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Praxis
In der Warteschleife
Wie gelingt die Kontaktaufnahme zu Notfallpraxen im Apothekennotdienst?
Öffentliche Apotheken sind zusammen mit den ärztlichen Bereitschaftsdiensten und den Notaufnahmen der Krankenhäuser Teil einer medizinisch-pharmazeutischen Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Bevölkerung. Pro Jahr leisten sie ungefähr 460.000 Notdienste, geben mehr als sieben Millionen Arzneimittel während der Notdienste ab – und das bei mehr als 20.000 Kundenkontakten pro Nacht (Quelle: ABDA, Juni 2020). Es gilt jedoch auch Probleme zu lösen. Verschreibungen können beispielsweise nicht immer ohne vorherige ärztliche Rücksprache beliefert werden. Die Gründe dafür sind vielfältig, seien es Unklarheiten, Gegenanzeigen oder Schwierigkeiten bei der Substitution im Falle eines nicht am Lager befindlichen Präparates. Jederzeit können Rücksprachen auch während des Notdienstes erforderlich sein.
Unterschieden werden muss grundsätzlich zwischen Rezepten, die während normaler Praxisöffnungszeiten ausgestellt wurden, dann aber erst im Apothekennotdienst eingelöst werden. Ergibt sich in diesen Fällen die Notwendigkeit einer Rücksprache mit dem betreffenden Arzt, ist das meist erst während der nächsten Sprechstunde möglich.
Einen ganz anderen Fall stellen die im ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgestellten Rezepte dar. Meist handelt es sich um akute gesundheitliche Beschwerden. Die betroffenen Patienten sollten nach Möglichkeit schnell mit den erforderlichen Medikamenten versorgt werden. Es kann also erforderlich sein, den verschreibenden Arzt möglichst zeitnah kontaktieren zu können.
Sonderregelungen für den Notdienst
Der seit Juli 2019 in Kraft getretene Rahmenvertrag unterscheidet zwischen Akut- und Regelversorgung. Für die Regelversorgung ist grundsätzlich vorgesehen, dass bei Unklarheiten immer Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden muss. Im Notdienst ist dies jedoch nicht immer möglich. Laut § 17 Rahmenvertrag (Sonderregelungen für den dringenden Fall in Akutversorgung /Notdienst) ist es erlaubt, ein uneindeutiges Rezept mit beispielsweise unklarer Mengenangabe ohne Rücksprache nach genau festgelegten Regeln zu beliefern. Diese dringenden Fälle können durch Anbringen einer Sonder-PZN und dem Vermerk „Akutversorgung“ auf dem Rezept sowie der Angabe, dass eine Rücksprache mit dem Arzt nicht möglich war, gelöst werden.
Ebenso kommt der § 17 Abs. 5a Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zur Anwendung, wenn im Notdienst beispielsweise ein Präparat wegen Nichtverfügbarkeit ersetzt werden muss. Eine Substitution ist im Falle entsprechender Dringlichkeit möglich. Selbstverständlich sind hierbei die pharmazeutische Kontrolle der Übereinstimmung der Anwendungsgebiete, Art und Menge der Wirkstoffe und Vergleichbarkeit der Darreichungsformen und pharmazeutischen Qualität.
Dennoch gibt es vielfältige Situationen, in denen trotz dieser Sonderregelungen für den Notdienst eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich ist.
Kontaktaufnahme zu Ärzten – unterschiedliche Regelungen im Notdienst
Im Bereich des Notdienstes ist je nach Bundesland vieles unterschiedlich geregelt. So auch die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme zu den Bereitschaftsärzten während des Apothekennotdienstes. Die Frage ist, gibt es eine zusätzliche Möglichkeit der Kontaktaufnahme außer der auf den Rezepten angegebenen 116117? Gibt es beispielsweise offizielle landesweite Lösungen mit direkten Durchwahlnummern? Gibt es darüber hinausgehend „inoffizielle“ Lösungen wie zum Beispiel Handylisten?
