Arzneimittel und Therapie

Zulassung für Fostemsavir beantragt

Temsavir-Prodrug zeigt Erfolge bei multiresistenter HIV-Infektion

Patienten mit multiresistenten HIV-Infektionen haben wenig Behandlungsmöglichkeiten. Arzneimittel mit neuen Wirkmechanismen werden dringend benötigt. Der Kandidat Fostemsavir, der kürzlich zur Zulassung eingereicht wurde, scheint vielversprechend.

Fostemsavir ist ein noch in der klinischen Entwicklung befindliches Prodrug von Temsavir. Es bindet direkt an die Glykoprotein-120(gp120)-Untereinheit auf der Virusoberfläche und verhindert damit den Konformationswechsel, der für die initiale Interaktion des Virus mit Oberflächen­rezeptoren auf CD4+-T-Zellen erforder­lich ist. Eine Infektion der T- und anderer Immunzellen und die Vermehrung von HIV werden dadurch blockiert. Aufgrund des neuen Wirkmechanismus ist Fostemsavir besonders geeignet für Patienten, die mit ­einem HI-Virus infiziert sind, der resistent gegenüber den meisten anderen antiretroviralen Therapeutika ist. Fostemsavir hat ein günstiges Wechselwirkungsprofil und zeigt in vitro keine Kreuzresistenz zu den derzeit verfügbaren antiretroviralen Arzneimitteln.

Die Zulassungsstudie

Grundlage des Zulassungsantrages ist eine noch laufende Phase-III-Studie (BRIGHTE). Ergebnisse einer Analyse nach 48 Wochen sind kürzlich im New England Journal of Medicine vorgestellt worden. Von Februar 2015 bis Mai 2016 wurden in 23 Ländern 371 erwachsene Patienten in die Studie aufgenommen, die bereits mehrere antiretrovirale Therapien hinter sich hatten und bei denen das laufende Therapieschema versagt hatte (HIV-1 RNA-Spiegel ≥ 400 Kopien/ml). Behandlungsoptionen mit zugelassenen Arzneimitteln aus mindestens vier von sechs Klassen antiretroviraler Therapeutika waren bei diesen Patienten ausgeschöpft, und die Anzahl ihrer CD4+-T-Zellen war gering.

Foto: rangizzz – stock.adobe.com

Die rote Schleife ist Symbol der Solidarität mit HIV-Infizierten und AIDS-Kranken.

Entsprechend ihrer verbleibenden Behandlungsmöglichkeiten wurden die Studienteilnehmer in zwei Kohorten eingeteilt. In der randomisierten Kohorte waren Patienten (n = 272), die noch mit mindestens einem voll aktiven zugelassenen antiretroviralen Arzneimittel aus mindestens einer, aber nicht mehr als zwei antiretroviralen Klassen behandelt werden konnten. Für die verblindete Phase wurden sie im Verhältnis 3 : 1 in eine Fostem­savir-Gruppe und eine Placebo-Gruppe randomisiert. Patienten in der Fostemsavir-Gruppe erhielten von Tag eins bis Tag acht zweimal täglich 600 mg Fostemsavir zusätzlich zu ihrem nicht wirksamen Therapieschema. Patienten in der Placebogruppe erhielten im gleichen Zeitraum Placebo statt Fostemsavir. Danach erhielten alle Patienten unverblindet Fostemsavir (zweimal täglich 600 mg) zusätzlich zu einer optimierten individualisierten Therapie.

Eine zweite nicht randomisierte Kohorte, bestehend aus 99 Patienten, konnte nicht mehr mit voll aktiven zugelassenen antiretroviralen Arzneimitteln behandelt werden. Diese Patienten wurden vom ersten Tag an unverblindet mit Fostemsavir (zweimal täglich 600 mg) und einer optimierten individualisierten Therapie behandelt.

HIV-1-RNA reduziert

Primärer Endpunkt der Studie war die durchschnittliche Änderung der HIV-1-RNA-Spiegel von Tag eins bis Tag acht in der randomisierten Kohorte. Diese betrug 0,79 log10 Kopien/ml in der Fostemsavir-Gruppe und 0,17 log10 Kopien/ml in der Placebo-Gruppe (p < 0,001). Nach 48 Wochen wurde eine virologische Antwort, definiert als HIV-1-RNA-Spiegel < 40 Kopien/ml, bei 54% der Patienten der randomisierten und bei 38% der nicht rando­misierten Kohorte beobachtet. Auch ein ­Anstieg der CD4+-T-Zellen wurde ­verzeichnet. Die am häufigsten auf­tretenden Nebenwirkungen waren Übelkeit und Diarrhö. 7% der Patienten mussten die Therapie mit Fostemsa­vir aufgrund von Neben­wirkungen abbrechen. Einige Patienten wiesen eine oder mehrere substituierte Aminosäuren im gp120 auf, die zum Versagen der Fostemsavir­therapie (bei 49 Patienten bzw. 18% in der randomisierten und 46 Patienten bzw. 46% in der nicht randomisierten Kohorte) beigetragen haben könnten.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass bei Patienten mit multiresistenten HIV-Infektionen und limitierten Therapiemöglichkeiten der HIV-1-RNA-Spiegel durch Fostemsavir im Vergleich zu Placebo innerhalb von acht Tagen signifikant gesenkt werden kann und dass die Wirksamkeit über 48 Wochen anhaltend ist. |
 

Literatur

Kozal M et al. Fostemsavir in adults with multidrug-resistant HIV-1 infection. NEJM 2020;382:1232-1243; doi:10.1056/NEJMoa1902493

ViiV Healthcare, Pressemitteilung vom 10. Januar 2020, www.viivhealthcare.com

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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