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Jour fixe: Wirkstoffe für die Intensiv­medizin im Fokus

Engpässe bei Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln behoben

cel | Wie entwickeln sich in der Coronakrise die Liefer- und Ver­sorgungsengpässe? Damit setzte sich am 13. Mai der Jour fixe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausein­ander. Seine Einschätzung: Die Versorgungslage in Krankenhäusern und Apotheken ist zwar entspannter, doch Engpässe bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln persistieren. Zudem könnte der Arzneimittelbedarf durch Wiederaufnahme des OP-Betriebs zusätzlich steigen.

Seit März besprechen sich die Teilnehmer des Jour fixe zu Liefer- und Ver­sorgungsengpässen alle zwei Wochen telefonisch. Nun hat das BfArM das Kurzprotokoll der letzten Sitzung veröffentlicht. Demnach ist in manchen Bereichen Entspannung zu beobachten: „Die Engpässe bei Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln konnten behoben werden“, heißt es im Protokoll. Aktuell sei eine GMP-konforme Herstellung sichergestellt und Produktionsausfälle nicht zu erwarten. Auch die Versorgungslage mit Arzneimitteln in Apotheken und Kliniken zeige sich „aufgrund der getroffenen Maßnahmen und der sinkenden Anzahl zu behandelnder Patienten in der Fläche generell leicht entspannt“. Bei den Verordnungszahlen von Hydroxychloroquin und Paracetamol gebe es derzeit ebenfalls keine Auffälligkeiten. Dennoch existierten weiterhin Lieferengpässe bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln, die für die Behandlung von COVID-19-Patienten benötigt werden. Als Indikator hierfür werden die beim BfArM gemeldeten Lieferengpässe herangezogen.

Der überwiegende Teil an COVID-19-Patienten kann in den Krankenhäusern auf Normalstationen behandelt werden. Daher prüft das BfArM, ob zusätzlich zum Monitoring des Arzneimittelbedarfs auf Intensivstationen (hier hatte das BfArM mit 2,5-mal mehr Arzneimitteln gerechnet) auch die Entwicklung auf Normalstationen beobachtet werden könnte. Wichtig ist nach Ansicht der Jour-fixe-Teilnehmer auch, dass in den Kliniken zunehmend der Operationsbetrieb wieder aufgenommen wird. „Damit wird der Arzneimittelverbrauch wieder zunehmen“, geben sie zu bedenken. Daher müssten auch weiterhin alle Anstrengungen unternommen werden, um eine solide Arzneimittelversorgung sicherstellen zu können.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) prüfe derzeit, ob und gegebenenfalls wie eine erweiterte Bevorratung in den Kliniken durch eine weitere Eilverordnung positiv beeinflusst werden könnte. Die geplante „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungs-Verordnung“ (MedBVSV) befinde sich in der fortgeschrittenen internen Abstimmung.

Großhandel kann kontinuierlich beliefert werden

Unter kritischer Beobachtung des Jour fixe steht weiterhin die Arzneimittelproduktion in Indien. Zwar würden sich Lieferengpässe aufgrund des dortigen Lockdowns in Deutschland bislang nicht niederschlagen, doch gingen vermehrt Anfragen beim BfArM dazu ein. Die Lage werde engmaschig beobachtet, Unternehmen werden um frühzei­tige Information gebeten, sollte sich die Lage ändern. Hingegen habe sich die innereuropäische Transportsituation weitgehend normalisiert, der Großhandel könne kontinuierlich beliefert werden und dadurch auch die Apotheken.

Elf Rückmeldungen erhielt das BfArM auch zu Anfragen bei den Pharmaunternehmen. Diese waren seit Beginn der Corona-Krise angehalten, Arzneimittel, die aufgrund formaler Mängel vernichtet werden sollten, zunächst nicht zu vernichten, damit bei tatsächlichen Versorgungsengpässen notfalls auf die Präparate zurückgegriffen werden kann. Dem BfArM wurden 59 Arzneimittel (zehn Wirkstoffe) gemeldet, von denen 17 einen Wirkstoff der ICU-Wirkstoffliste enthielten. Abhängig von der weiteren Entwicklung wird entschieden, ob einzelne Arzneimittel für den Verkehr freigegeben werden.

Relevante Engpässe

Im Fokus stehen weiterhin insbesondere Wirkstoffe, die in der intensivmedizinischen Versorgung benötigt werden. Eine eigens eingerichtete Taskforce hatte eine Liste mit etwa 20 Wirkstoffen dazu erstellt. Unter anderem fallen Propofol, Midazolam, Morphin, Meropenem, Norepinephrin und Atemkalk darunter. Einzelne Kliniken haben zur Überbrückung von Lieferengpässen, vorzugsweise für den eigenen Bedarf, die Eigenherstellung für Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen aufgenommen. So etwa das UKE Hamburg.

Jedoch eignen sich nicht alle Wirkstoffe gleichermaßen für die Eigenherstellung in Kliniken. Propofol ist z. B. aufgrund der Lipidformulierung als Emulsion ein eher schwieriger Kandidat. Hingegen sind Clonidin, Midazolam, Fentanyl und Sufentanil geeigneter. Laut Jour-fixe-Protokoll betonten alle Teilnehmer, dass die Eigenherstellung durch Kliniken nur als Ad-hoc-Maßnahme zu verstehen ist und eine ordnungsgemäße Versorgung mit Fertigarzneimitteln der Regelfall sein muss. |

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