Arzneimittel und Therapie

Mit Nadeln gegen Nervenschmerzen

Akupunktur kann betroffenen Krebspatienten langfristig helfen

Die Polyneuropathie ist eine Nebenwirkung, die bei Chemotherapien beispielsweise mit Platinverbindungen, Taxanen und anderen Mitosehemmern auftritt. Sie schränkt die Lebensqualität der Betroffenen nach dem Überleben der Krebserkrankung oft langfristig ein. Auf der Suche nach einer gut verträglichen, evidenzbasierten Behandlung wurde nun die Therapie mittels Akupunktur genauer unter die Lupe genommen.

Aufgrund der Zunahme an Krebserkrankungen tritt eine Polyneuropathie immer häufiger als Folge einer Chemotherapie auf. Grundsätzlich ist diese nach Beendigung der Therapie reversibel, jedoch muss mit einer langen Regenerationsphase gerechnet werden. Ungefähr die Hälfte aller Polyneuropathien geht mit Schmerzen einher. Polyneuropathische Schmerzen unterscheiden sich in ihrer Entstehung signifikant von nozizeptiven Schmerzen. Durch eine Schädigung somatosensorischer Nervenstrukturen kommt es spontan zur Aktivierung der Nerven mittels überaktiver Natriumkanäle, Entzündungs­mediatoren und Wachstumsfaktoren. In einer Metaanalyse wurden zur Behandlung der Neuropathie kürzlich folgende Wirkstoffe als Mittel der ersten Wahl genannt: Gabapentin, Pregabalin, Duloxetin, Venlafaxin und trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin). Begleitend können Physiotherapie, Ergotherapie und körperliches Training hilfreich sein. Die Akupunktur wird vom Krebsinformationsdienst bislang als experimentelles Behandlungsverfahren, dessen Wirksamkeit nicht sicher belegt ist, aufgeführt. Hierzu werden weitere Studien als notwendig erachtet.

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Um die Empfindlichkeitsstörungen an Händen und Füßen zu verbessern, bekamen die Probanden Akupunkturnadeln auf Ohren und Körper gesetzt.

Akupunktur im Fokus

In einer amerikanischen Pilotstudie wurde nun der Effekt der Akupunktur bei Chemotherapie-induzierter Polyneuropathie untersucht. In die dreiarmige Studie wurden Patienten eingeschlossen, die unter moderater bis schwerer Polyneuropathie litten und zuvor mindestens drei Monate Chemotherapie erhalten hatten. Insgesamt nahmen 75 Personen an der Studie teil und wurden gleichmäßig auf folgende drei Gruppen aufgeteilt:

  • Akupunkturgruppe: Zehn Behandlungen von halbstündiger Dauer innerhalb von acht Wochen mit manueller Akupunktur echter Akupunkturpunkte.
  • Scheinakupunktur: Zehn Behandlungen von halbstündiger Dauer innerhalb von acht Wochen mit nicht penetrierender Scheinakupunktur.
  • Standardbehandlung: Keine Behandlung, nur Erfassung der Polyneuropathie und Schmerzmedikation.

Signifikante Verbesserung unter Akupunktur

Primärer Endpunkt waren die polyneuropathischen Schmerzen nach acht Wochen, welche mittels numerischer Rating-Skala erfasst wurden (0 = keine Schmerzen, 10 = stärkste vorstellbare Schmerzen). Durch die echte Akupunktur kam es zu einer Schmerzreduktion um 1,75 Punkte (95%-Konfidenzintervall: -2,69 bis -0,81). Damit war die Akupunktur der Standardbehandlung knapp signifikant überlegen (p = 0,05). In der Gruppe mit Scheinakupunktur betrug die Schmerzreduktion nach acht Wochen 0,91 Punkte (95%-Konfidenzintervall: -2,00 bis 0,18). Dies war gegenüber der Standardbehandlung nicht signifikant (p = 0,31). Nach insgesamt zwölf Wochen wurden die Therapieeffekte nochmals mittels Skalen und Fragebögen erfasst. Hierbei zeigte sich, dass der Effekt der echten Akupunktur anhielt (Schmerzreduktion -1,74), während die Scheinakupunktur nicht nachhaltig war (Schmerzreduktion -0,34). Folglich belegte die Pilotstudie, dass echte Akupunktur Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie verbessern kann. Da es sich um eine kleine monozentrische Studie von kurzer Dauer handelt, sollte das Ergebnis zusätzlich in größeren, länger dauernden, multizentrischen Studien analysiert werden. |

Literatur

Sommer C, Geber C et al. Polyneuropathies – etiology, diagnosis, and treatment options. Dtsch Arztebl Int 2018;115:83-90

Bao T, Patil S et al. Effect of acupuncture vs sham procedure on chemotherapy-induced peripheral neuropathy symptoms: a randomized clinical trial. JAMA Netw Open 2020;3:3(e200681)

Chemotherapie-induzierte Neuropathie: Kumulierte Dosis. Informationen der Österreichischen Ärztezeitung, www.aerztezeitung.at/archiv/oeaez-2017/oeaez-21-10112017/chemotherapie-induzierte-neuropathie-kumulierte-dosis.html, Abruf am 21. Oktober 2020

Neuropathie bei Krebspatienten: Beschwerden lindern, Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums, www.krebsinformationsdienst.de/leben/neuropathie/neuropathie-behandlung.php, Abruf am 24. Juli 2020

Apothekerin Dr. Karin Schmiedel

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