Aus den Ländern

Corona-Zwischenbilanz in Nordrhein

Botendienste während der Pandemie-Hochphase vermehrt nachgefragt

KÖLN (eda) | Am Mittwoch vergangener ­Woche veranstaltete die Apothekerkammer Nordrhein ihre Vollversammlung als Präsenzveranstaltung. Unter besonderen Hygieneauflagen trafen sich die Delegierten im Kölner Gürzenich. Bereits in DAZ 2020, Nr. 24, S. 24 hatte sich Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann zu diesem Schritt geäußert. Er fühle sich und seinen Kollegen „zu ei­ner ver­ant­wor­tungs­vol­len Nor­ma­li­tät“ ver­pflich­tet. Der Vollversammlung voraus ging eine Presseveranstaltung für die Regionalmedien, bei der über die Corona-Erfahrungen der Apotheken im Kammerbezirk gesprochen wurde.
Foto: AKNR/R. Wichert

Seit September im Präsidium der Apothekerkammer Nordrhein: Kathrin Luboldt (vorm. Hollingshaus) ist Vizepräsidentin, Dr. Armin Hoffmann ist Präsident.

Die Corona-Pandemie in Deutschland bringt man zwangsläufig mit den Karnevalshochburgen in Nordrhein-Westfalen in Verbindung. Der Kreis Heinsberg entwickelte sich Anfang des Jahres deshalb zum Corona-Hotspot, weil die Einwohner – wie in jedem Jahr – ihrer Tradition nachgingen und in einem großen Festsaal Karneval feierten. Nordrhein-Westfalen ist aber auch das Bundesland, das sich im Bundesvergleich relativ früh wieder für Lockerungen der Pandemie-bedingten Einschränkungen entschied. Der Vorstoß von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wird von seinen Politikerkollegen daher nicht unkritisch gesehen.

Ausgerechnet die Apothekerkammer Nordrhein ist es auch, die bisher als eine der wenigen Standesvertretung ihre Delegiertenversammlung am Mittwoch in der vergangenen Woche als Präsenzveranstaltung abhielt. Das Tref­fen fand statt im Köl­ner Gür­ze­nich – der bekannten Karnevalsfest­hal­le im Zen­trum der Alt­stadt. Den meis­ten Mit­glie­dern sei die Location durch gro­ße Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen in der Ver­gan­gen­heit be­reits be­kannt, erklärte Hoffmann in DAZ 2020, Nr. 24, S. 24.

Keine einzige Apotheke musste Corona-bedingt schließen

Auf einer Presseveranstaltung unmittelbar vor Beginn der Vollversammlung erklärte der Kammerpräsident vor Vertretern regionaler Medien: „Die Apotheken vor Ort waren und sind eine feste Säule beim Kampf gegen ­Covid-19.“ Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln und selbst hergestellten Rezepturen sowie Desinfektionsmittel am Tag und während Notdiensten sei in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln „zu jeder Zeit sichergestellt“ gewesen. Seit Beginn der Corona-Krise hätten die Apothekerinnen und Apotheker in Nordrhein eine erhöhte Nachfrage nach Botendiensten verzeichnet – teils um 50 Prozent höher als in vergleichbaren Zeiträumen. Der Gesetzgeber hätte die Bedeutung des Botendienstes zwar erkannt, doch die Vergütung sei „in vielen Fällen leider zu spät“ erfolgt. Die Finanzierung der Corona-bedingten Schutzmaßnahmen in den Apotheken beziffert der Apothekerverband Nordrhein auf über 3,6 Millionen Euro.

In die Berechnungen miteingeflossen sind der zusätzliche Aufwand für ­Infrastruktur – etwa durch die Anschaffung und Installation eines Spuckschutzes, laufende Sachkosten wie Desinfektionsmittel, Schutzmasken für Mitarbeiter – aber auch ­zusätzliche Personalkosten (durch Schichtbetrieb, Botendienst, mehr Kundenberatung). Von den 2142 Apotheken im Kammerbezirk Nordrhein musste während der Corona-Pandemie kein Betrieb aufgrund von Infektionen im Team schließen.

Spahns Apothekenreform in der Diskussion

Die Standesvertreter tauschten sich in der anschließenden Vollversammlung intensiv über die geplante Apothekenreform von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aus. Das Reformvorhaben ist im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) verankert, das neben der Einführung von pharmazeutischen Dienstleistungen ein Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich vorsieht. Aktuell wartet Spahn auf eine Rückmeldung von der EU-Kommission hinsichtlich einer Bewertung der europarecht­lichen Machbarkeit seines Gesetzesvorhabens.

Gerade die Kammer Nordrhein steckt seit Jahren in Rechtsstreitigkeiten mit den EU-Versendern wie DocMorris und Shop Apotheke. In einem ­wieder sehr kurzweiligen Vortrag erläuterte Kammerjustiziarin Dr. Bettina Mecking den aktuellen Sachstand und argumentierte, weshalb sie das Rx-Boni-Verbot für untauglich hält, den Versandhandelskonflikt zu lösen.

