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Beratung
Was hinter Muskelschmerzen steckt
Harmloser Muskelkater, ernsthafte Erkrankung oder Arzneimittelnebenwirkung?
Je nach Ursache treten Myalgien in Ruhe oder belastungsabhängig, an einer bestimmten Körperstelle oder diffus auf. Die Schmerzqualität ist unterschiedlich und reicht von dumpf, ziehend und muskelkaterartig über krampfartig bis brennend und stechend. Für die Ursachenfindung spielt neben der Häufigkeit des Auftretens auch der Zeitverlauf der Schmerzen eine entscheidende Rolle. So können sich die Beschwerden kurz und plötzlich bemerkbar machen, wiederkehrend oder dauerhaft und chronisch. Manchmal treten begleitend Muskelschwäche (Myasthenie) und Bewegungsstörungen auf.
Unspezifisches Symptom zahlreicher Erkrankungen
Als unspezifisches Symptom einer Vielzahl von Erkrankungen wird eine Myalgie oftmals nicht primär durch Schädigung der Skelettmuskulatur verursacht. Ursachen können z. B. sein:
- genetisch bedingt (z. B. metabolische Myopathien, myotone Dystrophien)
- viral (Influenza) oder bakteriell (meist Staphylokokken) ausgelöst, oder durch Parasiten
- Folge von Autoimmunerkrankungen
- Stoffwechselstörungen, z. B. Schilddrüsenunterfunktion
- Symptom verschiedener Erkrankungen wie Arthrose, pAVK, venöse Thrombose oder Erkrankungen des Nervensystems (z. B. Morbus Parkinson, multiple Sklerose, Polyneuropathien, amyotrophe Lateralsklerose)
- Fibromyalgie und myofasziales Schmerzsyndrom
- Nähr- und Mineralstoffmangel (z. B. L-Carnitin, Magnesium, Kalium)
- direkte Schädigung der Skelettmuskulatur (Zerrungen, Muskelfaserriss)
- (stressbedingte) Verspannungen
- Muskelkater infolge intensiver körperlicher Betätigung
- Ciguatera-Intoxikationen (nach Verzehr tropischer Fische)
- Arzneimittelnebenwirkungen (Statine, Fluorchinolone u. a.)
Muskelerkrankungen, die keine neuronale Ursache haben, werden als Myopathien bezeichnet. Zu den metabolischen Myopathien gehören Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels (z. B. McArdle-Syndrom), des Purinstoffwechsels (z. B. Myoadenylatdeaminase-Mangel) oder des Fettsäuremetabolismus (z. B. Carnitin-Palmitoyl-Transferase-Mangel). Dabei handelt es sich meist um genetisch bedingte Krankheiten, die zu belastungsabhängigen muskelkaterähnlichen Schmerzen führen und von Muskelschwäche und/oder -steifheit begleitet sein können. Je nach Art der Belastung kann jeder Skelettmuskel betroffen sein. So ist nach intensiver Kautätigkeit, z. B. von zähem Fleisch, ein Muskelkater in der Kaumuskulatur möglich. Krämpfe, Steifheit und sogar Rhabdomyolyse können bei einigen Krankheitsbildern auch durch Hungern provoziert werden. Andere Auslöser sind Stress, Kälte, Infekte, Schlafdefizit, fette Speisen und bestimmte Arzneimittel (z. B. Ibuprofen). Bei degenerativen Myopathien stehen die Schmerzen im Zusammenhang mit einem Muskelschwund (Muskeldystrophie). Je nach Krankheitsbild sind unterschiedliche Muskeln betroffen. Die häufigste generalisierte Form von Muskelschmerzen ist das Fibromyalgie-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form des Weichteilrheumatismus mit anhaltenden Schmerzen am gesamten Körper, deren Intensität sich z. B. in Stresssituationen oder durch Kälte verändert. Dagegen stellt das myofasziale Schmerzsyndrom die häufigste lokalisierte Form dar. Es tritt z. B. bei spinalen Muskelatrophien oder amyotropher Lateralsklerose infolge einer Fehlbelastung auf. Myalgien können auch mit einer Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems einhergehen. So äußert sich z. B. ein beginnendes Parkinson-Syndrom häufig mit Muskelschmerzen im Bereich der Schultern und Oberarme [1].