Von den Landesapothekerkammern kamen auf unsere Anfrage folgende Antworten: Grob können die Kammern hinsichtlich der Kontaktaufnahmeregelungen in zwei Gruppen aufgeteilt werden. In Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Sachsen-Anhalt, Hessen und Rheinland-Pfalz steht den Apotheken offiziell nur der Weg über die 116117 zur Verfügung. Wobei Niedersachsen darauf verweist, dass es keine offizielle, niedersachsenweite Durchwahlnummer gebe, wohl aber in einzelnen Regionen individuelle Vereinbarungen für eine direkte Kontaktaufnahme.
In anderen Bundesländern gibt es darüber hinausgehende Regelungen zwischen den Kammern und den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen – länderspezifische Unterschiede inklusive. So haben Apotheken in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe, Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Thüringen und Sachsen grundsätzlich die Möglichkeit, über Extra-Rufnummern mit den Bereitschaftspraxen in Kontakt zu treten.
In Bremen sei zudem eine Neustrukturierung der schon langjährig vorhandenen Extra-Rufnummer durch die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) geplant. Ziel sei es, alle Notdienstbezirke (Bremen-Nord, Bremen-Stadt und Bremerhaven) mit einer solchen direkten Rufnummer auszustatten. In Hamburg ist die Lösung vielgestaltig: Zwei Notfallpraxen (Farmsen und Altona) hätten Geheimnummern für die Apotheker. Zusätzlich gebe es eine Extra-Nummer zur Kontaktaufnahme zum mobilen Notarzt der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH). In Bayern gebe es wiederum zwei Extra-Telefonnummern, jeweils eine für mehrere Regierungsbezirke. Diese Nummern könnten von den Apothekern genutzt werden, um nicht über die 116117 gehen zu müssen. In Brandenburg gebe es seit 2018 eine Vereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg für den „direkten Draht“ zu den diensthabenden Ärzten. Der Anschluss aller Bereitschaftsdienstpraxen solle bis Mitte 2020 erfolgt sein. In Thüringen existiere seit 2017 eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Landesapothekerkammer (LAK) und der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese beinhalte, dass die KV eine gesonderte Rufnummer zur Verfügung stelle. Im Gegenzug dazu speise die LAK seit Juli 2018 den Apothekennotdienst in das Informationssystem der 116117 ein. Die sächsische LAK vermerkt, dass die Rufnummern der Bereitschaftsdienstpraxen bekannt seien. Während deren Öffnungszeiten könnten Apotheker diese Nummern nutzen. Außerhalb dieser Zeiten müssten sie jedoch über die 116117 ihr Glück versuchen.
Auf die Frage nach „inoffiziellen“ Lösungen, wie beispielsweise Handylisten, antworteten die meisten Kammern, dass ihnen solche Lösungen nicht bekannt seien. Vereinzelt sei es jedoch möglich, dass es auf lokaler Ebene einen Austausch von Handynummern gebe. Das sei jedoch häufig von den persönlichen Kontakten zwischen Apothekern und Ärzten abhängig.
Problem erkannt – aber auch gebannt?
Wie sieht es mit Klagen von Seiten der Apothekerschaft aus? Erreichen die Kammern solche Beschwerden? Ungefähr die Hälfte der Apothekerkammern gibt an, dass sie hin und wieder entsprechende Klagen erreichten. Andererseits könnten Beschwerden nicht unbedingt verallgemeinert werden. Einige Kammern (Berlin, Saarland und Brandenburg) machten keine Angaben zum Thema. Die LAK Thüringen und AK Mecklenburg-Vorpommern geben an, dass ihnen keine Beschwerden bekannt seien. Die Kammern von Bremen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erhielten keine Klagen über entsprechende Schwierigkeiten während des Notdienstes.
Den meisten Kammern ist durchaus bewusst, dass es vorteilhaft sein kann, eine direkte Kontaktmöglichkeit zu den Bereitschaftsdienstpraxen zu haben. Apotheken in neun Apothekerkammerbereichen verfügen bereits über solche Möglichkeiten. Wo es noch keine entsprechenden Lösungen gibt, sind sich die Kammern der sich daraus ergebenden Probleme im Allgemeinen bewusst.
