Praxis

Notdienste verlagern – ein Streitthema

eda/ks | Notdienste innerhalb eines Filial­verbunds auf eine Apotheke zu konzentrieren, mag für manche Inhaber mit mehreren Apotheken interessant sein. Sei es aus betriebswirtschaftlichen Gründen oder weil man eine bessere Patientenversorgung anstrebt. Doch ein genereller Anspruch auf eine Verlagerung von Notdiensten besteht nicht.

Bereits 2011 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Apotheker mit mehreren Apotheken nicht verlangen können, den turnusmäßigen Notdienst immer nur mit einer ihrer Apotheken wahr­zunehmen.

Ein Jahr später wurde die Apothekenbetriebsordnung geändert – allerdings nicht § 23 Abs. 2 ApBetrO, die Grundlage für Befreiungen von der Dienstbereitschaft. Diese Norm räumt der zuständigen Behörde ein gewisses Ermessen ein, auch bei der Frage, ob ein Notdienst von einer auf eine andere Apotheke verlagert werden kann.

Foto: BVDAK

Dr. Stefan Hartmann

Dr. Stefan Hartmann, Inhaber der St. Vitus Apotheke in Gilching sowie von drei Filialapotheken, beantragte bei der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), verschiedene Notdienste seiner Filialapotheken auf seine Haupt­apotheke zu übertragen, die sich in der Nähe zu einer ärztlichen Bereitschaftspraxis befindet. Mit Bescheid vom 28. November 2018 erteilte die BLAK auch die Genehmigung, die Notdienste einer Filialapotheke an drei Samstagen im Jahr 2019 auf die Hauptapotheke zu verlegen. Die Übertragung eines weiteren Notdienst-Samstags dieser Filiale auf die Hauptapotheke versagte sie ihm jedoch, ebenso die Verlagerung von drei Samstags-Notdiensten einer anderen Filiale.

Hartmann ist überzeugt, dass die Kammer ihr Ermessen nicht richtig ausgeübt habe, wenn sie generell die drei Notdienst-Verlagerungen erlaubt, aber ansonsten den Einzelfall nicht ordnungsgemäß gewürdigt habe – konkret das Interesse der Patienten an einer Apotheke, die nahe dem ärztlichen Bereitschaftsdienst liegt und ein auf diesen abgestimmtes Warenlager vorhält. Daher zog der Apothekeninhaber vor Gericht. Das Verwaltungsgericht München wies allerdings die Klage im November 2019 ab, und auch mit einer Berufung beim Bayerischen Verwaltungs­gerichtshof (VGH) scheiterte Hartmann (DAZ 2020, Nr. 36, S. 14).

Im Gegensatz dazu, dass die Apothekenbetriebsordnung den Apotheken eines Verbunds erlaubt, untereinander Arzneimittel zu beziehen und damit die Rezepturherstellung auf eine Apotheke zu verlagern, habe man bei der Dienstbereitschaft gerade keine Sonderreglung für Filialverbünde schaffen wollen, so die Begründung des VGH. Hartmann selbst ist von der Entscheidung enttäuscht und argumentiert gegenüber der DAZ: „Der Maßstab meines Handelns als Apotheken­leiter bei allen Aufgaben, nicht nur den Notdienst betreffend, ist mit drei Fragen zu umschreiben: Für wen tun wir das? Was soll erreicht werden? Ist das ohne Vorteilsnahme gegenüber Kollegen erzielbar?“ Hartmann hält die Filialapotheke mit einer ärztlichen Bereitschaftspraxis im selben Haus für den Notdienst als „bestens geeignet“. „Dort lösen wir die konkreten Patientenwünsche am schnellsten und am besten.“ Politik und Patientenverbände wünschten sich eine bessere Notdienstversorgung, eine „völlig starre Standesregelung“ verhindere dagegen jegliche Optimierung, so Hartmann. Eine „sachgrundlose verweigerte Patientenorientierung“ von Kammerseite ist das für den Inhaber. Eine starre Auslegung von Vorschriften dürfe niemals wich­tiger sein als der Versorgungsauftrag. Ansonsten stimme etwas nicht mit der Berufsauffassung.

Foto: AKNR/A. Müller

Dr. Armin Hoffmann

Aus Sicht einer Apothekerkammer ergibt sich beim Thema „Notdienste verlagern“ jedoch ein anderes Bild. Die DAZ hat in Nordrhein nachgefragt - bei einer Kammer, die im genannten Verfahren unbeteiligt ist. „Wir als Apothekerkammer sorgen für ein flächendeckendes Netz und kommen so der gesetzlichen Vor­gabe zuverlässig nach. Das hat sich schon vor der Corona-Situation gezeigt und in der Krise nochmals bestätigt“, betont Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann. In der Apothekenbetriebsordnung hieße es unmissverständlich: „Apotheken sind zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet.“ Und weil nicht jede Apotheke rund um die Uhr geöffnet sein muss, so Hoffmann, richte sich die Organisation des Nacht- und Notdienstes vor allem nach den individuellen, regionalen und lokalen Erwartungen und Erfordernissen der Bevölkerung. „Und sie richtet sich nicht, so hart das klingt, nach den Wünschen und Vorstellungen der Apotheker.“ Die Dienstbereitschaft gelte für alle öffentlichen Apotheken gleichermaßen. Dabei gebe es keinen Unterschied zwischen Haupt- und Filialapotheken, die als sogenannte Vollapotheken über alle sächlichen und persönlichen Anforderungen zur Erfüllung des ordnungsgemäßen Notdienstes verfügen. „Diese wechselseitige Einbeziehung aller Apotheken sichert die gleichmäßige und flächendeckende Verteilung der Notdienstapotheken.“ Würden einzelne Apotheken aus diesem Netz genommen, zum Beispiel durch Zentralisierung von Notdiensten in bestimmten Apotheken, würde eine Lücke in dieses Versorgungsnetz geschnitten. Und das ginge zulasten der Patienten, „was langfristig nicht im Sinne der Apotheker sein kann“. „Aus einer lokalen oder individuellen Betrachtung heraus, mag es durchaus sein, dass ein anders geknüpftes Netz als subjektiv besser empfunden werden könnte“, räumt Hoffmann ein. Doch Ziel müsse es sein, Nähe im gesamten Versorgungsraum zu schaffen – das sei die Perspektive der Kammer.

Auf einen weiteren wichtigen Aspekt weist Kammerpräsident Hoffmann abschließend hin: Nur etwa 40 Prozent der Menschen, die den Nacht- und Notdienst der Apotheken im Kammerbezirk Nordrhein nutzen, würden mit einem Rezept kommen. „Der weit größere Anteil der Patientinnen und Patienten wählt die Selbstmedikation, kauft also OTC-Präparate. Hier ist unsere Beratungsleistung gefragt. Hier sind Apothekerinnen und Apotheker gefordert, sie sind helfende Hände, Retterinnen und Retter in der Not.“

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