Muskelsteifheit durch verzögerte Erschlaffung
Die Funktionsweise der Muskulatur beruht auf einem koordinierten Wechselspiel zwischen Kontraktion und Erschlaffung. Kommt es nach einer starken Kontraktion nur verzögert zur Erschlaffung, liegt eine Myotonie vor, die als Muskelsteifheit wahrgenommen wird. Auch hier gibt es verschiedene erbliche Krankheitsbilder. Im Gegensatz zu den multisystemischen myotonen Dystrophien, bei denen neben der Skelettmuskulatur auch die glatte Muskulatur, Herz, Auge, Hormone und ZNS betroffen sein können, handelt es sich bei den nichtdystrophen Myotonien in der Regel um Ionenkanal-Erkrankungen, bei der die Funktionsstörung ausschließlich die Skelettmuskulatur betrifft. Myalgien treten hier meist während oder nach einer körperlichen Tätigkeit auf [1, 2].
Erreger-assoziierte Myositiden
Durch Viren (z. B. Influenza-, Coxsackie-B5-Viren), Bakterien (z. B. Staphylokokken, Borrelien) oder Parasiten (z. B. Trichinose) ausgelöste Myositiden gehören neben immunogenen Myositiden (z. B. Dermatomyositis und Polymyositis) zu den entzündlichen Myopathien. Dabei sind weltweit betrachtet bakterielle Myositiden die häufigsten entzündlichen Muskelerkrankungen. Hier dominieren die extrem schmerzhaft verlaufenden Staphylokokken-Infektionen. Im Zusammenhang mit infektiösen Temperaturerhöhungen auftretende Myalgien werden meist als Gliederschmerzen wahrgenommen und sind ein typisches Begleitsymptom insbesondere viraler Infektionen [1].
Endokrine Störungen
Die meisten Patienten mit einer symptomatischen Hypothyreose weisen neuromuskuläre Symptome auf. Neben einer meist proximal betonten motorischen Schwäche, Steifheit, Myalgien, Krämpfen und Fatigue treten häufig auch sensomotorische Polyneuropathien auf. Nach Wiederherstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage sind die Symptome in der Regel langsam reversibel. Im Zusammenhang mit schweren Hypothyreosen sind aber auch Rhabdomyolysen beschrieben worden. Weitere mögliche Ursachen sind Hyperthyreose, Hyperparathyreoidismus, Nebennierenrindeninsuffizienz und Störungen der Nebennieren (z. B. Cushing-Syndrom infolge von Tumoren oder exogener Steroidzufuhr) [1, 3, 4].
Medikamentös-toxisch bedingte Myopathien
Das klinische Spektrum toxischer Myopathien reicht von asymptomatischen Erhöhungen der Kreatinkinase-Aktivität über Schmerzen der Muskulatur einschließlich einer Belastungsinsuffizienz, Muskelschwäche und -atrophie bis hin zu akuten Rhabdomyolysen. Toxische Myopathien sind nach Eliminierung der auslösenden Substanz/des Arzneimittels häufig reversibel. Die Chancen auf eine vollständige Reversibilität und Genesung steigen mit der frühzeitigen Erkennung der Ursache [3]. Wird als Ursache für die Muskelschmerzen ein Arzneimittel vermutet, sollte zunächst Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. Eine Dosisreduktion kann bereits ausreichen, um die Symptome zu beheben. Andernfalls kann eine Umstellung auf ein Arzneimittel der gleichen Wirkstoffgruppe erfolgreich sein. Keinesfalls sollten Patienten jedoch ihre Medikation eigenständig absetzen.
