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Pandemie Spezial

Tatsächlich hygienisch?

Viele Menschen setzen während der Corona-Pandemie auf Einmalhandschuhe

In den Supermärkten sieht man während der aktuellen Corona-Pandemie viele Kunden, die medizinische Einmalhandschuhe tragen. Eigentlich gehört diese Schutzausrüstung zur Basishygiene in der Medizin. Wahrscheinlich suggerieren sie daher zahl­reichen Menschen ein Gefühl von Sicherheit bei der Ansteckung und Übertragung der Coronaviren. Doch ist es tatsächlich sinnvoll, diese Handschuhe im Alltag zu tragen, und was ist dabei zu beachten? | Von Melanie Klingler

Bei der Überlegung, ob das Tragen von medizinischen Einmalhandschuhen Sinn macht, gilt es zunächst, den Infek­tionsweg von SARS-CoV-2 und seine Stabilität in der Umwelt anzuschauen. Die Infektion erfolgt aerogen über Tröpfcheninfektion. Bei allen Tröpfcheninfektionen kann die Virusverbreitung auch über Hände und Oberflächen erfolgen, dies ist aber der sekundäre Übertragungsweg. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind bisher keine Fälle bekannt, bei denen eine Infektion durch den Kontakt mit kontaminierten Gegenständen oder durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel nachgewiesen wurde [1]. Insgesamt stuft das Institut die Möglichkeit von Schmierinfektionen als möglich ein, hält dies aber nur für einen kurzen Zeitraum nach der Kontamination für wahrscheinlich.

Die Stabilität von Coronaviren in der Umwelt hängt von verschiedenen Faktoren – Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Beschaffenheit der Oberfläche, Virusstamm und Virusmenge – ab. Humane Coronaviren sind im Allgemeinen auf trockenen Oberflächen nicht besonders stabil. Die Inaktivierung im getrockneten Zustand erfolgt innerhalb von Stunden bis einigen Tagen. Erste Untersuchungen einer amerikanischen Arbeitsgruppe zeigen, dass SARS-CoV-2 nach starker Kontamination bis zu 3 Stunden als Aerosol, bis zu 4 Stunden auf Kupferoberflächen, bis zu 24 Stunden auf Karton und 2 bis 3 Tage auf Edelstahl und Plastik infektiös bleiben kann [2].

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Mechanische Beanspruchung im Alltag

Im medizinischen Bereich unterscheidet man zwei Arten von Handschuhen. Sterile Handschuhe, die bei invasiven Eingriffen getragen werden und dem Schutz des Patienten dienen, und nicht sterile Handschuhe, auch Untersuchungshandschuhe genannt, die den Träger vor Kontakt mit infektiösem Material und Gefahrstoffen schützen sollen. Diese nicht ste­rilen Einmalhandschuhe sieht man aktuell vermehrt im Alltag. Sie bestehen beispielsweise aus Latex, Nitril, PVC, Polyethylen, Neopren oder Styren-Butadien-Polymeren.

Unter den verschiedenen Materialien ist nur Naturkautschuk für eine mechanische Beanspruchung geeignet, denn die Untersuchungshandschuhe sind primär für feinmotorische Tätigkeiten im medizinischen Bereich konzipiert und sollen das Tastvermögen des Trägers nicht negativ beeinflussen. Einer mechanischen Beanspruchung sind die Handschuhe beim Einsatz im Alltag, etwa beim Einkauf im Supermarkt, jedoch ausgesetzt. Durch eine vermehrte mechanische Belastung können Perforationen entstehen. Außerdem zeigen Untersuchungen, dass selbst unbenutzte Latexhandschuhe für Viren durchlässig sein können. Unter dem Elektronenmikroskop wurden Kanäle von 5 µm Durch­messer nachgewiesen, welche von Viren, deren Größe sich im Bereich von Nanometern bewegt, problemlos passiert werden könnten [3].

Gute Handhygiene trotz Handschuhen

Beim Einsatz im medizinischen Bereich wird die Desinfek­tion der Hände vor und nach dem Tragen der Handschuhe angeraten. Das Tragen der Handschuhe ersetzt demnach nicht die üblichen Regeln der Handhygiene, und diese – gerade das gründliche Waschen der Hände mit Seife für 20 bis 30 Sekunden – sind gegen die behüllten Coronaviren ausreichend. Indem der unnötige Einsatz von Desinfektionsmitteln und medizinischen Einmalhandschuhen im Alltag vermieden wird, kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass keine Ressourcenknappheit während der Pandemie entsteht.

