Interpharm online 2020

Ganz ohne Alkohol zur Fettleber

Wie Ernährung die Leber schädigt und wie man gegensteuern kann

cb | Im Eröffnungsvortrag des wissenschaftlichen eKongresses stellte Prof. Dr. Martin Smollich, Lübeck, die Pathogenese, die Diagnostik sowie Behandlungsmöglichkeiten der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) vor. Nicht ein übermäßiger Fett- oder Alkoholkonsum ist dafür die Ursache, sondern eine überhöhte Kohlenhydratzufuhr. Mit einer Prävalenz von etwa 30% in der Gesamtbevölkerung ist die NAFLD stärker verbreitet, als man vermuten würde, und gleichzeitig relativ unbekannt. Die gute Nachricht: Durch Lebensstiländerungen sind die pathologischen Prozesse komplett reversibel, sofern noch nicht zu weit fortgeschritten.

Ausgangspunkt für die nichtalkoho­lische Fettlebererkrankung (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD, sprich: Näfl-die) ist eine Stoffwechsellage, bei der der Körper über die Ernährung permanent mehr Kohlenhydrate aufnimmt, als er benötigt. Sind die Glykogenspeicher in Leber und Muskel maximal gefüllt, schaltet die Leber auf Lipogenese um und lagert überschüssiges Fett als Bauchfett ab. Im weiteren Verlauf kommt es auch zur ektopen Fettablagerung in den Hepatozyten (Steatose). „Doch die Leber ist kein Fettspeicherorgan“, betonte Smollich. Deshalb führen die Fettablagerungen zu oxidativem Stress mit Entzündungsreaktionen und schließlich zur Ausbildung der nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH). Schreitet dieser Prozess über viele Jahre fort, erleidet das Organ nach und nach einen Funktionsverlust bis hin zur Leberzirrhose, schließlich kann sich ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Prof. Dr. Martin Smollich zeigte, dass die Leber als Haupt-Entgiftungsorgan unseres Körpers zwar viel „wegstecken“ kann, doch wenn ihr permanent mehr Kohlen­hydrate angeboten werden als notwendig, sind pathologische Veränderungen möglich.

„Die Leber leidet leise“

Von NAFLD Betroffene spüren – ab­gesehen von gelegentlicher Müdigkeit oder rechtsseitigen Oberbauchbeschwerden – häufig keine typischen Symptome. Auch die Leberwerte liegen meistens im Normalbereich. Deshalb ist eine nichtalkoholische Fett­lebererkrankung häufig ein Zufallsbefund. Um mehr Betroffene zu diagnostizieren, wird empfohlen, auch unabhängig von den Leberwerten bei Adipositas, Prädiabetes und Diabetes sowie metabolischem Syndrom ein Fettleber-Screening durchzuführen. Erst im Ultraschallbild, gegebenenfalls kombiniert mit einer Elastografie, lassen sich strukturelle Hinweise auf eine NAFLD finden. Mithilfe einer Leberbiopsie kann man feststellen, wieviel Prozent der Hepatozyten Fetteinlagerungen aufweisen.

Vermeintlich gesunder Fruchtzucker

Der in den letzten Jahren gestiegene Konsum von Fruchtzucker, vor allem in Form von Limonaden, Fruchtsäften oder Smoothies, trägt vermutlich zur Prävalenz-Erhöhung der NAFLD in den westlichen Ländern bei. Denn wenn bei einem Überangebot die Aufnahmekapazität des Dünndarms für Fruktose überschritten wird, kommt es zum „Überschwappen“ (Spillover-Effekt) in den Dickdarm. Dort modifiziert Fruktose die Darm-Mikrobiota dahingehend, dass proinflammatorische Stämme überwiegen können. Außerdem führt Fruktose, die über den Blutkreislauf in die Leber gelangt, zur epigenetischen Aktivierung der Lipogenese. „Eine Fructose-reiche Ernährung hat deshalb einen maß­geblichen Anteil an der Pathophysio­logie der NAFLD“, so Smollich. Diese Zusammenhänge erklären auch, weshalb auch schlanke Menschen von einer nichtalkoholischen Fett­leber­erkrankung betroffen sein können. Ihr Anteil liegt jedoch nur bei etwa 5%.

Foto: Screenshot

Über eine Chatfunktion konnten die Teilnehmer am wissenschaftlichen eKongress direkt Fragen an die Referenten stellen - hier im Screenshot rechts zu erkennen.

Noch keine zugelassenen Arzneimittel

Für die Behandlung der nichtalkoho­lischen Fettlebererkrankung stehen derzeit keine Arzneimittel zur Verfügung. Im Fokus der Forschung stehen Antidiabetika wie Liraglutid, Semaglutid oder Pioglitazon, die sich positiv auf den Verlauf der NAFLD auswirken können, da sie die Insulinsensitivität steigern. Da die chronische systemische Entzündung bei der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung eine wichtige Rolle spielt, werden in Studien derzeit auch antiinflammatorische Behandlungsansätze wie beispiels­weise hochdosiertes Vitamin E (800 IE/Tag) verfolgt.

Lebensstilmodifikation: beste Prophylaxe und Therapie

Durch Lebensstiländerungen sind die pathologischen Prozesse bis zum Stadium der Steatohepatitis prinzipiell komplett umkehrbar. Die Lebensstil­modi­fikation besteht aus drei Bereichen:

  • der Erhöhung der körperlichen Aktivität,
  • der Reduktion des Körpergewichts und
  • der richtigen Ernährung.

In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass sich die muskuläre Insulinsensitivität allein durch die Erhöhung der körperlichen Aktivität, also ohne Gewichtsabnahme, steigern lässt. „Das ist für die Führung der Patienten wichtig, die häufig glauben, sie müssen stark abspecken, damit die Leber besser wird“, so Smollich. Nachhaltige Verbesserungen der NAFLD sind bereits bei einer mäßigen körperlichen Aktivität von etwa vier Stunden pro Woche zu erreichen. Smollich betonte, dass nicht nur Ausdauersport­arten wichtig sind, sondern zur Steigerung der Insulinsensitivität der Muskulatur auch moderates Krafttraining betrieben werden muss. Bei der Lebensstilintervention Gewichtsabnahme wurden bereits deutliche positive Effekte auf die Leberverfettung bei Reduktionen zwischen sieben und zehn Prozent gesehen. Bei der Ernährung gilt: „Low-carb“ ist besser als „low-fat“. Für Patienten, die die Diagnose Fettleber erhalten haben, ist das jedoch nicht immer gleich einleuchtend. Weiterhin kommt es bei der Ernährung darauf an, die Zufuhr von Kohlenhydraten, gesättigten Fettsäuren und freiem Zucker, vor allem Fruktose in Form von Säften oder Smoothies, zu reduzieren. Der Ballaststoff- und Protein­anteil sollte erhöht und bei den Fetten hochwertige Öle bevorzugt werden. Sehr viele Studien zeigten auch, dass Kaffee hepatoprotektiv ist, wobei zwei bis vier Tassen (Filter-)Kaffee pro Tag als empfehlenswert gelten. Snacks zwischen den Mahlzeiten sollten vermieden werden; als optimal gilt eine Pause von fünf Stunden zwischen den Mahlzeiten. |

 

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