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Pandemie Spezial
Corona-Ticker
Neuigkeiten zu SARS-CoV-2 in Kürze
Wir sichten regelmäßig die Informationsflut und haben wichtige Mitteilungen und neue Erkenntnisse der letzten Wochen zusammengefasst:
SARS-CoV-2 geht auf die Nerven
Eines der ersten Symptome, von denen COVID-19-Patienten häufig berichten, sind Geruchs- und Geschmacksverlust. Wahrscheinlich liegt dem ein Befall des Nervensystems durch das Virus zugrunde. Britische Forscher warnen nun, dass auch ein milder Verlauf mit ernsten und potenziell tödlichen Gehirnerkrankungen einhergehen kann. Sie berichten in der Fachzeitschrift „Brain“ über 40 COVID-19-Patienten, die unter anderem Schlaganfälle, Nervenschädigungen, Psychosen, Delirium und Hirnhautentzündungen aufwiesen. Zum Teil seien diese Komplikationen das erste und einzige Symptom bei den Betroffenen gewesen. Einige Patienten sprachen auf eine Therapie mit Immuntherapeutika an. Manche Patienten würden sich laut den Forschern gut von den Symptomen erholen, andere wiederum litten auch nach der Erkrankung noch an Halluzinationen, tauben Gliedmaßen und Gehirnschwellungen. Die Wissenschaftler empfehlen, diese Problematik weiter zu verfolgen und bei Verdachtsfällen unverzüglich einen Neurologen hinzuzuziehen [Paterson et al. Brain 2020. doi: 10.1093/brain/awaa240].
Impfwille lässt nach
In einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 wird große Hoffnung gelegt. Doch selbst wenn demnächst ein Impfstoff gefunden werden würde, nimmt die Zahl der Menschen, die sich der Impfung unterziehen würden, laut einer Umfrage des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg ab. So wollten sich im April 2020 noch 70% der Befragten in Deutschland gegen das Coronavirus impfen lassen, im Juni 2020 waren es nur noch 61%. Als häufigste Argumente wurden Angst vor möglichen Nebenwirkungen und eine vermutete geringe Wirksamkeit des Impfstoffs genannt. Dies spiegelt sich auch in den Antworten der Befragten aus anderen Ländern wieder. Insgesamt wurden in die Befragung mehr als 7000 Menschen in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich einbezogen [Pressemitteilung der HCHE, 13. Juli 2020].
Bitte einmal gurgeln!
In der Akutphase einer COVID-19-Erkrankung kann im besten Fall genetisches Virusmaterial mittels Polymerase-Ketten-Reaktion nachgewiesen werden. Aus verschiedenen Gründen werden jedoch häufig falsch-negative Ergebnisse ermittelt. Eine neue Testmethode, die von Pharmazeuten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) entwickelt wurde, könnte möglicherweise in der Zukunft als Ergänzung eingesetzt werden. Die Wissenschaftler hatten mittels Massenspektroskopie versucht, SARS-CoV-2-Proteine nachzuweisen, was ihnen auch in stark verdünnten Proben gelang. Für die Versuche untersuchten sie die Gurgellösungen von drei COVID-19-Patienten und konnten spezifische SARS-CoV-2-Proteine detektieren, obwohl diese nur in geringer Konzentration vorlagen. Mithilfe der Massenspektroskopie lassen sich Moleküle anhand ihrer Masse undLadung spezifisch nachweisen. Im Moment kann der Test innerhalb von 15 Minuten durchgeführt werden, die Forscher arbeiten jedoch daran, diese Zeit noch zu verkürzen. Dieses Verfahren würde dann der sogenannten Biotyping Diagnostik ähneln, die bereits bei der Identifizierung von Bakterien- und Pilzinfektionen angewandt wird. Die Forscher hoffen darauf, dass die neue Diagnosemethode in einigen Monaten einsatzbereit ist [Pressemitteilung der Universität Halle-Wittenberg 096/2020, 15. Juli 2020].
Virus über Plazenta übertragbar
Weltweit wurde in den vergangenen Monaten über Fälle berichtet, bei denen Neugeborene sich mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Unklar war bisher, auf welchem Weg die Infektion erfolgt ist. Ein Fallbericht aus Frankreich bringt jetzt möglicherweise Licht ins Dunkle: Eine 23-jährige Frau im dritten Trimester wurde mit hohem Fieber und starkem Husten in ein Krankenhaus eingewiesen. Dort wurde sie positiv auf das Coronavirus getestet. Nachdem das Kind per Kaiserschnitt entbunden worden war, wurde auch bei ihm eine COVID-19-Erkrankung diagnostiziert. Bei der anschließenden histologischen Untersuchung der Plazenta konnte dort eine hohe Viruslast festgestellt werden. Die Forscher gehen daher davon aus, dass das Virus intrauterin über die Plazenta von der Mutter auf das Kind übertragen wurde [Vivanti AJ et al. Nature 2020. doi:10.1038/s41467-020-17436-6].