Gefürchtete Statine
Besonders gefürchtet sind myopathische Komplikationen und Rhabdomyolyse durch die HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine). Eine Statin-induzierte toxische Myopathie äußert sich in proximaler Muskelschwäche und gleichzeitig deutlicher Kreatinkinase(CK)-Erhöhung, die meist zu Beginn der Therapie einsetzen. Laut einer Studie von japanischen Wissenschaftlern setzen muskuläre Komplikationen unter stärker wirksamen Statinen wie Atorvastatin und Rosuvastatin schneller ein als bei einer Therapie mit weniger effektiven Vertretern dieser Substanzklasse wie Simvastatin [5]. Eine akute Rhabdomyolyse ist durch starke Schmerzen, Schwäche und Spannungsgefühle in den befallenen Muskelgruppen charakterisiert. Der CK-Wert und andere Muskelenzyme im Blut sind stark erhöht. Aufgrund einer erhöhten Ausscheidung von Myoglobin über den Urin (Myoglobinurie) kann eine akute Niereninsuffizienz mit Oligo- oder Anurie auftreten. Statin-assoziierte Myopathien und Rhabdomyolysen machen jedoch nur 0,1% bzw. 0,01% aus. In den meisten Fällen handelt es sich um leichte asymptomatische Erhöhungen der Kreatinkinase und Myalgien (5 bis 10% der Patienten), die keine Beendigung der Therapie erfordern. Häufig kann mit einer verminderten Dosis oder dem Wechsel zu einem alternativen Statin Beschwerdefreiheit erzielt und der CK-Wert normalisiert werden. Sowohl Myalgien als auch Myopathien sind nach Absetzen der Statin-Therapie meist reversibel. Eine besondere Form ist jedoch die selten auftretende immunvermittelte nekrotisierende Myopathie, die selbst mehrere Jahre nach einer Statin-Exposition auftreten kann. Diese ist gekennzeichnet durch proximale (meist symmetrische) Muskelschwäche, extrem hohe CK-Werte und meist Antikörper gegen die HMG-CoA-Reduktase. Im Gegensatz zu den toxischen Myopathien schreiten die Beschwerden trotz Absetzen des Statins voran und eine Behandlung mit Immunsuppressiva ist notwendig [1, 6, 7].
Das dosisabhängige Risiko für eine Statin-induzierte Myopathie und Rhabdomyolyse kann durch Arzneimittelinteraktionen erheblich erhöht werden. Eine Auswahl an Arzneimitteln, die myopathische Nebenwirkungen der Statine erhöhen, zeigt der Kasten „Arzneimittel, die das Risiko von Myalgien/Myopathien von Statinen erhöhen“. Dabei zeigen die einzelnen Statine ein unterschiedlich ausgeprägtes Wechselwirkungspotenzial. Insbesondere Kombinationen mit
CYP3A4-Inhibitoren sind zum Teil kontraindiziert oder nur mit Vorsicht anzuwenden. Darüber hinaus spielen Ernährungsgewohnheiten eine Rolle. Grapefruitsaft z. B. hemmt ebenfalls CYP3A4 und sollte aus diesem Grund während einer Statin-Therapie vermieden werden. Weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Myotoxizität haben, sind das Alter, die Nierenfunktion, eine unbehandelte Hypothyreose und Alkoholmissbrauch. Auch Genvarianten im Gen SLCO1B1 erhöhen das Risiko für eine Statin-induzierte Myopathie [8, 9, 10].
Arzneimittel, die das Risiko von Myalgien/Myopathien von Statinen erhöhen
- Makrolidantibiotika, z. B. Erythromycin (Infectomycin®), Clarithromycin (Klacid®), Telithromycin (Ketek®)
- Itraconazol (Sempera®), Ketoconazol (Ketoconazole HRA®), Fluconazol (Diflucan®)
- Ciclosporin (Sandimmun®)
- Fibrate, z. B. Gemfibrozil (Gevilon®), Bezafibrat (Cedur®), Fenofibrat (Lipidil®)
- HIV-1-Protease-Hemmer, z. B. Indinavir (Crixivan®), Ritonavir (Norvir®)
- Diltiazem (Dilzem®)
- Verapamil (Isoptin®)
- Amiodaron (Cordarex®)
- Colchicin (Colchicum-Dispert®)
[nach: S1-Leitlinie Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien, Fachinformationen der Arzneimittel]
Die Empfehlungen zur Statin-Therapie sind erst kürzlich erneuert und in der aktuellen Leitlinie „Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien“ veröffentlicht worden. Danach kann die Therapie bei tolerierbaren Muskelsymptomen und einem CK-Wert unter dem Zehnfachen der oberen Norm unter Kontrolle in gleicher oder reduzierter Dosierung fortgesetzt werden [1].