Desinfektion von Einmalhandschuhen

Sollte eine Ressourcenknappheit absehbar oder vorhanden sein, stellt sich die Frage: Dürfen Einmalhandschuhe überhaupt desinfiziert werden? Diese Frage wird in der Fachwelt seit Längerem diskutiert. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) schreibt in ihrer Empfehlung „Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens“, dass behandschuhte Hände nur in speziellen Fällen desinfiziert werden sollten und nur unter der Voraussetzung, dass keine sichtbaren Verunreinigungen oder Perforationen vorhanden sind [4]. Zur Desinfektion sind Einmalhandschuhe geeignet, die gemäß EN 374 chemika­lienbeständig sind. Die Prüfung der sogenannten Durchbruchzeit von 30 Minuten (Schutzindex Klasse 2) soll mindestens einen Alkohol einschließen. Sowohl vom Hersteller der Handschuhe als auch vom Hersteller des Händedesinfektionsmittels darf es keine Angaben geben, die gegen eine Desinfizierbarkeit des Handschuhs sprechen. Das Deutsche Beratungszentrum für Hygiene (BZH) geht auf das Desinfizieren von behandschuhten Händen im Fall von Ressourcenknappheit in Zeiten von COVID-19 in einem Merkblatt ein: „Bei ausschließlicher Behandlung von COVID-19-Patienten kann die Schutzkleidung personenbezogen für die Versorgung mehrerer Patienten verwendet werden. Zwischen den einzelnen Patienten sind die Regeln der Basishygiene zu beachten, z. B. durch zusätzlichen Einsatz von Plastikschürzen und die Desinfektion der behandschuhten Hände“ [5].

Wenn man trotzdem Handschuhe tragen möchte

Obwohl das Tragen von Einmalhandschuhen keinen Schutz vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 bietet, wird es sicherlich weiterhin Personen geben, die sich damit besser fühlen. Teils wird auch angeführt, dass man sich mit den behandschuhten Händen möglicherweise seltener ins Gesicht fasst und so Schmierinfektionen über den Kontakt mit den Schleim­häuten von Mund, Nase und Augen vermieden werden.

Menschen, die Einmalhandschuhe beim Einkaufen, in der Bahn oder anderen Alltagssituationen tragen möchten, sollten darüber informiert werden, dass die Handschuhe einen Schutz vor groben Verschmutzungen bieten, aber nicht zwangsläufig vor Viren und anderen Krankheitserregern schützen. Mit zunehmender Tragedauer und bei zu starkem Stretchen bzw. Überdehnen werden die Handschuhe poröser und die Schutzwirkung sinkt weiter. Deswegen ersetzen die Handschuhe auch nicht die korrekte Handhygiene.

Abb. 1: Anlegen von Einmalhandschuhen

Weiterhin ist zu beachten, dass unmittelbar vor Anlegen der Handschuhe (Abb. 1) keine Hautschutz- oder Pflegepräparate angewendet werden sollen, da gerade Latexhandschuhe durch die enthaltenen Fette und Öle geschädigt werden können. Erhöhte mechanische Belastungen, wie sie beim Tragen von Uhren, Armbändern, Ringen und künstlichen Fingernägeln entstehen, können zur Perforation von Handschuhen führen und die Handhygiene negativ beeinflussen. Unter den Einmalhandschuhen entsteht ein feucht-warmes Milieu, das die Vermehrung von Viren und Bakterien begünstigt. Bei längerer Tragedauer kann dadurch die Hautbarriere geschädigt und das Entstehen von Allergien begünstigt werden. Dies gilt auch für Haushaltshandschuhe, die derzeit von manchen Personen beim Einkaufen statt Einmalhandschuhen getragen werden.

Abb. 2: Ausziehen von Einmalhandschuhen

Ein weiteres Risiko besteht beim Ausziehen der Handschuhe (Abb. 2). Es erfordert Übung, sich Einmalhandschuhe so auszuziehen, dass mögliche darauf haftende Mikroorganismen nicht verteilt werden. Beim Ausziehen greift zunächst eine Hand in die Innen­fläche der anderen Hand und hebt den Handschuh an. Die Hand zieht den Handschuh ganz ab und hält ihn fest. Die nicht behandschuhte Hand fasst nun unter die Stulpe der noch behandschuhten Hand und zieht den Handschuh ebenfalls ab. Am Ende ist der Handschuh umgekrempelt und umschließt den anderen Handschuh.

