffe zu Anwendung kommen, die auf internen Listen verzeichnet sind. So entsteht nebenbei ein direkter Austausch zwischen den Professionen. Durch diese direkte Kommunikation mit Pflegepersonal und Ärzteschaft sind Krankenhausapotheker zudem wichtige Multiplikatoren, die auf das Thema effizient aufmerksam machen und dessen Wahrnehmung verbessern können. Dies bedeutet, dass es hier auch einen größeren Spielraum zur Arzneimittelsubstitution gibt. Allerdings gilt es die Entscheidungskaskade zu beachten:
1. Indikationsbezogene Beratung
2. Wechselwirkungen
3. Kosten
4. Umwelt
Fazit und Ausblick
Das Thema „Arzneimitteleinträge in die Umwelt“ ist in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen weder in der Fort- und Weiterbildung von Apothekerinnen und Apothekern noch im Pharmaziestudium etabliert. Die Autoren dieses Artikels haben jedoch zu dem Thema zusammen mit weiteren Projektpartnern Aus- und Fortbildungsmaterialien erarbeitet. Die Ergebnisse sind in das Forschungsprojekt „Die Apotheke als zentraler Ort für den (umwelt-)bewussten Umgang mit Arzneimitteln“, gefördert vom Umweltbundesamt, geflossen. Gemeinsam mit der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg sowie den Pharmazeutischen Instituten der Universitäten Freiburg und Kiel wurden Aus- und Fortbildungsformate entwickelt und erprobt. Die Projektergebnisse und Materialien sind online verfügbar. Geben Sie auf DAZ.online in das Suchfeld den Webcode K5DK2 ein und gelangen Sie direkt zu einem Handbuch mit Hinweisen und Anregungen zur Implementierung. Das soll dazu beitragen, dass die Schwelle für die Integration sowohl des Themas in Fortbildungseinrichtungen als auch in Hochschulen deutlich reduziert wird. Für eine nachhaltige Verankerung in der Pharmazie ist zudem die Aufnahme in die Approbationsordnung zu empfehlen. |
Literatur
[1] Götz K et al. Risk Perception of Pharmaceutical Residues in the Aquatic Environment and Precautionary Measures. In: Roig B, Weiss K, Thireau V (editors). Management of Emerging Public Health Issues and Risks: Multidisciplinary Approaches to the Changing Environment. London: Academic Press; 2019:189-224
[2] European Commission. European Union Strategic Approach to Pharmaceuticals in the Environment: Communication from the Commission to the European Parliament, the Council and the European Economic and Social Committee. Brüssel; 2019
[3] Boxall ABA et al (ed). Health care and environmental contamination. Cambridge, MA: Elsevier 2018
[4] European Commission. Options for a strategic approach to pharmaceuticals in the environment: Final Report. Brüssel; 2018. https://publications.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/5371e7bd-25db-11e9-8d04-01aa75ed71a1
[5] Pinnekamp J et al (ed). Abwasser aus Einrichtungen des Gesundheitswesens – Charakterisierung, Technologien, Kommunikation und Konzepte. Abschlussbericht SAUBER+. Aachen 2015
[6] Ebert I et al. Arzneimittel in der Umwelt – vermeiden, reduzieren, überwachen: Hintergrund. Dessau-Roßlau; 2014
[7] López-Serna R et al. Occurrence of 95 pharmaceuticals and transformation products in urban groundwaters underlying the metropolis of Barcelona, Spain. Environ Pollut 2013;174:305-15
[8] Kümmerer K. Pharmaceuticals in the Environment. Annu Rev Env Resour 2010;35:57-75
[9] Triebskorn R et al. Ultrastructural effects of pharmaceuticals (carbamazepine, clofibric acid, metoprolol, diclofenac) in rainbow trout (Oncorhynchus mykiss) and common carp (Cyprinus carpio). Analytical and Bioanalytical Chemistry 2007;387:1405-16
[10] Triebskorn R et al. Toxic effects of the non-steroidal anti-inflammatory drug diclofenac. Part II: Cytological effects in liver, kidney, gills and gut of rainbow trout (Oncorhynchus mykiss). In: Aquatic Toxicology; 2004:151-66
[11] Winker M et al. Die Apotheke als zentraler Ort für den (umwelt-)bewussten Umgang mit Arzneimitteln: Abschlussbericht. TEXTE 146/2020. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt 2020
[12] Winker M et al. Wissensvermittlung zu Arzneimittelrückständen im Wasser: Lehr- und Fortbildungskonzepte für Apothekerinnen und Apotheker. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt 2019
[13] Götz K et al. Schlussbericht des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung: Projekt TransRisk. Medieninhaltsanalyse. Repräsentativuntersuchung zu Medikamentenrückständen im Wasser. Zielgruppenmodell; 2015
[14] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (ed). Jahresbericht 2012/2013. Bonn 2013
[15] Klauer B et al. Arzneimittelrückstände in Trinkwasser und Gewässern: Endbericht zum TA-Projekt 2019
[16] Dohmann M (ed). Wassergefährdung durch undichte Kanäle. Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag 1999
[17] Rúa-Gómez PC et al. Impact of wastewater treatment plant discharge of lidocaine, tramadol, venlafaxine and their metabolites on the quality of surface waters and groundwater. J Environ Monit 2012;14:1391-9
[18] Herrmann M et al. The significance of different health institutions and their respective contributions of active pharmaceutical ingredients to wastewater. Environ Int 2015;85:61-76
[19] Le Corre KS et al. Consumption-based approach for assessing the contribution of hospitals towards the load of pharmaceutical residues in municipal wastewater. Environ Int 2012;45:99-111
[20] Umweltbundesamt (UBA). Arzneimittelwirkstoffe in Oberflächengewässern: [Online] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/4_abb_arzneimittelwirkst-konz-ueber-0-1mg-ofg-2015_2018-08-07.pdf. [Zugriff: 05.11.2020]; 2018
[21] Exner M et al. Hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotika-resistenter Krankheitserreger in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in Rohwässern: Synthese- und Abschlussbericht. Bonn, Karlsruhe, Dresden, Aachen, Bad Elster 2020
[22] Brodin T et al. Dilute concentrations of a psychiatric drug alter behaviour of fish from natural populations. Science 2013;339:814-5
[23] Götz K et al. Arznei für Mensch und Umwelt? Umsetzung der Empfehlungen des Handbuches Kommunikationsstrategien zur Schärfung des Umweltbewusstseins im Umgang mit Arzneimitteln. Ein Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit Arzneimitteln; 2016
[24] Runnalls TJ et al. Several synthetic progestins with different potencies adversely affect reproduction of fish. Environ Sci Technol 2013;47:2077-84
[25] Kidd KA et al. Direct and indirect responses of a freshwater food web to a potent synthetic oestrogen. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci 2014;369
[26] Bergmann A et al. Zusammenstellung von Monitoringdaten zu Umweltkonzentrationen von Arzneimitteln; 2011
[27] Umweltbundesamt (UBA). Arzneimittel und Umwelt 2014. https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/arzneimittel/humanarzneimittel/arzneimittel-umwelt [accessed November 6, 2020]
Danksagung
Die Autoren möchten sich bei ihren Projektpartnern seitens Leuphana Universität Lüneburg und Öko-Institut e. V. als auch den Umsetzungspartnern am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Albert-Ludwig-Universität Freiburg, dem Institut für Pharmazeutische Chemie der Christian-Albrechts-Universität Kiel und der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg für die Zusammenarbeit sowie dem Umweltbundesamt für die Beauftragung bedanken.
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