Die Apothekerkammer Niedersachsen beschreibt einen Unterschied je nach Region. Dort, wo es Regelungen zur Kontaktaufnahme gebe, gebe es auch weniger Beschwerden. Anders sei es in Regionen ohne Absprachen. Dementsprechend stünde die Kammer zurzeit in Gesprächen mit der Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) zur Verbesserung der Kommunikationsstruktur.
Die Sächsische Landesapothekerkammer wünscht sich zur Verbesserung der Situation einen Ausbau der Telefonkapazitäten der 116117.
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) gibt an, dass es wünschenswert wäre, Möglichkeiten zur direkten Kontaktaufnahme zu haben. Auch in Hessen ist die Kammer dieser Meinung. Die AKNR stünde zudem zurzeit in dementsprechendem Gedankenaustausch mit ärztlichen Verbänden. Allerdings sei es aufgrund der unterschiedlichen Strukturen des ärztlichen Notdienstes nicht einfach, zufriedenstellende Lösungen zu finden.
Die Kollegen aus Bayern sind ebenfalls an Verbesserungen der jetzigen Situation interessiert. Vorschläge würden zurzeit mit der Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) besprochen. Insgesamt hoffen sie auf einen konstruktiven Austausch – und auf echte Lösungen.
Patienten wählen 116117 – viele Apotheken auch
Seit April 2012 erreichen Patienten den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen unter der bundesweit gültigen und kostenlosen Telefonnummer 116117. Seit 2020 ist der Patientenservice rund um die Uhr erreichbar. Außerhalb der Praxissprechzeiten kann auf diese Weise den Patienten ärztliche Hilfe vermittelt werden. Für Notfälle ist selbstverständlich weiterhin die 112 zu wählen.
Jedoch welche Nummer wählen Apotheken während des Notdienstes? Ist ärztliche Rücksprache angezeigt, ergeben sich teilweise Probleme. Rezeptformulare sind ohne Angabe einer Telefonnummer nicht vollständig. Seit 1. Juli 2015 muss eine Telefonnummer des verschreibenden Arztes im Arztstempel enthalten sein (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung). Doch diese Nummer ist nicht immer hilfreich. Beispielsweise enthalten die während des Bereitschaftsdienstes ausgestellten Rezepte die Telefonnummer 116117. Anrufe über diese Nummer sind jedoch teilweise zeitaufwendig. Dennoch bleibt vielen Apotheken in Deutschland keine andere Möglichkeit, als über diesen Weg zu gehen.
Arzneimittellisten für Notdienst – lokale Absprachen bevorzugt
Um die Notwendigkeit der Rücksprachen mit den diensthabenden Ärzten im Notdienst zu verringern, könnten gegebenenfalls Empfehlungen durch „Arzneimittellisten“ für den Notdienst zur Diskussion gestellt werden. Doch inwieweit gibt es solche Absprachen zwischen Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen beziehungsweise entsprechende Empfehlungen zur Bevorratung in Apotheken?
Wirkstoffempfehlungen würden, soweit es denn welche gibt, zwischen den Kammern und den jeweiligen KVn abgestimmt, regelmäßig aktualisiert beziehungsweise wie in Rheinland-Pfalz in enger Absprache mit den Ärzten vor Ort angepasst. Die Apothekerkammer Schleswig-Holstein gibt außerdem an, für die Empfehlungen Verordnungsstatistiken herangezogen und diese anschließend verdichtet zu haben.
Die meisten Kammern haben nach eigenen Angaben keine entsprechenden Listen – schon gar nicht auf Landesebene. Eher gebe es lokale Vereinbarungen. Argumentiert wird mit den Besonderheiten, die nicht landesweit erfasst werden könnten. Auch die Therapiefreiheit dürfe nie außer Acht gelassen werden. Das ist auch bei den Kammern, die über entsprechende „Arzneimittellisten“ beziehungsweise Wirkstoffempfehlungen auf Landesebene verfügen, selbstredend nicht anders. Auffallend ist auf jeden Fall, dass sie sich in der Minderheit befinden. Es handelt sich einzig um Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein. |
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