Andere Arzneimittel können ebenfalls Muskelbeschwerden verursachen
Auch andere Cholesterol-Senker wie Fibrate z. B. Gemfibrozil (Gevilon®) und Ezetimib (Ezetrol®) können Muskelschwäche, eine Erhöhung der Kreatinkinase sowie im Extremfall eine akute Rhabdomyolyse bewirken. Besonders hoch ist das Risiko in Kombination mit Statinen, weshalb hier besondere Vorsicht vonnöten ist und einige Kombinationen (z. B. Gemfibrozil und Statine) kontraindiziert sind. Darüber hinaus führen zahlreiche Arzneimittel verschiedener Wirkstoffgruppen zu diversen Muskelbeschwerden (siehe Tabelle). Die zugrunde liegenden Mechanismen sind vielfältig. So kann das bei Herzrhythmusstörungen eingesetzte Amiodaron (Cordarex®) Muskelschwäche und eine leichte Erhöhung der CK-Werte bewirken. Die unter einer Amiodaron-Therapie häufig vorkommende Hypothyreose sowie die häufig gemeinsame Verordnung mit Statinen stellen zusätzliche Risikofaktoren dar. Schon lange ist die Myotoxizität des auch bei rheumatoider Arthritis und systemischem Lupus erythematodes eingesetzten Malariamittels (Hydroxy-)Chloroquin (Quensyl®, Resochin®) bekannt. Insbesondere die dauerhafte Einnahme hoher Dosierungen (> 300 mg/Tag) kann selten zu Myopathien und einer meist schmerzlosen, schleichend progredienten Muskelschwäche führen. Dabei sind vor allem proximale Muskelgruppen der Extremitäten betroffen. Da Chloroquin nur langsam eliminiert wird und auch nach Absetzen der Therapie noch viele Monate im Körper nachgewiesen werden kann, dauert es sehr lange, bis man sich von einer sogenannten Chloroquin-Myopathie erholt hat.
Colchicin, das zur Behandlung der Gicht eingesetzte Alkaloid der Herbstzeitlose, kann bei langfristiger Einnahme ebenfalls eine meist schmerzlose Myopathie bewirken. Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (kumulativ toxischer Effekt) und Komedikation mit Simvastatin haben ein erhöhtes Risiko für Myopathien und Rhabdomyolyse. Eine engmaschige Kontrolle wird daher empfohlen. Antiretrovirale Arzneimittel, die insbesondere bei der Behandlung von HIV eine Rolle spielen, besitzen oftmals eine mitochondriale Toxizität und schädigen so die Muskelfasern. Myalgien und Schwäche (insbesondere in Oberarm und Oberschenkel) sowie Erhöhungen der Kreatinkinase-Werte sind vor allem für den Reverse-Transkriptase-Inhibitor Zidovudin (Retrovir®) beschrieben worden. Neuere Reverse-Transkriptase-Inhibitoren wie z. B. Didanosin (Videx®) und Lamivudin (Epivir®) führen seltener zu solchen Symptomen.
Das Risiko einer durch Glucocorticoide ausgelösten Myopathie hängt stark von der Dosierung und der Art des jeweiligen Corticosteroids ab. Grundsätzlich ist jedoch das Risiko bei fluorierten Steroiden sowie bei Einnahme hoher Dosen (> 30 mg Prednison/Tag) erhöht. In der Regel entwickelt sich schleichend eine milde Myopathie ohne Myalgie, die vorwiegend die stammnahe Muskulatur der Beine (Hüft- und Oberschenkelmuskulatur) und weniger der Arme betrifft. Schwere Steroidmyopathien (Atrophie der Skelettmuskulatur), die auf die katabole Wirkung der Glucocorticoide zurückzuführen sind, kommen selten vor. Dabei kommt es meist nicht zum Anstieg der Kreatinkinase-Werte aber immer zum Cushing-Syndrom. Eine Steroidmyopathie bildet sich in der Regel nach Absetzen der Glucocorticoide zumindest teilweise zurück. Mit einer reduzierten Dosis und adäquatem Muskeltraining kann meist eine Verbesserung erzielt werden. Diuretika wie z. B. Furosemid (Furorese®) können über eine Hypokaliämie zu Muskelschwäche führen. Das betrifft auch andere, eine Hypokaliämie auslösende Arzneimittel wie z. B. Laxanzien. Bei Kalium-Werten unter 2,5 mmol/l kann es zu einer Myopathie kommen und schwere Hypokaliämien (< 2 mmol/l) sind in der Lage, eine akute Rhabdomyolyse auszulösen. Bemerkenswerterweise können auch große Mengen Lakritz eine Hypokaliämie auslösen und entsprechende Nebenwirkungen bestimmter Arzneimittel verstärken [1, 6].