Unabhängig davon, welchen Weg der Gesetzgeber schließlich wählt und einschlägt – Rx-Boni-Verbot oder Rx-Versandverbot – müsse man mit neuen Gerichtsverfahren rechnen. „Ihr werdet sowieso streiten müssen“, so Mecking. Doch bei einem Rx-Versandverbot bestünde ihrer Ansicht nach eine größere Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg vor Gericht aus Sicht der Apotheker.

Die Diskussionen mündeten schließlich in eine dreiseitige Resolution, die den Gesetzgeber auffordert, „ein Gesetz zur wirkungsvollen Stärkung der Vor-Ort-Apotheken in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen und in Kraft zu setzen“. Doch im Gegensatz zum aktuell vorliegenden Entwurf des VOASG setzen die Delegierten das Rx-Versandverbot wieder auf die Prioritätenliste nach oben. Die ­Resolution finden Sie (in gekürzter Form) im Kasten. |

„Vor-Ort-Apotheken-Stärkung(s-Gesetz) – aber richtig!“
 

Resolution der Apothekerkammer Nordrhein vom 17. Juni 2020

Die XVII. Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber auf, ein Gesetz zur wirkungsvollen Stärkung der Vor-Ort-Apotheken in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen und in Kraft zu setzen.

Dieses muss – im Gegensatz zum aktuell vorliegenden Entwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG) – als absolute Priorität den Patienten vor Qualitätsverlusten in der Arzneimittelversorgung schützen. Solche sind das Ergebnis eines falsch verstandenen Preiswettbewerbs im Gesundheitssystem und dienen nicht den Interessen der Patienten.

Pharmazeutische Kenntnisse und Dienstleistungen und damit die heilberufliche Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker müssen gestärkt werden. Die bestehende überbordende Bürokratie in den deutschen Apotheken und die Ungerechtigkeiten bei der Preisgestaltung im Zusammenhang mit ausländischen Arzneimittelhändlern müssen korrigiert werden.

Die Leistung der Apotheken während der Corona-Pandemie muss gewürdigt und die durch die entsprechenden Verordnungen definierten Vereinfachungen müssen in großen Teilen in die Regelversorgung übernommen werden.

Im Rahmen einer selbstbestimmten nationalen Gesundheitsgesetzgebung im europäischen Kontext muss eine flächendeckende Arzneimittelversorgung sichergestellt werden. Dabei sollte mit Mut vorangegangen werden.

Wenn der Schutz des Patienten vor falsch verstandenem Wettbewerb im Gesundheitssystem bedingt durch eine nicht vollständige Gleichpreisigkeit sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen und flächendeckenden Arzneimittelversorgung nur durch ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel herzustellen ist, dann muss ein solches Versandverbot Eingang in das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke finden.

Foto: AKNR/R. Wichert

Auszüge der Begründung

Viel zu lang wartet das BMG nun schon darauf, sein Vorhaben sicherheitshalber mit der EU-Kommission abzustimmen, obwohl deren Votum bei einer zu erwartenden Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof ohnehin rechtlich nicht verbindlich ist.

Kein Gehör hat hingegen bisher das ­Plädoyer eines höchsten deutschen Verfassungsorgans gefunden. Bereits am 20. September 2019 hatte sich der Bundesrat mit seinem juristisch fundiert begründeten Beschluss mehrheitlich dafür ausgesprochen, das Rx-Versandhandelsverbot aktiv in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen, statt sich für eine nachweislich ungeeignete Lösung zu entscheiden, die eine solche rechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund mit sich bringt.

Erstaunlicherweise wird im BMG nicht nur diese Einschätzung ignoriert. Auch eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs findet offenbar keine Beachtung: Bekanntlich kämpft die Apothekerkammer Nordrhein langjährig und in ­vielen Verfahren für die bewährte und persönliche Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten durch die Vor-Ort-Apotheken. In dem am 20. Februar 2020 entschiedenen Fall (Az.: I ZR 5/19 „Sofort-Bonus II“) ging es darum, ob Versandapotheken verpflichtet sind, in für Privatpatienten ausgestellten Quittungen wirtschaftliche Vorteile, die keine Barrabatte sind, auszuweisen. Nach dieser Grundsatz-Entscheidung soll es nicht wettbewerbswidrig sein, wenn etwa im Zusammenhang mit dem Erwerb preis­gebundener Arzneimittel wirtschaftliche Vorteile wie Einkaufsgutscheine gewährt werden und dies gegenüber dem Kostenträger verheimlicht wird. Dieses Urteil hat unmittelbar Auswirkungen auf die im Moment durch das BMG vorgesehene Verankerung des Arzneimittelpreisrechts im SGB V und lässt die insoweit verfolgten Ziele nicht erreichen.

Unser gemeinsames nationales Interesse muss es sein, diese Strukturen der Versorgung mit Medikamenten zu erhalten und nicht zum Gegenstand einer experimentellen Gesetzgebung zu machen. Ein Scheitern würde zu irreparablen Schäden der bewährten Struktur führen. Die Organisation des Gesundheitswesens ist gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV nicht nur Angelegenheit der Mitgliedstaaten, sondern ein wichtiger Auftrag an den Gesetzgeber, den er zur Wahrung seiner Kompetenz und Unabhängigkeit zeitnah wahrzunehmen hat. Das hat uns die COVID-19-Pandemie nochmals deutlich vor Augen geführt.

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