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Beweislastumkehr beim Zyto-Skandal?

Zivilverfahren behandeln Schadenersatz oder Schmerzensgeld für frühere Patienten

hfd | Nachdem durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs das Strafurteil gegen den Apotheker Peter Stadtmann nun rechtskräftig ist, verlagert sich der Fokus auf die Zivilverfahren. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Essen gibt es womöglich eine Beweislastumkehr: Der Apotheker beziehungsweise sein Insolvenzverwalter müssten nachweisen, dass die Infusions­beutel richtig dosiert waren. Doch es gibt weitere Herausforderungen für frühere Patienten.
Foto: imago images/biky

Der frühere Bottroper Apotheker Peter Stadtmann hat von Januar 2012 bis zu seiner Festnahme am 29. November 2016 gepanschte Zytostatika aus der Alten Apo­theke in der Hochstraße vertrieben und damit Tausende Patienten geschädigt.

Der frühere Bottroper Zyto-Apotheker Peter Stadtmann hat Tausende Krebspatienten mit Arzneimitteln beliefert – von denen ein erheblicher Teil unterdosiert war. Nach dem kürzlich vom Bundesgerichtshof bestätigten Urteil des Landgerichts Essen steht dies inzwischen fest. Unklar ist jedoch, inwiefern frühere Patienten ein Recht auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld haben – und ob sie es durch­setzen können. Eine in diesem Jahr ergangene Entscheidung des Land­gerichts Essen deutet an, dass es Chancen geben kann – auch wenn es gleichzeitig nicht einfach wird. „Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand“ sei das Vorliegen eines durch Stadtmann begangenen „gravierenden Pflichtverstoßes“ zwischen dem Kläger und dem Insolvenzverwalter unstreitig, schreiben die Richter im Beweisbeschluss zu einem der Zivilprozesse. Daher sei dem Verfahren zugrunde zu legen, dass Stadtmann 208 von 364 Zubereitungen mit dem Wirkstoff Nivolumab deutlich unter­dosiert hat. Unklar sei jedoch, ob der inzwischen verstorbene Patient eines oder mehrere dieser unterdosierten Rezepturen erhalten hat.

„Aufgrund des vorgenannten gravierenden Pflichtverstoßes ist eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zumindest in Betracht zu ziehen“, schreiben die Richter. Daher müsste der Insolvenzverwalter – als Stellvertreter Stadtmanns – nachweisen, dass der Verstorbene keine gestreckten Zubereitungen erhalten hat. Doch auch dann müsse die Klägerseite den Beweis erbringen, dass die Unterdosierung für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes ursächlich war. Hierzu soll ein schriftliches Gutachten eingeholt werden, um zu klären, ob es „überwiegend wahrscheinlich“ ist, dass eine zu geringe Dosierung hergestellter Präparate den Gesundheitszustand und die Prognose verschlechtert hat. Das Auftreten sowie das Ausbleiben üblicher Nebenwirkungen habe dabei außer Betracht zu bleiben.

Zivilklage zurückgezogen

In einem anderen Verfahren hatte eine Klägerin Ansprüche gegen Stadtmann beziehungsweise stellvertretend dessen Insolvenzverwalter geltend gemacht. Doch die Richter des Landgerichts schrieben zunächst, dass Grundlagen einer vertraglichen Haftung nicht zu erkennen seien: Der vorgebrachte pauschale Hinweis auf Mindermengen sei kein trag­fähiger Beleg dafür, dass der Klägerin unzureichend dosierte Zubereitungen verabreicht worden seien. „Unterlagen, welche diese Zahlen belegen sollen, sind nicht vorgelegt worden“, schreiben die Richter in ihrem Beschluss. Zwar sei das Urteil des Landgerichts Essen im Strafverfahren gegen Stadtmann zitiert – doch habe die Klägerin nicht ausreichend dargelegt, inwieweit eine Unterdosierung hinsichtlich des betreffenden Wirkstoffs festgestellt wurde. Die Klägerin müsse eine tragfähige Indizienkette darlegen, die für den Apotheker einlassungsfähig und für die Kammer überprüfbar wäre. „Die Klage hat vor diesem Hintergrund keine Aussicht auf Erfolg“, schrei­ben die Richter – sie wurde inzwischen zurückgezogen. |

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