Erst vor gut einem Jahr wurde ein europäisches Risikobewertungsverfahren zu Chinolonen und Fluorchinolonen (z. B. Ciprofloxacin, Ofloxacin) abgeschlossen, das aufgrund schwerer und anhaltender Nebenwirkungen, auch im Bereich der Muskeln (Myalgien und Muskelschwäche), eingeleitet wurde. Das Verfahren mündete in Anwendungsbeschränkungen und Warnhinweisen einschließlich eines Rote-Hand-Briefes, der auf die Risiken aufmerksam machen soll [11, 12]. Auch andere exogen zugeführte Substanzen wie Opiate, nicht-Opiat-haltige Suchtmittel und Alkohol können Muskelschmerzen und Rhabdomyolyse verursachen. So sind lokale und generalisierte Muskelnekrosen im Rahmen von Heroinvergiftungen beschrieben worden [6].
Wirkstoffe | Symptome | Beispiele |
---|---|---|
Statine | Myalgien, Muskelkrämpfe, Muskelspasmen, Muskelschwäche, Myopathien, Myositis, Rhabdomyolyse | Simvastatin (Zocor®), Atorvastatin (Atoris®), Rosuvastatin (Crestor® |
Chinolone und Fluorchinolone | Schmerzen der Skelettmuskulatur, Myalgien, gesteigerte Muskelspannung und Muskelkrämpfe, Myasthenie, Verschlimmerung einer Myasthenia gravis | Ciprofloxacin (Ciprobay®), Norfloxacin (Barazan®), Ofloxacin (Oflox Basics®) |
Betablocker | Muskelschwäche und -krämpfe, schmerzhafte proximale Myopathie | Propranolol (Dociton®), Bisoprolol (Jutabis) |
Calciumkanal-Blocker | Muskelkrämpfe, gelegentlich Myalgien, Muskelschwäche | Nifedipin (Adalat®), Amlodipin (Amlo Tad besilat®), Verapamil (Isoptin®) |
Glucocorticoide | Muskelatrophie und -schwäche, Myopathie, schwere Steroidmyopathien sind selten | Prednison (Prednison Galen®), Budesonid (Jorveza®) |
H2-Rezeptor-Antagonisten | selten Myalgien, Muskelschmerzen | Cimetidin (CimLich®), Ranitidin (Ranitic®) |
Diuretika | Muskelschwäche durch Hypokaliämie (in schweren Fällen Rhabdomyolyse) | Furosemid (Furorese®) |
antiretrovirale Arzneimittel | Myalgie, Myopathie, Rhabdomyolyse | Zidovudin (Retrovir®), Didanosin (Videx®) |
Chemotherapeutika/Immunsuppressiva | Myalgie, Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Myopathie, Muskelspasmen, Rhabdomyolyse | Vincristin (Cellcristin®), Imatinib (Glivec®), Ciclosporin (Sandimmun®) |
Aromatasehemmer | Myalgie | Letrozol (Femara®), Anastrozol (Arimidex®) |
andere | beinbetonte, schleichend progrediente Muskelschwäche | (Hydroxy-)Chloroquin (Resochin®) |
gelegentlich myasthenisches Syndrom (überwiegend okuläre Myasthenie), Polymyositis, Dermatomyositis | D-Penicillamin (Metalcaptase®) | |
Myalgie, Rückenschmerzen, Rhabdomyolyse | Isotretinoin (Aknenormin®) | |
postoperative, muskelkaterähnliche Schmerzen, maligne Hyperthermie und Rhabdomyolyse | Suxamethonium/Succinylcholin (Lysthenon®) | |
Muskelschwäche (myasthenisches Syndrom) | Phenytoin (Phenhydan®) | |
Muskelkrämpfe | Levodopa (Isicom®) | |
Muskelschwäche, Myopathie | Amiodaron (Cordarex®) | |
Muskelschmerzen | Allopurinol (Zyloric®) |
Nähr- und Mineralstoffmangel
