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Steuerklasse V: weniger Lohnersatz­leistungen

Frauen besonders betroffen – Sozialforscher sehen Diskriminierung

Beschäftigte in der Lohnsteuer­klasse V erhalten bei gleichem Brutto­einkommen weniger Krankengeld, Arbeitslosengeld I oder Elterngeld im Vergleich zur Lohnsteuerklasse III, berichtet die Hans-Böckler-Stiftung. Sie fordert eine Änderung des Steuersystems.

Viele verheiratete Paare versteuern ihr Einkommen nach dem Ehegattensplitting. Wer besser verdient, oft der Mann, ist in Steuerklasse III. Und wer weniger bekommt, wählt die Steuerklasse V. Soweit, so bekannt. Analysen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen jedoch, dass es durch diese Konstellation zu immensen Nachteilen bei Lohnersatzleistungen kommen kann.

Foto: Stefan_Weis – stock.adobe.com

Bis zu 697 Euro weniger

Zum Hintergrund: Idee des Ehegattensplittings ist, dass die Person in Steuer­klasse III weniger belastet wird. Dafür gibt es in Steuerklasse V höhere Abzüge – und man erhält netto weniger Geld. Zwar ist das Netto-Gesamteinkommen des Paares in der Regel höher als bei Ledigen. Beschäftigte mit der Steuerklasse V verlieren aber mehrere hundert Euro, wenn sie Krankengeld, Arbeitslosengeld I oder Elterngeld beziehen.

Lohnersatzleistungen werden nämlich anhand des Nettoeinkommens be­rechnet. Laut Kalkulationen der Hans-Böckler-Stiftung kann der Unterschied je nach Bruttoeinkommen monatlich bis zu 697 Euro betragen! Und das, obwohl beide Ehepartner ebenso viel an Sozialbeiträgen gezahlt haben.

Regelung diskriminiert Frauen

Mehr als 90 Prozent der Personen mit Steuerklasse V, die Lohnersatz­leistungen beziehen, waren im Jahr 2015 laut Hans-Böckler-Stiftung Frauen. Deshalb sehen Dr. Ulrike Spangenberg und ihre Koautorinnen in den geltenden Steuerregelungen eine Geschlechterdiskriminierung – sprich einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG).

Die pauschalisierende Berechnung von Lohnersatzleistungen anhand der derzeitigen Steuerklassen differenziere zudem nach dem Familienstand und behandele daher Verheiratete anders als nicht Verheiratete. Bei einer fami­lienbezogenen Leistung wie dem Elterngeld seien die daraus resultierenden Nachteile nicht mit dem Schutz der Familie nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar, so die Wissenschaftlerinnen.

Sie schlagen vor, die Steuerklasse V ganz abzuschaffen. Lohnersatzleistungen sollten generell anhand der Steuerklasse IV berechnet werden, um die Benachteiligung von Alleinerziehenden bzw. nicht verheirateten Eltern zu beseitigen.

Alternativ können Ehepartner ihr Einkommen über IV/IV plus Faktorverfahren besteuern. Beim Faktorverfahren ermittelt das Finanzamt anhand vorläufiger Gehälter die Steuerersparnis und verteilt sie gerecht auf beide Einkommen. Dazu ist ein entsprechender Antrag erforderlich. |

Quelle

Spangenberg U et al. Mittelbare Diskriminierung im Lohnsteuerverfahren. Auswirkungen der Lohnsteuerklassen auf Nettoeinkommen und Lohnersatzleistungen. Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Juli 2020, www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_190_2020.pdf

Michael van den Heuvel

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