Nachhaltigkeit

Die Sache mit den Extremereignissen

Einerseits reden wir über eher geringe Erwärmungen der Erdmitteltemperatur im Bereich von bislang gut 1 °C (von rund 14 °C ausgehend), perspektivisch von 2 oder 3 °C, in Extremszenarien noch mehr. Gefühlt ist das trotzdem nicht sehr viel. Pro Grad Celsius Zunahme nimmt aber beispielsweise der Wassergehalt in der Luft um knapp 7% zu – weltweit wird es also signifikant feuchter (aber nicht überall). Doch wird der Temperaturanstieg nicht gleichmäßig verlaufen. Manche Regionen werden sich weit mehr erwärmen (wie z. B. jetzt schon die Pole oder große Teile Sibiriens), andere weniger. Temperaturgegensätze werden sich verschärfen, dies wiederum wird im Zusammenwirken mit sich verändernden Meeresströmungen das Wettergeschehen lokal ganz erheblich verändern. Extremereignisse werden überproportional zunehmen. Das ist auch eine Konsequenz der Statistik.

Foto: John Smith – stock.adobe.com

Hierzu ein Beispiel (s. Abb.). Die Jahresmitteltemperatur in Deutschland beträgt ab 1960 etwa 8,8 °C bei einer Standardabweichung von 0,9 °C. Steigt die Jahresmitteltemperatur z. B. um „nur“ 1,5 °C, vervielfacht sich die Wahrscheinlichkeit für ein Jahr mit einer Durchschnittstemperatur über 12 °C auf rund 3% – bisher gab es das noch nie in der jüngeren Geschichte und wäre erst viele Hundert Kilometer weiter südlich normal. Schon geringe Verschiebungen des Mittelwertes bedeuten also an den Rändern starke Veränderungen. Nebenbei: Solche Erwägungen spielen auch bei der Sicherung von Prozess-/Produktqualitäten eine große Rolle.

Abb.: Schon geringe Veränderungen des Mittelwerteserhöhen die Wahrscheinlichkeit von Extremen weit überproportional, hier am Beispiel der Jahresmitteltemperaturen. Während hierzulande bisher eine südländische Jahresmitteltemperatur über 12 °C fast ausgeschlossen war (blaue Kurve), sieht dies bei einem mittleren Temperaturanstieg um „nur“ 1,5 °C ganz anders aus (rote Kurve)

Analog verhält es sich mit Ereignissen wie die Schwere von Stürmen, Starkregen, Dürren oder extreme Hitze- bzw. Kälteperioden. Kommt z. B. ein außergewöhnlich trockenes Jahr alle zehn Jahre vor, ist die Wahrscheinlichkeit für drei Dürrejahre hintereinander 1/1000.­ Kommt es nunmehr alle drei Jahre vor, haben wir bereits alle 27 Jahre eine solche Periode mit erheblichen Auswirkungen auf die Natur. Noch schlimmer wird es, wenn dann sich selbst verstärkende Mechanismen einsetzen: Eine trockene Landschaft lässt weniger Wasser verdunsten, was weiteren Regen unwahrscheinlicher macht, worauf sich die Dürre verstärkt usw.

Fazit: Vermeintlich geringe Temperaturveränderungen können insbesondere regional viel bewirken. Wir sind gut beraten, nicht nur das „Klima retten“ zu wollen, sondern uns auf teils sehr deutliche Umweltveränderungen einzustellen und uns daran anzupassen.

Prof. Dr. Reinhard Herzog

 

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