Die Ursache für Myalgien, Muskelschwäche oder schmerzhafte Muskelkrämpfe können zudem in einem Nährstoffmangel oder Störungen im Elektrolythaushalt liegen. Besonders häufig und weitläufig bekannt sind Wadenkrämpfe infolge eines Magnesium-Mangels. Muskelschwäche und Krämpfe gehören aber auch zu den klinischen Symptomen einer Hypokaliämie. Das hauptsächlich über Fleischprodukte aufgenommene L-Carnitin ist als Transporter am Fettstoffwechsel und der Nährstoffversorgung der Muskelzellen beteiligt. Ein Carnitin-Mangel, der z. B. leicht bei Menschen mit geringem Fleischkonsum oder Vegetariern auftreten kann, äußert sich klinisch unter anderem in Form einer muskulären Schwäche. Eine Supplementierung nach gezielter Diagnostik ist möglich, von einer ungezielten Nahrungsergänzung wird jedoch abgeraten [13].
Verspannungen und Fehlbelastung
Häufig liegen die Schmerzen auch in der Muskulatur selbst begründet und sind Folge von Verspannungen. Diese können zwar schmerzhaft sein, sind aber meist eher harmlos. Die Ursache von chronischen Verspannungen sind oftmals Fehlhaltungen und eine damit verbundene einseitige Belastung oder eine schwache Muskulatur z. B. aufgrund mangelnder Bewegung. Sitzende Tätigkeiten am Schreibtisch und häufige lange Autofahrten sind typische Beispiele, die zu einer geschwächten Muskulatur führen und diese Art von Beschwerden begünstigen. Neben einer Stärkung der Muskulatur sollte vorbeugend auch auf eine korrekte Körperhaltung und einen ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz geachtet werden. Viele Menschen reagieren zudem in Stresssituationen mit Verspannungen im Rücken- und Nackenbereich. Hier helfen unter anderem Wärmeanwendungen und Bäder. Besonders aus stressbedingten Verspannungen können langfristig chronische Schmerzzustände entstehen, die zu durchbrechen eine Herausforderung darstellt.
Muskelschmerzen nach dem Sport
Bei nicht auf eine Krankheit oder Störung zurückzuführendem Muskelschmerz nach körperlicher Aktivität handelt es sich in der Regel um einen Muskelkater. Dieser meist harmlose und nicht behandlungsbedürftige Druckschmerz der Muskulatur macht sich innerhalb von ein bis drei Tagen nach (intensiver) körperlicher Beanspruchung bemerkbar. Hält er länger an oder übersteigt der Schmerz einen gewöhnlichen Druckschmerz, dann kann das jedoch auf eine Überlastung des entsprechenden Muskels hindeuten. Bei einem länger als drei Tage anhaltenden Muskelkater sollte das Sportprogramm angepasst werden. Muskelkrämpfe und -schwellungen, verminderte Muskelkraft, die länger als einen Tag anhält, und Muskelverhärtungen sind zusätzliche Hinweise auf eine muskuläre Überlastung. Stark ausgeprägte Symptome dieser Art könnten ein erstes Anzeichen für eine massive Erhöhung der Kreatinkinase und Rhabdomyolyse sein. Treten nach dem Training ein sehr starker Muskelschmerz und ein dunkler, rotbräunlich verfärbter Urin (Myoglobinurie mit Gefahr eines akuten Nierenversagens) auf, ist umgehend ein Arzt aufzusuchen. Neben einem intensiven, die individuelle Belastungsgrenze überschreitenden Training stellen auch eine reduzierte Flüssigkeitszufuhr und extreme Hitze während körperlicher Anstrengung Risikofaktoren dar, die das Auftreten einer Rhabdomyolyse begünstigen können [14].