Kaum Antikörper in der Bevölkerung nachweisbar
Bereits im März 2020 hatte das Robert Koch-Institut (RKI) angekündigt, bundesweit großflächig Antikörper-Tests auf SARS-CoV-2 durchzuführen, um die Ausbreitung des Virus besser abschätzen zu können. Aus 29 Regionen wurden bis Ende Juni 2020 auf diese Art 11.695 (entspricht etwa 20% des geplanten Studienumfanges) Proben zwischenausgewertet. Es konnte festgestellt werden, dass lediglich 1,3% der Probanden spezifische Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut aufwiesen. Das RKI geht daher davon aus, dass ein Großteil der Bevölkerung noch für das Virus empfindlich ist, und daher geeignete Schutzmaßnahmen weiter eingehalten werden sollten. Ein kleiner Teil der Proben (75) wurde zusätzlich auf neutralisierende Antikörper gescreent. So konnten bei 30% der getesteten Blutproben auch neutralisierende Antikörper detektiert werden. Um eine endgültige Aussage darüber treffen zu können, müssen jedoch weitere Ergebnisse abgewartet werden. Außerdem konnte festgestellt werden, dass signifikant mehr Männer von den SARS-CoV-2-Infektionen betroffen waren und die Altersgruppe von 40 bis 49 Jahre am wenigsten seropositive Personen enthielt. Bis Ende September sollen alle 14 Tage die Probanden wiederholt getestet und ausgewertet werden [Epidemiologisches Bulletin des RKI 29/2020].
Mehr HIV-, Malaria- und Tuberkulose-Tote befürchtet
Forscher gehen davon aus, dass durch die Corona-Pandemie in den nächsten Jahren vermehrt Menschen an HIV, Malaria und Tuberkulose versterben werden. Als Grund gaben sie die Überbelastung der Gesundheitssysteme an, die in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen besonders schwer zum Tragen kommt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es aufgrund der Unterbrechung der antiretroviralen Therapie in den nächsten fünf Jahren 10% mehr HIV-Tote geben wird. Für den gleichen Zeitraum rechnen sie mit 20% mehr Tuberkulose- und 36% mehr Malaria-Todesfällen. Als Gründe gaben sie hier an, dass eine Tuberkulose in Pandemiezeiten wahrscheinlich nicht rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird und viele Malariakampagnen in der Krise unterbrochen wurden [Hogan AB et al. The Lancet Global Health 2020. doi:10.1016/S2214-109X(20)30288-6].
Start für Phase-III-Studie
Das US-Unternehmen Moderna hat Ergebnisse der Phase-I-Studie des mRNA-Impfstoffes mRNA-1273 publiziert. Bei der Studie wurden seit März 2020 45 Probanden im Alter zwischen 18 und 55 Jahren mit zwei unterschiedlichen Impfstoffdosen immunisiert. Nach der zweiten Dosis wiesen alle Probanden neutralisierende Antikörpertiter in vergleichbarer Höhe wie COVID-19-Genesene mit hoher Immunantwort auf. Insgesamt berichteten die Studienteilnehmer lediglich von milden Nebenwirkungen des Impfstoffs wie Kopfschmerzen, Fatigue, Schmerzen an der Einstichstelle und Myalgien. Nachdem im Mai 2020 mit der Phase-II begonnen wurde, soll jetzt im Juli 2020 mit der Phase-III des Impfstoffs an 30.000 Probanden gestartet werden. Die Studie soll bis Oktober 2022 dauern, Ergebnisse werden wahrscheinlich schon vorher veröffentlicht. Auch andere Impfstoffkanditaten befinden sich bereits kurz vor Phase III [Pressemitteilung Moderna, 14. Juli 2020].
Tocilizumab im Test
Eine überschießende Immunreaktion in Form eines Zytokinsturms ist eine gefürchtete Komplikation bei COVID-19-Patienten. Als mögliche Behandlungsoption wird in etlichen Studien der Interleukin-6-Rezeptor-Antagonist Tocilizumab (Roactemra®) getestet. Vor Kurzem wurden die Ergebnisse einer kleinen Studie an 154 künstlich beatmeten COVID-19-Patienten in Michigan veröffentlicht. Die Hälfte der Patienten erhielt einmal 8 mg/kg Körpergewicht Tocilizumab innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der mechanischen Beatmung. Das relative Risiko, an COVID-19 innerhalb von 28 Tagen nach Start der Beatmung zu versterben, konnte in der Verum-Gruppe um 45% gesenkt werden. Allerdings waren die Probanden in der Tocilizumab-Gruppe im Schnitt jünger (55 Jahre vs. 60 Jahre) waren und weniger chronische Lungenerkrankungen (10% vs. 28%) aufwiesen als die Kontrollgruppe. Dies könnte das Ergebnis der Studie verzerrt haben. Unter Tocilizumab traten zwar signifikant mehr Superinfektionen auf (54% vs. 26%), allerdings beeinflusste das die Sterblichkeit der Patienten nicht [Somers EC et al. Clinical Infection Diseases 2020. doi:10.1093/cid/ciaa954]. |
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