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Aus der Hochschule
Ausgangsstoffprüfung per Mini-NIR-Spektrometer
Wahlpflichtfach an der TU Braunschweig überprüft Apothekentauglichkeit
Geklärt und validiert werden sollte, inwiefern die mit einem Mini-Nahinfrarot-(NIR)-Spektrometer messbaren Spektren zur Feststellung der Identität von Arzneistoffen geeignet sind. Ein handliches und einfach zu bedienendes Gerät, welches die Ausgangsstoffprüfung in der Apotheke erleichtern kann, könnte erhebliche Vorteile bringen. So könnte sich vielleicht eine Alternative zu den zeitaufwendigeren Identitätsprüfungen wie der Schmelzpunktbestimmung oder der Dünnschicht-Chromatographie auftun. Außerdem wird die Probe ohne Vorbehandlung direktvermessen und bei der Untersuchung nicht verbraucht – diese Methode ist somit zerstörungsfrei.
Steroide im Test
Um die Grenzen dieses neuartigen Systems zu testen, wurde eine Gruppe strukturell besonders ähnlicher Arzneistoffe ausgesucht: Über 20 verschiedene Steroide und verwandte Arzneistoffe aus jeweils ein bis vier unterschiedlichen Chargen wurden über zwei Wochen mit dem Mini-NIR-Spektrometer vermessen und die Spektren in einer Datenbank gespeichert.
Dafür wurden verschiedenste Messanordnungen gewählt und die verwendete Probenmenge variiert, um die bestmöglichen Bedingungen für die Arzneistoffidentifizierung zu bestimmen. Jeder Arzneistoff wurde mehrere Male – und auch an verschiedenen Tagen – spektroskopisch vermessen, sodass die „Tag-zu-Tag“-Variabilität der Messungen abgebildet wurde. Im Anschluss wurde versucht, aus den Spektren den dazugehörigen Arzneistoff wieder eindeutig zu erkennen. Sollte dies gelingen, könnte ein derartiges System weiterentwickelt werden, um den Einsatz in der Apotheke möglich zu machen.
Sogar für strukturell sehr ähnliche Arzneistoffe kann das Gerät Spektren liefern, die sich auch als Laie gut voneinander unterscheiden lassen (s. Abb.).
Maschinelles Lernen
Bei den meisten Steroiden verhält es sich jedoch anders: Die Spektren für unterschiedliche Steroide können nur schwer zugeordnet werden. Deshalb werden die NIR-Spektren automatisiert ausgewertet. Hierfür bedient man sich des maschinellen Lernens. Mithilfe eines Datensatzes an Trainingsspektren, für den die Arzneistoffe bekannt sind, kann der Computer Zusammenhänge „lernen“. Treten für manche Arzneistoffe charakteristische Banden in bestimmten Bereichen der Spektren auf, so kann der Algorithmus diese finden und sich „merken“. Wird nun ein Spektrum unbekannter Herkunft vermessen, gleicht der Rechner dieses mit seinem gelernten Wissen ab und kann anhand eben dieser spezifischen Charakteristika eine Aussage treffen. Die Art und Weise wie die Spektren, oder nur Bereiche davon, ausgesucht werden, hängt von der jeweiligen Methodik des maschinellen Lernens ab. Drei sehr verschiedene Techniken, nämlich Random Forests, Support Vector Machines (SVM), und die Methode der k-nächsten Nachbarn (kNN) wurden hier verwendet und verglichen. Diese unterscheiden sich in Komplexität, Abstraktionsniveau und der Art, was sie an den Spektren als besonders charakteristisch erachten. In Ergänzung dazu wurden die Spektren aus den Rohdaten noch unterschiedlich aufbereitet. Viele der möglichen Algorithmen sind bereits in der Monographie „5.21 Chemometrische Methoden zur Auswertung analytischer Daten“ des Europäischen Arzneibuchs beschrieben und im dazugehörigen Kommentar erläutert.