Ausdauersport ist meist die beste Therapie
Bei der Therapie von Muskelbeschwerden kommt es darauf an, zwischen einer Behandlung der ursächlichen Erkrankung und einer symptomatischen Behandlung zu unterscheiden. Einen großen Stellenwert im Rahmen der symptomatischen Therapie haben physio- und sporttherapeutische Behandlungen. Ärzte des Friedrich-Baur-Instituts, Neurologische Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München empfehlen, insbesondere auch bei vorliegenden Muskelerkrankungen, ein an die individuelle Leistungsfähigkeit angepasstes regelmäßiges aerobes Ausdauertraining, wie z. B. Schwimmen, Radfahren, Wandern, Walking und Joggen. Das Training verbessert die Durchblutung und den Stoffwechsel der Muskulatur. Die Muskeln werden aktiv gehalten und man beugt einer belastungsabhängigen muskulären Ermüdung vor. Zwei- bis dreimal pro Woche kann es durch ein Krafttraining ergänzt werden. Jedes Training sollte mit Übungen zur Muskelentspannung und -dehnung beendet werden. Außerdem sind für die Regeneration der Muskeln regelmäßige Erholungsphasen erforderlich. Eine bessere Beweglichkeit und Schmerzreduktion kann auch mit meditativen Bewegungs- und Körperwahrnehmungstherapien wie z. B. TaiChi, Qigong und Yoga erreicht werden. Insbesondere bei chronischen Beschwerden ist eine psychotherapeutische Behandlung bezüglich der Stress- und Schmerzbewältigung hilfreich [14, 15].
Auf einen Blick
- Ursachen von Muskelschmerzen reichen von harmlosen Verspannungen und Muskelkater über Arzneimittelnebenwirkungen bis zu ernsthaften (teils genetischen) Erkrankungen.
- Zahlreiche Arzneimittel verschiedener Wirkstoffgruppen können Muskelschmerzen hervorrufen.
- Statine sind die häufigste Ursache für Arzneimittel-induzierte Myopathien – meist ist keine Beendigung der Therapie notwendig.
- Die Inzidenz schwerer Myotoxizität durch Statine ist relativ gering.
- Ausgewogene Ernährung ist wichtig, um Muskelbeschwerden infolge eines Nähr- und Mineralstoffmangels zu vermeiden.
- Haltungsbedingte Fehlbelastungen sollten vermieden werden.
- Aerobes Ausdauertraining ist oftmals das beste Mittel zur Behandlung und Prävention von (nicht arzneimittelbedingten) Muskelschmerzen.
Muskelaufbaupräparate nur zusammen mit körperlicher Betätigung
Im pharmazeutischen Beratungsgespräch kann auf die Bedeutung einer gesunden und ausgeglichenen Ernährung hingewiesen werden. Manchmal kann eine Umstellung der Essgewohnheiten sinnvoll sein, denn um einer Muskelschwäche durch Muskelabbau entgegenzuwirken, ist eine ausreichende Menge eiweißreicher Nahrungsmittel erforderlich. Allgemeine Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liegen bei einer täglichen Aufnahme von 0,8 bis 1,0 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Ältere Menschen ab einem Alter von 65 Jahren sollten nach Empfehlungen der ESPEN(European Society for Clinical Nutrition and Metabolism)-Expertengruppe jedoch eine erhöhte Menge von 1,0 bis 1,2 g pro kg Körpergewicht aufnehmen, in bestimmten Fällen auch 1,5 g/kg oder mehr. Ernährungsberaterin Annette Wild empfiehlt, die notwendige Eiweißmenge im Rahmen von mindestens drei Hauptmahlzeiten über den Tag verteilt aufzunehmen, da pro Mahlzeit nur 30 bis 40 g Protein vom Körper effizient verwertet werden können [16, 17, 18]. Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und zum Muskelzuwachs werden diverse Muskelaufbaupräparate als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Einen wissenschaftlichen Nachweis für deren Wirksamkeit gibt es meist nicht. Nach Ansicht von Ärzten des Friedrich-Baur-Instituts der Neurologischen Klinik des LMU-Klinikums München ist ein Nutzen bei solchen Präparaten „nur bei gleichzeitiger körperlicher Aktivität zu erwarten“. Ein positiver schmerzreduzierender Effekt wurde bei verschiedenen Muskelkrankheiten in kleinen Studien für Kreatinmonohydrat gezeigt. Nach Ansicht der Experten des Friedrich-Baur-Instituts hat dieses Nahrungsergänzungsmittel eine „gewisse Berechtigung“. Für eine positive Wirkung muss es mindestens drei Monate lang eingenommen werden. Von den Krankenkassen wird es jedoch nicht bezahlt. Eine zusätzliche Einnahme von 300 mg bis 400 mg Magnesium täglich kann erforderlich sein [14]. |
Literatur
[1] Heuß D et al. S1-Leitlinie Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien. 2020, Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. AWMF Registriernummer: 030/051, www.dgn.org/leitlinien
[2] Schneider-Gold C et al. Myotone Dystrophien, nicht dystrophe Myotonien und periodische Paralysen. Stand: 2017, S1-Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. AWMF-Registernummer: 030/055, www.dgn.org/leitlinien
[3] Müller-Wohlfahrt H-W et al. Muskelverletzungen im Sport. www.thieme-connect.com, DOI: 10.1055/b-002-96273
[4] Salehi N et al. Rhabdomyolysis in a patient with severe hypothyroidism. Am J Case Rep 2017;18:912-918, DOI: 10.12659/AJCR.904691
[5] Akimoto H et al. Onset timing of statin-induced musculoskeletal adverse events and concomitant drug-associated shift in onset timing of MAEs. Pharmacol Res Perspect 2018; e00439, DOI: 10.1002/prp2.439
[6] Horber FF, Ritzmann P. Muskuläre Probleme infolge von Medikamenten. pharma-kritik, 1991;13(3):9-12
[7] Nazir S et al. Statin-associated autoimmune myopathy: a systematic review of 100 cases. J Clin Rheumatol 2017;23:149-154, DOI:10.1097/RHU.0000000000000497
[8] Blasius H. Von kleinen Unterschieden – Statine sind nicht alle gleich, DAZ 2015;12:26
[9] Fachinformationen der genannten Arzneimittel
[10] Link E et al. SLCO1B1 variants and statin-induced myopathy – a genomewide study. N Engl J Med 2008;359:789-799, DOI: 10.1056/NEJMoa0801936
[11] Systemisch und inhalativ angewendete Chinolon- und Fluorchinolon-Antibiotika: Risiko von die Lebensqualität beeinträchtigenden, lang anhaltenden und möglicherweise irreversiblen Nebenwirkungen – Anwendungsbeschränkungen. Rote Hand-Brief der Zulassungsinhaber von Fluorchinolon-Antibiotika vom 8. April 2019, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2019/rhb-fluorchinolone.pdf
[12] Fluorchinolone: Schwere und langanhaltende Nebenwirkungen im Bereich der Muskeln, Gelenke und Nervensystem. Risikobewertungsverfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 2. Mai 2019, www.bfarm.de
[13] Wey S. L-Carnitin – Porträt einer Aminosäure. Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin 2015;2(03):19-22, DOI: 10.1055/s-0035-1547580
[14] Aktiv durch den Alltag – Bewegungsmöglichkeiten auch für Zuhause. Ein Übungsprogramm für Patientinnen und Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen des Friedrich-Baur-Institut der Neurologischen Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München. www.klinikum.uni-muenchen.de/Friedrich-Baur-Institut/download/de/krankheitsbilder/wissenswertes/Heimtraining.pdf
[15] Schoser B. Zur Therapie von Muskelkater, Myalgien, Krampi und Myotonie. www.thieme-connect.com, DOI: 10.1055/s-0029-1220376
[16] Protein, Referenzwerte. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein
[17] Deutz NEP et al. Protein intake and exercice for optimal muscle function with aging: Recommendations from the ESPEN Expert Group. Clinical Nutrition 2014;33:929-936, DOI:10.1016/j.clnu.2014.04.007
[18] Annette Wild, Ernährungsberaterin, persönliche Mitteilung
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