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Offene Forderungen – was ist zu tun?
Nach dem Insolvenzantrag von AvP ergeben sich für die Apotheken viele juristische Fragen
Grundsätzlich steht den Apotheken für eingelöste Rezepte eine Zahlungsforderung gegen die Krankenkasse zu. Die Apotheken und AvP-Kunden haben diese Forderung in der Regel an die AvP abgetreten mit der Folge, dass die AvP Inhaber dieser Forderungen wird. Wer verhindern will, dass die AvP weiterhin die Forderungen gegen die Krankenkassen für zukünftig eingelöste Rezepte abgetreten bekommt und damit Inhaber dieser Forderungen wird, muss sich von dem Vertrag mit AvP lösen.
Das zugrundeliegende Vertragsverhältnis zwischen den Apotheken und der AvP ist ein Dauerschuldverhältnis, welches man aus wichtigem Grund kündigen kann. Ein wichtiger Grund in diesem Sinne ist immer dann gegeben, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung beiderseitiger Interessen ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Gründe dafür, dass den Apothekern ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist, können darin liegen, dass auch zukünftig die Gelder der Krankenkassen nicht rechtzeitig an die Apotheken ausgezahlt werden. Das ist für die Apotheken jedoch nicht hinnehmbar. So sind diese auf ihre Abrechnungen und Gelder der Krankenkassen zur Weiterführung des Unternehmens zwingend angewiesen. Hierbei wird von Bedeutung sein, dass Apotheken eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung einnehmen. Zudem hat AvP mit Schreiben vom 22.09.2020 mitgeteilt, den Geschäftsbetrieb mit den Offizinapotheken einzustellen. Rezepte werden laut AvP nicht mehr entgegengenommen. Die Kündigung aus wichtigem Grund müsste daher mit sofortiger Wirkung erfolgen.
Gleichzeitig sollte man die Krankenkasse davon in Kenntnis setzen. So kann verhindert werden, dass die Krankenkasse noch mit schuldbefreiender Wirkung an AvP leistet.
Ob noch nicht abgerechnete Rezepte zurückgegeben werden, wird derzeit laut AvP geprüft. Jedenfalls kann nach erfolgter Kündigung, die auch die Vorausabtretung der Forderungen erfasst, die Herausgabe der Rezepte geltend gemacht werden.
Geltendmachung der bisher offenen Forderungen
Die Beendigung des Vertragsverhältnisses kann aber nur vor der Abtretung weiterer Forderungen schützen. Somit bleibt noch ungeklärt, welche Chancen bestehen, die fälligen Auszahlungen zu erhalten. Um dies zu beurteilen, sind die Grundzüge des Insolvenzverfahrens zu betrachten:
Wenn ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird, bestimmt das Insolvenzgericht zunächst einen vorläufigen Insolvenzverwalter, hier Rechtsanwalt Dr. Jan-Philipp Hoos. Dieser hat das Vermögen zunächst zu sichern und zu prüfen, ob tatsächlich Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. Schon in diesem Stadium ist es der Insolvenzschuldnerin, also hier der AvP, untersagt, Auszahlungen vorzunehmen. Nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Ergebnisse seiner Überprüfungen gutachterlich vorgetragen hat, eröffnet es – sofern die Voraussetzungen vorliegen – das Insolvenzverfahren. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens sichert der Insolvenzverwalter weiterhin das Vermögen und nimmt gegebenenfalls rechtliche zustehende Möglichkeiten vor, um das Vermögen anzureichern. Wenn diese Abläufe abgeschlossen sind, teilt der Insolvenzverwalter das Vermögen auf. Dabei erhalten alle Gläubiger ihre Forderungen aus der Insolvenzmasse ausgeglichen, die schon zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Forderung gegen die AvP gehabt haben. Neben dem Vermögen, das Teil der Insolvenzmasse ist, können aber noch weitere Vermögenswerte existieren. Diese gehören nicht in die Insolvenzmasse.
