Arzneimittel und Therapie

Autoimmuntherapie hat auch Nachteile

Dreifach höheres Risiko für ZNS-Entzündungen unter TNF-α-Inhibitoren

Der Einsatz von TNF-α-Inhibitoren ist gängige Praxis bei der Therapie von Patienten mit Autoimmunerkrankungen. In der Vergangenheit wurde ein Zusammenhang zwischen TNF-α-Inhibitoren und dem Auftreten von Entzündungen im zentralen Nervensystem, wie multipler Sklerose vermutet. Ob es sich dabei um De-novo-Entzündungen handelt oder bestehende Entzündungswege lediglich verschlimmert werden, ist noch nicht geklärt.
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Wo Licht ist, ist auch Schatten: Schon lange vermuten Studien einen Zusammenhang zwischen TNF-α-Inhibitoren und dem Auftreten von ZNS-Entzündungen.

Bei Autoimmunerkrankungen steht der Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) durch seine pro-inflammatorischen Eigenschaften im Fokus des Krankheitsgeschehens. Die direkte Blockade dieses Zytokins ist Target für die Gruppe der TNF-α-Inhibitoren, wie Etanercept (z. B. Enbrel®) oder Infliximab (z. B. Remicade®). Die entzündungshemmenden und immunsuppressiven Biologika werden seit der Einführung von Infliximab im Jahr 1998 mit großem Erfolg in der Therapie autoimmuner Erkrankungen angewendet. Die Einsatzmöglichkeiten sind breit, das Nebenwirkungsprofil vergleichsweise überschaubar: Meist treten Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen oder opportunistische Infektionskrankheiten auf. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Seit Markteinführung wird in einigen Studien eine Assoziation zwischen TNF-α-Inhibitoren und dem Auftreten von Optikusneuritis (einer Entzündung des Sehnerves), multipler Sklerose und ähnlicher demyelisierender Erkrankungen des zentralen Nervensystems diskutiert.

Viele Einzelfallberichte untermauern den Verdacht

Die FDA verzeichnete in den letzten 20 Jahren auffallend viele Nebenwirkungsmeldungen, die das Verdachtsmoment erhärten. Daher wurde nun die Frage untersucht, ob eine Therapie mit TNF-α-Inhibitoren das Risiko für schwerwiegende ZNS-Erkrankungen erhöht.

In einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie aus den USA wurden die Krankenakten von insgesamt 212 Patienten (64% Frauen) mit einer diagnostizierten Autoimmunerkrankung analysiert. Zu den Fällen gehörten 106 Patienten, bei denen es zu einer demyelisierenden (z. B. multiple Sklerose) oder nicht-demyelisierenden (z. B. Meningitis) Entzündung des zentralen Nervensystems im Laufe der Therapie mit TNF-α-Blockern kam. Diesen wurden 106 Kontrollteilnehmer ohne ein solches Ereignis gegenübergestellt. Unter den 212 Fällen fanden sich insgesamt 64 Patienten (60%) und 42 Kontrollteilnehmer (40%), die mit einem TNF-α-Inhibitor behandelt wurden. Die individuellen Medikamentenexpositionen wurden aus den medizinischen Aufzeichnungen zusammen mit dem Typ des TNF-α-Inhibitors, der kumulativen Expositionsdauer und der Expositionszeit abgeleitet, und an die jeweilige ­Erkrankungsdauer angepasst. Die ­kumulative mediane Dauer der Exposition betrug bei den Fällen 2,1 Jahre (0,9 bis 5,9 Jahre). Bei den Kontrollen lag sie bei 3,3 Jahren (1 bis 5,6 Jahre).

Vor allem Patienten mit rheumatoider Arthritis betroffen

Die primäre Analyse ergab ein dreifach höheres Risiko für das Auftreten einer schwerwiegenden Entzündung im zentralen Nervensystem (adjustierte Odds Ratio (OR) = 3,01; 95%-Konfidenzintervall (KI): 1,55 – 5,82; p = 0,001). In einer sekundären Analyse zeigte sich, dass vorwiegend Patienten mit rheumatoider Arthritis betroffen waren (bereinigte OR = 4,82; 95%-KI: 1,62 – 14,36; p = 0,005). Die Autoren der Studie schlussfolgern, dass unter der Behandlung mit TNF-α-Inhibitoren mit einem erhöhten Risiko für Entzündungen im ZNS zu rechnen ist. Was noch nicht beantwortet wurde, ist die Frage, ob es sich dabei um De-novo-Entzündungskaskaden handelt, oder ob lediglich die bei einer Autoimmunerkrankung ohnehin vorherrschende Entzündung verstärkt wird. Dies muss in weiteren Studien untersucht werden. |
 

Literatur

Kunchok A et al. Association Between Tumor Necrosis Factor Inhibitor Exposure and Inflammatory Central Nervous System Events, JAMA Neurology 2020; doi:10.1001/jamaneurol.2020.1162

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

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