Überprüfung der Fehlerhäufigkeit
Um ein möglichst gutes Bild zu bekommen und eine passende Methode zu wählen, wendet man ein ganzes Repertoire verschiedener Algorithmen auf seine Daten an. In einer Art Wettstreit unter ihnen wird beobachtet, welche Fehler wie oft auftreten und wie sicher der Algorithmus bei richtiger Zuordnung ist. Üblicherweise lässt man dabei auch zufällig gewählte Teile seiner Daten aus. Mit den ausgelassenen Daten wird die Vorhersage neuer, unbekannter Arzneistoffe im Apothekenalltag simuliert. Die Arzneistoffe für Spektren vorherzusagen, mit denen der Computer bereits gelernt hat, wäre zu einfach – schließlich kennt er diese ja schon! Diesen Vorgang des „Daten-Auslassens“ wiederholt man mehrmals, um glückliche Zufälle auszuschließen und um eine möglichst realistische Einschätzung der Fehlerhäufigkeit zu bekommen. Entsprechend gingen die Studierenden im Wahlpflichtfach auch mit den gemessenen Steroid-Spektren um.
Vielversprechende Ergebnisse trotz spektraler Ausreißer
Das Ergebnis klingt vielversprechend: Alle getesteten Algorithmen finden in über 95% der Fälle den richtigen Arzneistoff. Ganz spezielle Algorithmen, die für die Auswertung von Nahinfrarot-Spektren entwickelt wurden, erreichen sogar 99,8%, und das bei knapp 2000 vermessenen Spektren. Das zeigt auch, dass die aufgenommenen Nahinfrarot-Spektren charakteristisch sind, zumindest für reine Arzneistoffe. Die Tatsache, dass dieses Ergebnis trotz verschiedener Chargen und Messanordnungen erreicht wurde, ist ein weiteres Indiz für die insgesamt hohe Robustheit der Messmethode. Allerdings gab es wenige Spektren, die sich partout nicht immer richtig wiederfinden ließen, unabhängig vom getesteten Algorithmus. Bei genauerer Analyse wird klar, warum: Es handelt sich um Ausreißer. Es liegt also nicht an Unzulänglichkeiten des verwendeten Algorithmus, denn auch ein Mensch hätte hier große Probleme mit der Zuordnung gehabt. Der Fehler kann demnach auf das Spektrum zurückgeführt werden. Ob dies zufälligen Fehlern des Geräts oder Unsauberkeiten beim Messen geschuldet ist, gilt es nun zu vertiefen. Durch weitere Messungen sollen Fehlerquellen so erkannt und zukünftig vermieden werden. In weiteren Versuchen sollen Versuchsaufbau und Auswertung so optimiert werden, dass ein möglichst robustes und reproduzierbares Protokoll für die Ausgangsstoffprüfung entsteht.
Fazit
Mit den hier vorgestellten Arbeiten lässt sich noch kein apothekentaugliches System für die Ausgangsstoffprüfung von Steroiden oder ganz allgemein von Arzneistoffen erstellen. Zunächst müssen noch die Ursachen für die spektralen Ausreißer hinterfragt werden. Doch selbst wenn sporadisch Ausreißer auftreten würden, so könnte man schon heute durch mehrfaches Vermessen des Arzneistoffs und dem „Mehrheitsvotum“ des Algorithmus auf Basis dieser Wiederholungsmessungen eine nahezu fehlerfreie Arzneistoffidentifizierung im Bereich der Steroide erreichen.
Es lohnt sich also, diese Thematik weiterzuverfolgen, denn sowohl die Messtechnik, die Miniaturisierung, als auch die Datenauswertung werden nach wie vor stetig verbessert. Es ist also damit zu rechnen, dass zukünftig kostengünstige, intelligente Mini-NIR-Spektrometer Einzug ins Apothekenlabor erhalten, so wie es heute vielfach mit den teureren, ausgewachsenen NIR-Messgeräten schon der Fall ist. |
Danksagung
Wir möchten vielen früheren Studierenden der TU Braunschweig und auch weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arbeitsgruppe für ihre Vorarbeiten zu diesem Projekt danken.
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