Ob es sich nun bei den Geldern, die die AvP zwecks Weiterleitung an die Apotheken erhalten hat, um Bestandteile der Insolvenzmasse handelt oder gesondert zu behandeln sind, ist unter anderem vom zugrundeliegenden Vertragsverhältnis abhängig. Die Verträge mit der AvP sehen vor, dass diese für den Ausgleich der Apothekenforderungen ein Fremdgeldkonto bereithält. Gleichzeitig besteht die oben schon beschriebene Vertragsklausel, dass die Apotheke der AvP alle Forderungen gegenüber der Krankenkasse abtritt und diese somit Eigentümer der Forderungen wird. Diese vertraglichen Regelungen sind unter juristischer Betrachtung verschieden zu werten, wobei auch grundsätzlich zu prüfen ist, ob die Abtretung überhaupt wirksam ist. Möglich sind verschiedene Szenarien mit folgenden Konsequenzen:
1.) Die Gelder befinden sich auf Fremdgeldkonten und werden treuhänderisch gehalten.
Die Regelung über das Fremdgeldkonto könnte vermuten lassen, dass die AvP das Geld lediglich für die Apotheken aufbewahrt und verwaltet. Nach diesem Verständnis haben die Apotheken im Rahmen des Insolvenzverfahrens einen direkten Anspruch auf Aussonderung der Gelder. Allerdings darf man die zeitliche Komponente nicht vergessen – auch in diesem Falle muss der Insolvenzverwalter seine eigenen Prüfungen dahingehend vorgenommen haben.
2.) Die Gelder werden auf dem separaten Konto aufbewahrt, aber werden als Vermögen der AvP betrachtet.
Die Klausel kann auch so zu verstehen sein, dass die AvP die Gelder als eigenes Vermögen auf einem gesonderten Konto aufbewahrt und von diesem Konto lediglich die Auszahlungen vornimmt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Apotheken ihre Forderungen an die AvP übertragen haben. Somit zieht die AvP die Gelder für ihre eigenen Forderungen ein, woraus zu schließen ist, dass das Geld zunächst auch ihr zustehen könnte. In diesem Falle haben die Apotheken lediglich Insolvenzforderungen, die aus der Insolvenzmasse nur quotal ausgeglichen werden.
Es bestünde die Möglichkeit, dass sich die Gelder, die von den Krankenkassen an die AvP geflossen sind, nicht auf einem separaten Fremdgeldkonto befinden. Dabei ist sogar noch ungewiss, ob dies tatsächlich einen Vertragsbruch darstellt. Schließlich zieht die AvP wie oben bereits erläutert, die Gelder aufgrund eigener Forderungen ein. Vertraglich verpflichtet sie sich nur, das Fremdgeldkonto für den Ausgleich zu nutzen. Der Vertrag regelt nicht, dass die Gelder von der Krankenkasse unmittelbar auf das Fremdgeldkonto fließen müssen.
Welche Variante nun einschlägig ist, bedarf einer intensiven juristischen Überprüfung durch den Insolvenzverwalter. Die Überprüfung, sowohl hinsichtlich der juristischen Bewertung als auch bezogen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der AvP werden eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Mit Schreiben vom 22.09.2020 hat AvP mitgeteilt, dass diese Prüfung gegebenenfalls durch einen unabhängigen juristischen Sachverständigen durchgeführt wird. Vor Abschluss dieser Überprüfungen darf kaum mit einer vollständigen Auszahlung der Gelder gerechnet werden. Jedoch ist zugesagt worden, die entsprechenden Gelder auf einem gesonderten Konto zu separieren.
Fazit
Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten: Wer entschieden hat, sich vom Vertrag zu lösen, sollte unbedingt auch die Forderungsabtretung widerrufen und die Krankenkasse darüber informieren. Zudem ist die Abwicklung über ein neues Rechenzentrum zu organisieren. Wann und in welcher Höhe Auszahlungen auf offene Forderungen erfolgen, hängt von vielen juristischen Detailfragen ab, wobei erfahrungsgemäß Vereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter möglich und sinnvoll sind. |
1 Kommentar
Was wenn ???
von Hans-Ulrich von der Dunk am 22.10.2020 um 16:23 Uhr
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