Eine Studie konnte zeigen, dass dies selbst medizinischem Fachpersonal Schwierigkeiten bereiten kann [6]. Für den nicht routinierten Träger ist dies ein weiterer Punkt, der gegen die Nutzung von medizinischen Einmalhandschuhen im Alltag spricht.

Auf einen Blick

  • Medizinische Einmalhandschuhe bieten Schutz vor groben Verschmutzungen, aber nicht zwangsläufig vor Viren und anderen Krankheitserregern.
  • Mit zunehmender Tragedauer werden die Handschuhe poröser, und die Schutzwirkung lässt immer weiter nach.
  • Einmalhandschuhe ersetzen nicht die korrekte Handhygiene vor und nach dem Tragen!
  • Unmittelbar vor Anlegen der Handschuhe sollten keine Hautschutz- oder Pflegepräparate angewendet werden, v. a. Latexhandschuhe werden durch die enthaltenen Fette und Öle geschädigt.
  • Erhöhte mechanische Belastungen (Tragen von Uhren, Armbändern, Ringen und künstlichen Fingernägeln) können zur Perforation von Handschuhen führen.
  • Unter Einmalhandschuhen (und Gummihandschuhen) entsteht ein feucht-warmes Milieu, das die Vermehrung von Viren und Bakterien begünstigt. Längere Tragedauer schädigt die Hautbarriere und begünstigt allergische Reaktionen.
  • Beim Ausziehen der Handschuhe sollten darauf haftende Mikroorganismen möglichst nicht auf Hände, Handgelenke oder Kleidung verteilt werden. Dies kann selbst medizinischem Fachpersonal Schwierigkeiten bereiten!

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Tragen von medizinischen Einmalhandschuhen außerhalb des medizinischen und pflegerischen Bereiches nicht sinnvoll erscheint. Die Träger der Handschuhe wähnen sich in einer trügerischen Sicherheit, die die Handschuhe in Wirklichkeit nicht bieten. Weiterhin können die Handschuhe den Schutz des Trägers auch nur gewährleisten, wenn die übliche Hand­hygiene vor und nach dem Tragen der Handschuhe eingehalten wird. Dies sollte gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ohnehin selbstverständlich sein und bietet alleine einen ausreichenden Schutz im Alltag. Das Tragen von Hand­schuhen hingegen bietet keine Vorteile, sondern kann durch das Gefühl einer vermeintlichen Sicherheit sogar dazu führen, dass sich die Träger leichtsinniger verhalten oder die allgemeingültigen Schutzmaßnahmen vernachlässigen. Wer dennoch Einmalhandschuhe tragen möchte, sollte um deren Schwächen und die korrekte Handhabung wissen. |
 

Literatur

[1] Bundesinstitut für Risikobewertung. Kann das neuartige Coronavirus über Lebensmittel und Gegenstände übertragen werden? – Aktualisierte Fragen und Antworten des BfR vom 17. April 2020, abgerufen am 19.04.2020

[2] Van Doremalen et al. Aerosol and Surface Stability of SARS-CoV-2 as Compared with SARS-CoV-1. N Engl J Med 2020;382:1564-1567

[3] Fritz E. Medizinische Handschuhe: Auf den Umgang kommt es an. Management & Krankenhaus 2012, online, abgerufen am 19.04.2020

[4] KRINKO-Empfehlung „Handhygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens“, September 2016, abgerufen am 19.04.2020

[5] Deutsches Beratungszentrum für Hygiene. BZH-Merkblatt SARS-CoV-2 (COVID-19), abgerufen am 19.04.2020

[6] Kwon JH et al. Assessment of Healthcare Worker Protocol Deviations and Self-Contamination During Personal Protective Equipment Donning and Doffing. Infect Control Hosp Epidemiol 2017;38(9):1077–1083

Autorin

Dr. Melanie Klingler ist Veterinär­medizinerin, arbeitet als Medical Consultant in einem diagnostischen Labor und schreibt als freie Medizinjournalistin für Online- und Print­medien.

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